Title: Prof. Dr. Niclas Schaper
1Vorlesung Einführung in die Psychologie 03-07-06
- Themen der heutigen Stunde
- Arten von Gruppen und anderen sozialen Aggregaten
- Sozialer Einfluss in Gruppen
- Mehrheitseinfluss
- Minderheitseinfluss
- Polarisiserung von Gruppen
- Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten
- Konflikte in und zwischen Gruppen
- Ursachen und Folgen von Konflikten
- Interventionsmöglichkeiten
2Arten von Gruppen und anderen sozialen Aggregaten
3Was unterscheidet soziale Gruppen von anderen
Formen sozialer Aggregate?
- Interaktion Art und Ausmaß der Kommunikation
zwischen Gruppenmitgliedern - Interdependenz Ausmaß, in dem Gruppenmitglieder
gegenseitig bei der Erreichung von Zielen
voneinander abhängig sind - Struktur der Gruppe stabiles Muster von
Beziehungen zwischen Mitgliedern einer Gruppe - Rollen das Verhalten, dass von Mitgliedern in
einer spezifischen Position einer Gruppe erwartet
wird, - Normen implizite Verhaltens- bzw.
Einstellungsstandards in einer Gruppe - Status Ausmaß der Autorität bzw. des Prestiges,
den ein Gruppenmitglied hat - Wahrnehmung als Gruppe Ausmaß, in dem eine
Gruppe tatsächlich als Gruppe wahrgenommen wird
(Entitativity) - Gruppenkohäsion Stärke, mit der
Gruppenmitglieder sich an die Gruppe gebunden
fühlen - Soziale Identität Teil des Selbstkonzepts, der
sich ableitet aus der Mitgliedschaft in sozialen
Gruppen oder sozialen Kategorien
4Wie finden sich diese Kennzeichen bei
unterschiedlichen Arten von Gruppen wieder?
- Beispiele für Gruppen
- Fußballmannschaft
- Flugzeugcrew
- Talkrunde im Fernsehen
- Kleingruppe mit kurzfristigem Arbeitsauftrag im
Seminar - Warteschlange vor einem Sparkassenschalter
- Analysieren Sie bitte, ob bei diesen Gruppen die
besprochenen Merkmale einer Gruppe gegeben sind
und in welchem Ausmaß sie jeweils vorhanden sind.
Bewertungsskala 5 in sehr hohem Maß
vorhanden, 4 in hohem Maß vorhanden, 3 in
mittlerem Maß vorhanden, 2 in geringem Maß
vorhanden, 1 in sehr geringem Maß vorhanden
Gruppenmerkmale Gegenseitige Interaktion Interdep
endenz Struktur der Gruppe(Rollen, Normen,
Status) Wahrnehmung als Gruppe Gruppenkohäsion Soz
iale Identität
5Ausmaß der Wahrnehmung als Gruppe (Entitativity)
(Lickel et al., 2000)
Skala (9) very much a group (1) not a
group at all
6Sozialer Einfluss Definition und Arten
- Eine Veränderung der Urteile, Meinungen und
Einstellungen einer Person in Folge der
Konfrontation mit Auffassungen einer anderen
Person. (de Montmollin, 1977)
7Experiment zum Mehrheitseinfluss von Solomon Ash
(1956)
- Folgen wir auch dann den Urteilen anderer, wenn
diese offensichtlich im Unrecht sind? - Welche der drei Vergleichslinien hat die selbe
Länge wie die Referenzlinie? - 7 Personen einer Gruppe antworten nach einander.
6 Eingeweihte antworten beim dritten Durchgang
falsch. - Dadurch zweifelt die einzige echte
Versuchsperson und stimmt der Mehrheit
schließlich zu. - Fazit
- Ein Mehrheitsurteil beeinflusst Einzelne auch
wenn es offensichtlich falsch ist
8Experiment zum Mehrheitseinfluss von Solomon Ash
(1956)
- Die Ergebnisse demonstrieren den enormen Einfluss
einer offensichtlich falsch urteilenden, aber
einmütigen Mehrheit auf die Urteile einer
einzelnen Person - Im Vergleich zur Kontrollbedingung (Fehlerquote
von 0,7 ) machten die Versuchspersonen in 37
der Urteilsfälle Fehler. - Nicht jede Versuchsperson machte so viele Fehler.
Interessanterweise machten nur 25 von 123 Pbn
keine Fehler im Vergleich zu 95 der
Kontrollgruppe.
9Informativer und normativer Einfluss
- Wenn Menschen in Anwesenheit anderer eine
Beurteilung eines Aspekts der Wirklichkeit
abgeben sollen verfolgen sie zwei Interessen - Sie möchten richtig urteilen und sie möchten
einen guten Eindruck machen - Um festzustellen, was richtig ist, stehen Ihnen 2
Informationsquellen zur Verfügung - das was ihnen ihre Sinne über die physische
Realität mitteilen - das was andere sagen -gt zwei Einflussarten
- Informativer Einfluss
- Einfluss, der auf dem Informationswert von
Meinungen beruht, die andere Menschen zum
Ausdruck gebracht haben. - Person gibt anderen nach, weil sie deren Urteilen
mehr vertraut als dem eigenen. - Normativer Einfluss
- Einfluss, der auf dem Bedürfnis beruht, von
anderen Menschen akzeptiert und bestätigt zu
werden. - Person gibt für Sympathie und Anerkennung nach
10Mehrheitseinfluss - Konformität
- Definition Sozialer Einfluss, der sich aus der
Konfrontation mit den Meinungen einer Mehrheit
oder der Mehrheit der eigenen Gruppe ergibt. - Mehrheitseinfluss in Gruppen ist abhängig von
der - Anzahl der Personen in der Mehrheit
- Einigkeit der Mehrheit
- Stärke der Einwirkung
- zugeschriebene Kompetenz der Gruppenmitglieder
- Schwierigkeit der Aufgabe
- Kultureller Hintergrund (kollektivistische und
individualistische Kulturen)
11Minderheitseinfluss
- Ergebnisse verschiedener Experimente zeigen, dass
Widerstand gegen - Mehrheitseinfluss möglich ist
- dafür sprechen historische Ereignisse (z.B.
Ökologiebewegung, Psychoanalyse) - auch Innovationen wären sonst kaum möglich
- Da Minderheiten kaum normativen Druck ausüben
können, müssen sie die Mitglieder der Mehrheit
zur inhaltlichen Auseinandersetzung anregen - Entscheidend ist dabei das Merkmal der
Konsistenz Ein Verhaltensstil, der darauf
hindeutet, dass man seine Position beibehält - Diachron (intraindividuelle Konsistenz)
- Synchron (interindividuelle Konsistenz)
Der Film Die zwölf Geschworenen.
12Experiment zum Minderheitseinfluss von Moscovici
et al. (1969)
- Untersuchung zur Farbwahrnehmung
- Versuchspersonen in 6er Gruppen (2 Konfidenten)
36 Dias, alle zeigen ein Blau mit
unterschiedlicher Farbintensität - Aufgabe Nennen Sie die Farbe des jeweiligen Dias
- Ergebnisse
10
Grün-Antworten ()
0
Inkon-sistente Minderheit
Konsistente Minderheit
Kontroll-gruppe
13Minderheitseinfluss - Resümee
- Konsistente Minderheiten haben einen deutlichen
Einfluss auf die Urteile einer Mehrheit - Der Minderheitseffekt tritt im Gegensatz zum
Mehrheitseffekt erst nach einiger Zeit auf - Minderheitseinflüsse regen zum kreativem Denken an
14Gruppenpolarisierung
- Klassische Studie zur Gruppenpolarisierung
(Moscovici Zavalloni, 1969) - Schüler sollten zunächst privat ihre
Einstellungen zu Präsident De Gaulle (oder zu
US-Amerikanern) nieder schreiben - Danach sollten sie zu jeder Einstellung einen
Konsens in der Gruppe herstellen am Ende gaben
sie wieder ein privates Einstellungsurteil ab - Folge der Diskussion in der Gruppe
Versuchspersonen wurden nach dem Konsens in
ihren Einstellungen extremer
15Ergebnisse des Experiments zur Gruppenpolarisierun
g
16Definition und Erklärungsansätze zur
Gruppenpolarisierung
- Definition Gruppenpolarisierung
- Eine anfangs dominante Position wird aufgrund von
Gruppendiskussion verstärkt dieses Phänomen ist
in hohem Maße allgemein gültig - Erklärungsansätze der Gruppenpolarisierung
- Wirkung des normativen Einflusses
- Man wird selbst extremer, um sich positiv von den
anderen Gruppenmitgliedern zu unterscheiden - Wirkung des informativen Einflusses
- Die neu hervorgebrachten Argumente rufen eine
Polarisierung hervor
17Erklärungsansätze zur Gruppenpolarisierung
- Selbstkategorisierungsansatz
- Eine Gruppennorm leitet sich nicht aus dem
Durchschnitt der Meinungen einer Gruppe ab,
sondern aus dem Prototyp - Gruppendenken entsteht, wenn das Streben nach
Konsens den Entscheidungsprozess derart
dominiert, dass die Realitätswahrnehmung
beeinträchtigt wird - Wenn ein Argument wiederholt wird, setzt ein
Prozess der Gesprächs-vereinfachung ein - Das Verhalten Anderer trägt zur wahrgenommenen
Überzeugungskraft der eigenen Argumente bei
18Wer ist anfällig für Gruppendenken und was kann
man dagegen tun?
- Anfällig für Gruppendenken sind
- Sehr köhasive Gruppen
- Gruppen, die von alternativen Informationsquellen
isoliert sind - Gruppen, deren Anführer klar eine bestimmte
Lösung favorisiert - Gegenmittel gegen Gruppendenken
- Wie sollte sich der Anführer der Gruppe
verhalten? - Wie würde sich ein Advocatus Diaboli auf die
Gruppe auswirken? - Welchen Vorteil kann man sich vom unabhängigen
Niederschreiben der Gedanken jedes Einzelnen
versprechen?
19Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten
Milgram-Experiment
- Ausgangsfrage
- Wann und warum zeigen Individuen auf bloße
nachdrückliche Aufforderung einer
Autoritätsperson hin Gehorsam gegenüber Befehlen,
die sie selbst für ethisch nicht vertretbar
halten und die sie eigentlich nicht auszuführen
bereit sind? - Versuchsdurchführung und -ergebnisse
- Vor dem Versuch
- nur 5 gehen über 150V
- 70 gehen nicht über 75V
- Nach dem Versuch
- 62,5 der Versuchspersonen gehen bis zum
maximalen Stromstoß 450V - der durchschnittliche Maximalstromstoß beträgt
368V
20Das Milgram-Experiment Ergebnisse
21Milgram-Experiment Erklärungsansätze
- Wie kann man das Verhalten der Versuchspersonen
erklären? - Das Verhalten hängt stark von situativen Faktoren
ab! - Versuchsvariationen
- Autoritätsperson/Ausmaß der Kontrolle
- Räumliche/Emotionale Nähe zum Opfer
- Verhalten von Kollegen
221. Variation des Milgram-Experiments
Autoritätsperson/Ausmaß der Kontrolle
- Ort Experiment findet in einem
heruntergekommenen Büro statt - Versuchsleiter ist nicht im selben Zimmer wie die
Versuchsperson und erteilt die Befehle nur per
Telefon - Versuchsleiter geht weg und überträgt die
Autorität einer anderen Person
232. Variation des Milgram-Experiments
Räumliche/Emotionale Nähe zum Opfer
- Opfer ist in einem anderen Raum, Versuchsperson
hört nur das Treten gegen die Wand - Opfer ist in einem anderen Raum, Versuchsperson
hört es schreien - Opfer ist im selben Raum, Versuchsperson kann es
sehen und hören - Versuchsperson muss die Hand des Opfers an die
Elektrode halten
243. Variation des Milgram-Experiments Verhalten
von Kollegen
- Versuchsperson 2 Kollegen
- Kollegen steigen bei 150V und 210V aus
- Versuchsperson 1 Kollege
- Versuchsperson stellt die Frage, der Kollege
verabreicht die Stromstöße
25Was lässt sich aus diesem Experiment schließen?
- Menschen zeigen eine erstaunliche Bereitschaft,
sich Anordnungen von oben zu beugen und sich so
ihrer eigenen Verantwortung zu entledigen - Wenn Menschenfreundlichkeit und Gehorsam
aufeinander prallen, siegt meistens die
Gehorsamkeit - Ganz normale Menschen, die von einer
problematischen Situation überwältigt werden,
können ohne besondere Feindseligkeit oder
Bösartigkeit Gräueltaten begehen
26Erklärungsansätze zum Milgramexperiment
- Drei Faktoren
- Menschen haben gelernt, für Gehorsam von
Autoritätspersonen belohnt zu werden und haben
die Erwartung, dass Autoritätspersonen
vertrauenswürdig, glaubwürdig und legitim handeln - Foot-in-the-door
- Abschieben von Verantwortung
- Gegenargumente
- Es gibt auch einige Beispiele dafür, dass
Menschen böswilligen Autoritätspersonen nicht
immer gehorchen. - Fundamental ist dabei, dass der Widerstand sofort
einsetzt. - Unverzüglicher Widerstand verringert die
Wahrscheinlichkeit späteren Gehorsams.