Title: Kostenerstattung (
1Leistungsgrenzender gesetzlichen
Krankenversicherung- ein Beitrag zur Abgrenzung
von Solidarität und Eigenverantwortung -
Juristische Gesellschaft Ruhr Essen 30.11.2011 Dr
. Ricarda Brandts
2Bedeutung der Gesetzlichen Krankenversicherung
für die Sozialgerichtsbarkeit
30.11.2011
2
Dr. Brandts
3Die Sozialgerichtsbarkeit Nordrhein-Westfalen
30.11.2011
3
Dr. Brandts
4(No Transcript)
5(No Transcript)
6Gesetzliche Krankenversicherung
- Leistungsrecht
- Leistungserbringerrecht
- VertragsarztR/Sonstiges LE-R
30.11.2011
6
Dr. Brandts
7Gesetzliche Krankenversicherung
- Große gesellschaftliche Herausforderungen
- rasanter medizinischer Fortschritt
- demographischer Wandel
- bedingen
- wachsendes Angebot an Gesundheitsleistungen
- höheren Bedarf und steigende Erwartungen der
Versicherten.
30.11.2011
7
Dr. Brandts
8Gesetzliche Krankenversicherung
- Beständig neue Finanzierungsprobleme der GKV
(Einnahmeseite- /Ausgabeseite) - Verstärkte Leistungseinschnitte zu Lasten der
Versicherten - Finanzielle Inanspruchnahme/ Opfer der
Leistungserbringer -
- Zahlreiche Gesetzesänderungen
- Zunahme der Regulierungsdichte und
geschwindigkeit
30.11.2011
8
Dr. Brandts
9Gesetzliche Krankenversicherung
- Auswirkungen auf die richterliche Arbeit
- oftmals Nähe zu den existenziellen Sorgen der
Menschen - Gewährleistung der Funktionstüchtigkeit des
GKV-Systems - Ständige Konfrontation mit geändertem
Gesetzesrecht - Nähe zum Verfassungsrecht
30.11.2011
9
Dr. Brandts
10Solidarität und Eigenverantwortung
30.11.2011
10
Dr. Brandts
11Solidarität
1 S 1 SGB V Die Krankenversicherung als
Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die
Gesundheit der Versicherten zu erhalten,
wiederherzustellen und ihren Gesundheitszustand
zu bessern.
30.11.2011
11
Dr. Brandts
12 Eigenverantwortung
- 1 S 2 SGB V
- Die Versicherten sind
- für ihre Gesundheit mitverantwortlich !
- Mitwirkung durch
- eine gesundheitsbewusste Lebensführung
- durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen
Vorsorgemaßnahmen - durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung
30.11.2011
12
Dr. Brandts
13Eigenverantwortung
2 Abs 1 S 1 SGB V Leistungen Die KK stellen
den Vers die im Dritten Kapitel genannten
Leistungen () zur Verfügung, soweit diese
Leistungen nicht der Eigenverantwortung der
Versicherten zugerechnet werden.
30.11.2011
13
Dr. Brandts
14Krankenbehandlung
30.11.2011
14
Dr. Brandts
15Krankenbehandlung
- Anspruch nach 27 Abs 1 S 1 SGB V
- wenn die Behandlung notwendig ist,
- um eine Krankheit
- zu erkennen,
- zu heilen,
- ihre Verschlimmerung zu verhüten oder
- Beschwerden zu lindern
30.11.2011
15
Dr. Brandts
16Krankenbehandlung
Definition führt in die Grenzbereiche -
Krankheit (typischer Versicherungsfall
atypischer VF 27a SGB V) - notwendige
Behandlung (Qualität und Wirtschaftlichkeit)
30.11.2011
16
Dr. Brandts
17Abgrenzungen
- Im Folgenden Schwerpunkte der gerichtlichen
Praxis in Grenzbereichen beispielhaft an - Begriff der Krankheit
- Notwendigkeit der Krankenbehandlung bei
lebensbedrohlichen Erkrankungen - atypischem VF, der 27a SGB V zu Grunde liegt
(künstliche Befruchtung)
30.11.2011
17
Dr. Brandts
18Krankheit
30.11.2011
18
Dr. Brandts
19Krankheit
-
- Definition
- regelwidriger
- körperlicher oder geistiger Zustand,
- der Behandlungsbedürftigkeit
- oder
- Arbeitsunfähigkeit
- zur Folge hat
-
30.11.2011
19
Dr. Brandts
20Krankheit
Regelwidrig ist ein Zustand, wenn er
vom Leitbild eines gesunden Menschen, der zu
Ausübung der normalen körperlichen oder
psychischen Funktionen in der Lage
ist, abweicht.
30.11.2011
20
Dr. Brandts
21Krankheit
- Regelwidrigkeit in Form der
- Beeinträchtigung der köperlichen oder psychischen
Funktionen - id Regel unproblematisch,
- Abgrenzung zu Befindlichkeitsstörung
30.11.2011
21
Dr. Brandts
22Krankheit
- Regelwidrigkeit in Form der
- Entstellung
- id Regel problematisch,
- - Abgrenzung zu der üblichen Vielfalt von
individuellen Besonderheiten - - Abgrenzung zu ästhetischen / kosmetischen
Korrekturen
30.11.2011
22
Dr. Brandts
23Krankheit
- Entstellung laut BSG
- erhebliche Auffälligkeit
- Auslösung von naheliegenden Reaktionen der
Mitmenschen (Neugier/Betroffenheit) - ständig viele Blicke auf sich ziehen
- Objekt besonderer Beachtung
- Gefahr des Rückzugs aus der Gemeinschaft und der
Vereinsamung
30.11.2011
23
Dr. Brandts
24Krankheit
- Entstellung / erhebliche Auffälligkeit
- BSGE 100, 119
- nicht genügend ungewöhnliche Ausgestaltung von
Organen - Bemerkbarkeit schon bei flüchtiger Begegnung in
alltäglichen Situationen (quasi im Vorbeigehen) - regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer
auf den Betroffenen
30.11.2011
24
Dr. Brandts
25Krankheit
- Entstellung / erhebliche Auffälligkeit
- BSGE 100, 119
- Hintergrund
- Integration von Behinderten
- Korrektur der Wahrnehmung
- Nichtbehinderter
30.11.2011
25
Dr. Brandts
26Krankheit
- Entstellung ?
- Fehlen natürlichen Kopfhaares bei Mann/Frau
- Fehlende Anlage der weibl Brust/große Mammae
(Brustvergrößerung/Brustverkleinerung) - Wangenartrophie / Narben im Lippenbereich
- Krankheitsbedingtes Fehlen der Augenbrauen/Wimpern
(Dauerpigmentierung von Gesichtspartien)
30.11.2011
26
Dr. Brandts
27Krankheit
- Problem
- seelische Erkrankung wegen eines vermeintlichen
körperlichen Defizits - Grundsatz
- - nicht Behebung des vermeintlichen Defizits
- - unmittelbar zu behandeln mit Mitteln der
Psychiatrie/Psychotherapie - Ausnahme Transsexualität
30.11.2011
27
Dr. Brandts
Dr. Brandts
28Schlussfolgerung
Eigenverantwortung führt zur einschränkenden
Auslegung
Vielfalt der körperlichen Erscheinungen Korrektu
r der Wahr-nehmung Nichtbehinderter
Problem gesellschaftlicher Stellenwert der
äußeren Erscheinung
30.11.2011
28
Dr. Brandts
29Notwendigkeit der Krankenbehandlung(bei
lebensbedrohlichen Erkrankungen ohne
konventionelle Behandlungsalternative)
30.11.2011
29
Dr. Brandts
30Hintergrund
- Erweiterung der Diagnose- und Therapiemöglichkeite
n auf Grund der rasanten Entwicklung des med
technischen Fortschritts - Begrenzung der Leistungen der GKV
- auf den Leistungskatalog des SGB V
- unter Beachtung der allg Leistungsgrundsätze
30.11.2011
30
Dr. Brandts
31Allgemeine Leistungsgrundsätze
2 Abs 1 S 1 HS 1 SGB V Leistungen Die KK
stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel
genannten Leistungen unter Beachtung des
Wirtschaftlichkeitsgebots ( 12 ) zur Verfügung.
30.11.2011
31
Dr. Brandts
32Wirtschaftlichkeitsgebot
- 2 Abs 1, 12 Abs 1 SGB V
- (vgl auch 70 Abs 1 S 2 SGB V)
- Leistungen müssen sein
- ausreichend
- zweckmäßig
- wirtschaftlich (i.e.S.)
- kein Überschreiten des Notwendigen
30.11.2011
32
Dr. Brandts
33Wirtschaftlichkeitsgebot
ausreichend Untergrenze zweckmäßig geeignet,
den ges. Vorgaben zu entsprechen, und wirksam
wirtschaftlich i.e.S. begrenzt auf
preisgünstigere Variante, wenn zwei gleich gute
Behandlungsvarianten existieren nicht über das
Maß des Notwendigen hinaus Obergrenze
30.11.2011
33
Dr. Brandts
34Allgemeine Leistungsgrundsätze
2 Abs 1 S 3 SGB V Leistungen Qualität und
Wirksamkeit der Leistungen haben dem allg
anerkannten Stand der med Erkenntnisse zu
entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu
berücksichtigen.
30.11.2011
34
Dr. Brandts
35Qualitätsgebot
- Anerkannter Stand der Wissenschaft
- zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare
Aussagen über Qualität und Wirksamkeit - allg Nachweis der Wirksamkeit auf Grund von
Studien nach den Kriterien der evidenzbasierten
Theorie (statistischer Nachweis, Konsens in
Fachkreisen)
30.11.2011
35
Dr. Brandts
36Qualitätsgebot
- Forschung nicht Aufgabe der GKV
- Wirkung im Einzelfall nicht ausreichend
30.11.2011
36
Dr. Brandts
37Sicherstellung von Wirtschaftlichkeit und Qualität
- Im Einzelfall bezogen auf den Vers
- Feststellung durch KK, Sozialgerichte
- Im Allgemeinen bezogen auf die Methode
- grundsätzlich Feststellung in einem
standardisierten (einheitlichen) Verfahren
30.11.2011
37
Dr. Brandts
38Standardisierte Verfahren
- Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
- Ambulant-ärztlicher Bereich 135 Abs 1 SGB V
- (auch Rezepturarzneimittel, Anwendung eines
neuen Heilmittels ua RL des GBA) - Krankenhausbereich 137 c SGB V (RL des GBA)
- Fertigarzneimittel (Zulassung nach AMG)
- Hilfsmittel (MPG)
30.11.2011
38
Dr. Brandts
39Standardisierte Verfahren
- 135 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V
- NuB dürfen in der vetrags(zahn)ärztlichen
Versorgung nur erbracht werden, wenn der GBA in
RL Empfehlungen abgegeben hat - über Anerkennung
- des diagn und therapeutischen Nutzens der
Methode - von deren med Notwendigkeit und
Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der
med Erkenntnisse
30.11.2011
39
Dr. Brandts
40Standardisierte Verfahren
Grundsatz für die Anwendung neuer Unters. - und
Behandlungsmethoden in der vetrags(zahn)ärztlich
e Versorgung Verbot mit Erlaubnisvorbehalt !
30.11.2011
40
Dr. Brandts
41Standardisierte Verfahren
- GBA
- prüft nicht selbst, sondern sichtet
wissenschaftliche Veröffentlichungen - (auf Basis der evidenzbasierten Medizin,
möglichst der Evidenzklasse 1) - mit Hilfe ua des IQWiG
30.11.2011
41
Dr. Brandts
42Standardisierte Verfahren
- Richtlinie Methoden der vertragsärztlichen
Versorgung - v 17.1.2006
- Anlage I anerkannten Methoden
- Anlage II ausgeschlossene Methoden
- Anlage III Methoden, deren Bewertungsverfahren
ausgesetzt sind - 2. Kapitel der Verfahrensordnung d GBA v
18.12.08 - Bewertung der med Methoden
30.11.2011
42
Dr. Brandts
43Standardisierte Verfahren
- GBA- Richtlinien
-
- untergesetzliche Normen (unterhalb des Gesetzes,
oberhalb der Normenverträge) - verbindliche Wirkung geg Vers und
Leistungserbringern - nach ausdrücklicher gesetzl Regelung
- ( 91 Abs 6 idF des GKV-WSG, anknüpfend an
BSG-Rspr)
30.11.2011
43
Dr. Brandts
44Standardisierte Verfahren
- NuB Krankenhausbereich
- 137 c Abs 1 SGB V
- GBA überprüft auf Antrag
- Erlass einer Richtlinie, wenn Qualitäts- und
Wirtschaftlichkeitsgebot nicht erfüllt ist - Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt
30.11.2011
44
Dr. Brandts
45Ausnahmen(Verzicht auf standarsisierte
Verfahren)
30.11.2011
45
Dr. Brandts
46Verzicht auf standardisierte Verfahren
- Anspruch auf NuB ausnahmsweise
- auch ohne positive Entscheidung des GBA
- Systemversagen
- Seltenheitsfälle
- verfassungskonforme Auslegung
30.11.2011
46
Dr. Brandts
47Verzicht auf standardisierte Verfahren
- Systemversagen
- (trotz Vorliegens der Voraussetzungen für
Anerkennung !!) - keine Durchführung des Verfahrens
- Verzögerung der Entscheidung
- keine ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens
30.11.2011
47
Dr. Brandts
48Verzicht auf standardisierte Verfahren
Systemversagen in Form der Verzögerung der
Entscheidung 135 Abs 1 S 4, 5 SGB V seit
1.4.2007 nach Ablauf v 6 Mon nach
Entscheidungsreife Antrag auf Entscheidung
innerhalb v 6 Mon falls keine Entsch NUB kann
erbracht werden
30.11.2011
48
Dr. Brandts
49Verzicht auf standardisierte Verfahren
- Seltenheitsfälle
- Krankheiten, die sich der systematischen
Erforschung entziehen - BSG-Urteil (24.10.2004 Visudyne -
photodynamische Therapie) Einzelimport eines
Medikaments mit zulassungsüberschreitender
Anwendung - keine Gleichsetzung mit seltenen Krankheiten
iSd Europarechts (weniger als 5 von 10.000)
30.11.2011
49
Dr. Brandts
50Verzicht auf standardisierte Verfahren
Entwicklung hin zum Nikolausbeschluss BSG-Urtei
l v 19.3.2002 (Sandoglobulin) Begründung des
off-label-use bei schwerwiegenden, die
Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigenden
Krankheiten BSG-Urteil v 19.10.2004 (Visudyne)
seltene Erkrankungen Beschluss d. BVerfG vom
6.12.2005 verfassungsrechtlich gestützter
Leistungsanspruch
08.12.11
50
Dr. Brandts
08.12.11
Dr. Brandts
51Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Wesentlicher Inhalt des Beschlusses
08.12.11
51
Dr. Brandts
52Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Immunbiologische Therapie (Mix aus
Thymuspeptiden, Zytoplasma, Hömöopathie,
hochfrequenten Schwingungen ltBioresonanz-Therapiegt
) bei Duchenne'scher Muskeldystrophie
(Lebenserwartung 20. Lebensjahr)
08.12.11
52
Dr. Brandts
08.12.11
Dr. Brandts
53Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
- BSG verneinte die Leistungspflicht der KK
- mangels positiven Votums des GBA und
- mangels ihrer - ersatzweise als ausr angesehenen
- Durchsetzung in der med Fachdiskussion. - BVerfG stellte
- verfassungesrechtlichen Verstoß fest und
- Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte
Erweiterung des Leistungsrechts der GKV auf.
08.12.11
53
Dr. Brandts
08.12.11
Dr. Brandts
54Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
- Grundsätzlich GKV und Verfassungsrecht
- Nicht zu beanstanden, dass Leistungen in der GKV
zur Verfügung gestellt werden - nach einem allgemeinen Leistungskatalog
- unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots
- und unter Ausgrenzung einzelner Leistungen, die
der Eigenverantwortung des Vers zugerechnet werden
30.11.2011
54
Dr. Brandts
Dr. Brandts
55Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
- Leistungsanspruch abgeleitet aus Art 2 Abs 1 GG
- iVm dem Sozialstaatsprinzip, Art 2 Abs 2 S 1 GG
-
- insbes vor dem Hintergrund einer
Zwangsversicherung - muss Staat sich schützend vor Leben und
körperliche Unversehrtheit seiner Bürger stellen - wenn es keine im System angebotene
Behandlungsalternative gibt
30.11.2011
55
Dr. Brandts
Dr. Brandts
56Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
- Voraussetzungen eines
- auf Verfassungsrecht gestützten Anspruchs
- Vorliegen einer lebensbedrohlich oder regelmäßig
tödlich verlaufenden Krankheit - ohne konventionelle Behandlungsmöglichkeit
- nicht entfernt liegende Aussicht auf
Behandlungserfolg
30.11.2011
56
Dr. Brandts
Dr. Brandts
57Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
- Vorliegen einer lebensbedrohlichen, regelmäßig
tödlich verlaufenden Erkrankung - notstandsähnliche Situation
- Zeitdruck, wie er typisch für akuten
Behandlungsbedarf zur Lebenserhaltung ist - Bestehen einer großen Wahrscheinlichkeit des
drohenden tödlichen Krankheitsverlaufs innerhalb
eines kürzeren überschaubaren Zeitraums
30.11.2011
57
Dr. Brandts
Dr. Brandts
58Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Gleichstellung einer lebensbedrohlichen,
regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung mit
einer wertungsmäßig ihr gleichstehenden Krankheit
! zB Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder
einer herausgehobenen Körperfunktion
30.11.2011
58
Dr. Brandts
Dr. Brandts
59Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
- keine dem allg. anerkannten med. Standard
entspr. Behandlung vorhanden - Zwei Varianten
- völliges Fehlen einer dem allgemein anerkannten
medizinischen Standard - entsprechende Behandlung
- Fehlen einer für den konkreten Vers geeigneten
anerkannten Methode
30.11.2011
59
Dr. Brandts
Dr. Brandts
60Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
- Zu leisten ist die neue Methode auch,
-
- falls mit einer herkömmlichen nur eine
Symptomlinderung erreicht werden, - während eine neue Methode die begründete
Aussicht auf eine kausale Therapie verspricht - wenn die anerkannte Methode bei dem konkreten
Vers nicht angewandt werden kann - etwa wegen gravierender gesundheitlicher Risiken
- (zB wegen schwerer Nebenwirkungen)
30.11.2011
60
Dr. Brandts
Dr. Brandts
61Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
Fehlen einer anerkannten Behandlungsalternative
Bei Arzneimitteln ist auch zu prüfen, ob ein
zugelassenes Arzneimittel im Rahmen eines
zulässigen Off-Label-Gebrauchs eingesetzt werden
kann.
30.11.2011
61
Dr. Brandts
Dr. Brandts
62Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
- eine nicht nur entfernt liegende Aussicht auf
Heilung - eine "auf Indizien gestützte, nicht ganz fern
liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf
eine spürbare positive Einwirkung auf den
Krankheitsverlauf - gänzlich unwissenschaftliche und rein spekulative
Heil-Methoden sind in jedem Fall ausgenommen
30.11.2011
62
Dr. Brandts
Dr. Brandts
63Beschluss d BVerfG vom 6.12.2005
eine nicht nur entfernt liegende Aussicht auf
Heilung Überwiegen des voraussichtlichen
Nutzens der Methode bei der abstrakten und
konkreten, speziell auf den Versicherten
bezogenen Abwägung gegenüber den Risiken unter
Beachtung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab
s
30.11.2011
Dr. Brandts
Dr. Brandts
63
64Schlussfolgerung
Solidarität (in der Zwangsversicherung) führt
zur Ausweitung des Leistungskatalogs
Ansatz verfassungsrechtlich geboten
- Jedoch Ausnahmecharakter zu betonen !
- Gefahren
- nicht erprobte Verfahren
- Sprengung des wirtschaftl Möglichen
30.11.2011
64
Dr. Brandts
Dr. Brandts
65Maßnahmen zurkünstlichen Befruchtung
30.11.2011
65
Dr. Brandts
Dr. Brandts
66Krankenbehandlung
- Zur Krankenbehandlung gehören auch
- Leistungen zur Herstellung der Empfängnis- und
Zeugungsfähigkeit ( 27 Abs. 1 S. 4 SGB V) - medizinische Leistungen zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft unter gewissen Voraussetzungen (
27 a SGB V)
30.11.2011
66
Dr. Brandts
Dr. Brandts
67Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Erforderlichkeit nur gegeben ( 27a Nr 1 SGB
V) wenn die Herstellung der natürlichen
Zeugungs-/ Empfängnisfähigkeit (als vorrangige
Krankenbehandlung iSd 27 SGB V) nicht möglich
ist
30.11.2011
67
Dr. Brandts
Dr. Brandts
68Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- Ausgeschlossen,
- wenn die natürliche Zeugungs- oder
Empfängnisfähigkeit - vorhanden ist
- oder
- durch Sterilisation, die nicht krankheitsbedingt
erfolgte, verloren gegangen ist ( 27 Abs 1 S 4
).
30.11.2011
68
Dr. Brandts
Dr. Brandts
69Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- 27 a Abs. 1 SGB V
- besonderer Versicherungsfall Unfähigkeit der
Eheleute, auf natürlichem Weg Kinder zu zeugen -
- nicht Versicherungsfall der Krankheit im Sinne
des - 27 SGB V
30.11.2011
69
Dr. Brandts
Dr. Brandts
70Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- 27a SGB V
- Erfasst werden Fälle,
- in denen keiner der Eheleute nachweisbar krank
ist - (sog idiopathische Sterilität)
- nur schicksalhafte, ungewollte Kinderlosigkeit
30.11.2011
70
Dr. Brandts
Dr. Brandts
71Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- 27 a Abs. 1 SGB V
- Ungewollte Kinderlosigkeit
- Maßnahme nach ärztl. Feststellung erforderlich
(Nr 1) - hinreichende Erfolgsaussicht (Begrenzung auf 3
Versuche - Nr 2) - beschränkt auf Ehepaare (Nr 3)
- ausschließlich Ei- und Samenzellen des Ehepaars
(Nr 4) - Beratung durch Arzt, der nicht die Beh.
durchführt (Nr 5)
30.11.2011
71
Dr. Brandts
Dr. Brandts
72Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- Hinreichende Erfolgsaussicht (Nr 2)
- nach ärztlicher Feststellung hinreichende
Aussicht, dass durch die Maßnahmen eine
Schwangerschaft herbeigeführt werden kann - keine hinreichende Erfolgsaussicht, wenn die
Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden
ist
30.11.2011
72
Dr. Brandts
Dr. Brandts
73Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- beschränkt auf Ehepaare (Nr. 3)
- keine Gleichstellung von nicht ehelichen
Lebensgemeinschaften und von Partnern einer
eingetragenen gleichgeschlechtlichen
Lebensgemeinschaft - kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG
- (BVerfGE 117, 316 SozR 4-2500 27a Nr 3)
30.11.2011
73
Dr. Brandts
Dr. Brandts
74Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- ausschließlich Ei- und Samenzellen des Ehepaars
(Nr4) - (homologe Befruchtung)
- im sog heterologen System, sind GKV-Leistungen
ausgeschlossen - kein Verstoß gegen Verfassungsrecht
- (BSG SozR 3-2500 27a Nr 4)
30.11.2011
74
Dr. Brandts
Dr. Brandts
75Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- 27 a Abs 3 SGB V- Änderungen durch GMG
- Altersbegrenzung (S. 1 - Frauen zwischen 25-40
Jahre, - Männer zwischen 25-50 Jahre)
- Die oberen Altersbegrenzungen sind
verfassungsgemäß - beim Mann
- (vgl BSG SozR 4-2500 27a Nr 4 RdNr 8 ff)
- bei der Frau
- (BSG SozR 4-2500 27a Nr 7 BSG, Urt v
25.6.2009 B 3 KR 7/08 R).
30.11.2011
75
Dr. Brandts
Dr. Brandts
76Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- 27 a Abs 3 SGB V- Änderungen durch GMG
- Begrenzung der KE auf 50
- der bei ihrem Vers. durchgef. Maßnahmen (S. 3)
- (verfassungsgemäß BVerfG, NJW 2009, 1733
- BSG SozR 4-2500)
- starker Rückgang der Verfahren seit 2004
30.11.2011
76
Dr. Brandts
Dr. Brandts
77Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- 27 a Abs. 3 SGB V
- Begrenzung der KE auf 50
- der bei ihrem Vers. durchgef. Maßnahmen (S. 3)
-
- eingeschlossen zunächst die unmittelbar am oder
im Körper des Vers durchgeführten Maßnahmen - auch Maßnahmen, die extrakorporal durchgeführt
werden
30.11.2011
77
Dr. Brandts
Dr. Brandts
78Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Problem Abgrenzung der Leistungspflicht bei
Beteiligung mehrer ges Krankenkassen oder der
privaten Krankenversicherung
30.11.2011
78
Dr. Brandts
Dr. Brandts
79Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
- Entwicklung der Reproduktionmedizin
- (Insemination, In-vitro-Fertilisation in Form
der ICSI PID) - IVF seit 80iger Jahr
- 27a SGB V seit 1989 als eigenständige
Rechtsgrundlage - ICSI seit Anfang 90iger seit 98 Leistung der
GKV - 27a SGB V seit 2004 auf 50 KE beschränkt
-
30.11.2011
79
Dr. Brandts
Dr. Brandts
80Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (in
Deutschland)
- ca 2 der Geburten aller Kinder nach
reproduktionmed Verfahren - in den letzten 10 Jahren Geburt von 100.000
Kindern nach künstlicher Befruchtung - ca 40.000 Paare unterziehen sich pro Jahr
reproduktionsmed Verfahren (bei Kosetn pro IVF
von ca 3000-4000 ) - Markt ca 15 aller Paare in Deutschland
ungewollt kinderlos (1,1 1,5 Mio unerfüllte
Wünsche)
30.11.2011
80
Dr. Brandts
Dr. Brandts
81Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (in
Deutschland)
- Aussichten
- PID (PräimpG v 21.11.2011)
- (Anteilige) Übernahme der bei dem Vers
bleibenden Kosten durch Staat sinnvoll?
30.11.2011
81
Dr. Brandts
Dr. Brandts
82Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung
Erweiterung des Leistungskatalogs der GKV um
eine versicherungsfremde Leistung
sinnvoll? Ziel der Steigerung der Geburtenzahl
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ?
Solidarität der gesamten Gesellschaft, nicht
nur der GKV erforderlich ?
30.11.2011
82
Dr. Brandts
Dr. Brandts
83Schlussfolgerung
Solidarität der GKV oder der
Gesamtgesellschaft ?
bei Leistungen außerhalb des VF der Krankheit
Solidarität der Gesamtgesellschaft sinnvoll zur
Sicherung der GKV-Grundlagen
(familien-) politische Entscheidung
30.11.2011
83
Dr. Brandts
Dr. Brandts
84Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
30.11.2011
84
Dr. Brandts
Dr. Brandts