Title: Gedichte
1Gedichte interpretieren
2- 1 Textwiedergabe
- Ausgangssituation das lyrische Ich und seine
Situation erster Eindruck erste Vermutungen
zur Bedeutung erstes Verstehen - 2 Textbeschreibung Die Gestaltung des lyrischen
Moments - 2.1 Aufbau
- 2.1.1 Strophengliederung (damit Sinngliederung?)
- 2.1.2 Reimordnung (Funktion der Reimbindungen?)
- 2.1.3 Zusammenhang Zeile-Sinnschritt
- 2,2 Rhythmische Form
- 2.2.1 Metrische Form
- 2.2.2 Zusammenhang Metrum - Rhythmus
- 2.2.3 Rhythmischer Bogen. rhythmische
Variationen... - 2.2.4 Rhythmus als Sinnträger (Lebensgefühl.
Stimmung...) - 2.3 Sprachform
- 2.3.1 Sprachebene (Verhältnis Thema - Tonfall,
Motiv - Darstellungsform) - 2.3.2 Wortwahl (Wortart -, besonderer
Herkunftsbereich...) - 2.3.3 Satzbau (Satzlänge Vollständigkeit
Nominalstil, Satzreihung, Parallelismus...) - 2.4 Klanggestalt
- 2.4.1 Verlauf der Tonkurve (Tonhöhe, ansteigen
- abfallen...) - 2.4.2 Vokalthemen (Klangwiederholung Assonanz)
3Textbeschreibung- Teilbilder - Gesamtbild -
- Um eine Gesamtdeutung anzustreben geht man am
besten so vor - Man beschreibt, was im einzelnen Bild erkennbar
ist. - Man arbeitet die besonderen Merkmale des Bildes
bzw. Teilbildes heraus. - Man beschreibt die Zusammenhänge zwischen den
einzelnen Bildteilen. - Man sucht nach vergleichbaren Bildern bzw.
Bildteilen. - Man setzt die Bildteile zusammen und entwirft so
ein Gesamtbild. - Man fragt nach einer möglichen Bedeutung des
Gesamtbildes.
4Textbeschreibung- Bedeutung von Bildern -
- Man kann die Bedeutung von Bildern erschließen,
- wenn man sie mit ähnlichen Bildern konfrontiert
bzw. diese versuchsweise an ihre Stelle setzt und
die Veränderungen, die so eintreten, beschreibt. - In einem zweiten Schritt arbeitet man nun das
besondere Merkmal heraus, das das zu
untersuchende Bild von ähnlichen unterscheidet.
So kommt man zu einer spezifischen Bedeutung, die
das Besondere dieses Bildes ausmacht. - Schließlich ordnet man das nun näher bestimmte
Bild in den Kontext der übrigen Bilder ein - und fragt nach der Wirkung, die diese auf die
Bedeutung ausüben bzw. nach der
Bedeutungsveränderung, die sich durch die
gegenseitige Beeinflussung ergibt. - Bilder bzw. Bildteile lassen sich bisweilen unter
bestimmten Gesichtspunkten zusammenordnen. Eine
solche Zuordnung kann sich ergeben - aus der Thematik der Bilder (mehrere Bilder
sprechen ein ähnliches Thema an) - aus den Merkmalen der Bilder (mehrere Bilder
haben ein oder mehrere Merkmale gemeinsam) - aus formalen Gegebenheiten (ein Lautthema
bindet z.B. mehrere Bilder zusammen) - Wenn man Bildern zu Gruppen zusammenordnet,
sollte man nicht nur auf die Merkmale der Bilder
selbst achten, sondern auch andere Gegebenheiten
des Textes /Lautstruktur, grammatische
Gegebenheiten usw.) berücksichtigen.
5Textbeschreibung- Bedeutung von Bildern -
- Wenn man nach der Bedeutung von Bildern sucht,
wird man - zunächst nach der Bedeutung fragen, die die
verwendeten Wörter im dem Text vorausliegenden
Normalfall" haben. Beispiel ltRosegt
Bezeichnung einer Pflanze mit bestimmtem
Aussehen.... - Dann aber empfiehlt es sich, nach der Bedeutung
zu fragen, die das konkrete Wort im Laufe der
Geschichte seiner (gattungsspezifischen)
Verwendung angenommen hat (Motivgeschichte...)
Beispiel ltRosegt in der Lyrik Bild für Liebe... - Schließlich wird man nach der neu entstehenden
Bedeutung innerhalb des aktuellen Kontextes
fragen. - Diese Bedeutung entsteht aus dem Zusammenwirken
- der bisher vorhandenen Bedeutungen,
- der Bildumgebung im aktuellen Text
- der Vorstellungen und Assoziationen, die sich im
Lesenden ergeben.
6Textbeschreibung- syntaktische Ebene -
- Wenn man auf grammatische Phänomene eines Textes
eingeht, so empfehlen sich folgende Überlegungen - Was leistet das Phänomen im Normalfall? (Bsp.
Verb bezeichnet Tätigkeit, Vorgang, Geschehen...) - Was leistet es im konkreten Fall? (Bsp. Das
einzige Verb eines Textes benennt einen Zustand.) - Handelt es sich beim beobachteten Phänomen um
eine reguläre Anwendung oder um eine
Abweichung? (Bsp. In einem Text fehlen die
Verben.) - Wie weit wirkt sich das Phänomen auf die
Gesamtstruktur eines Textes aus? (Bsp. In
einem Text werden verschiedene Tempora benutzt.
So wird es möglich, die Textelemente
verschiedenen Zeiten zuzuordnen und die
Zeitperspektive als das strukturbestimmende
Moment zu betrachten.)
7Textbeschreibung- Gesamtstruktur -
- Die Gesamtstruktur wird man am einfachsten von
einem Leitthema, einem zentralen Motiv oder einer
zentralen Strukturlinie her erfassen und
beschreiben. Dabei ist zu beachten - Auch etwas nicht Vorhandenes kann zum wichtigen
Strukturelement werden, wenn es zwar angedeutet,
aber dann doch ausgespart oder ganz offenkundig
ausgelassen ist. - Einzelne Stilmittel, formale Phänomene und
semantische Teile werden von einem zentralen
Gedanken her einer Deutung zugeführt. - Dabei kann man sich dann gelegentlich darauf
beschränken, solche Einzelheiten einfach nur
benennend aufzuzählen. In der Regel aber wird man
sie, während man sie kurz anspricht, auch nach
einer möglichen Be-Deutung befragen. - Eine Einordnung wichtiger Motive und Themen in
den jeweiligen Epochenkontext kann das weitere
Verstehen wesentlich erleichtern. - Es besteht dabei aber auch die Gefahr, dass das
weitere Verstehen durch eine Vorabbewertung zu
stark gesteuert wird.
8Gesamtdeutung
- Zu einer Gesamtdeutung kann man gelangen
- wenn man vom Leitthema. vom zentralen Motiv oder
der zentralen Bildstruktur ausgeht, die man in
der Textbeschreibung herausgearbeitet hat. - Wichtige Hinweise für die Richtung, in die man
sich bei der Suche nach einer Gesamtdeutung
bewegen sollte, kann man vor allem den besonders
auffallenden Merkmalen entnehmen. (Die können der
Bildebene entnommen sein. Aber gelegentlich gibt
auch die Lautebene oder die grammatische Ebene
Wichtiges zu erkennen!) - Darüber hinaus wird man dann bei den Bildern und
ihrer Bedeutung einsetzen und nach der Richtung
suchen, in die diese Bilder, wenn man sie
zusammenordnet, zeigen. - Auch der Aufbau kann Hinweise für den
Ansatzpunkt einer Gesamtdeutung geben. Man sucht
z.B. nach dem zentralen Punkt (etwa
Symmetrieachse), um den alles angeordnet ist,
oder man verfolgt die thematische Anordnung, um
den Höhepunkt zu identifizieren. Hier kann die
Strophengliederung Auskünfte über Entwicklungen,
Stufen, Schichten oder ähnliches geben. - Auch das lyrische Ich, seine Wahrnehmung. sein
Verhalten zur fiktiven Wirklichkeit, sein
Empfinden. seine Stimmung oder seine Erfahrungen
im fiktiven Raum können wichtige Ansatzpunkte für
eine Gesamtdeutung liefern. - Die Gesamtdeutung kann auch Zeithorizont,
biographische Gesichtspunkte und Absichten des
Autors, aber auch literaturgeschichtliche
Zusammenhänge wie z.B. Gesichtspunkte der Motiv-
oder Gattungs- und Formgeschichte einbeziehen.
9Georg Heym
Gott der Stadt
10Georg Heym Der Gott der Stadt Auf einem
Häuserblocke sitzt er breit.Die Winde lagern
schwarz um seine Stirn.Er schaut voll Wut, wo
fern in Einsamkeitdie letzten Häuser in das Land
verirr'n. Vom Abend glänzt der rote Bauch dem
Baal,die grossen Städte knieen um ihn her.Der
Kirchenglocken ungeheure Zahlwogt auf zu ihm aus
schwarzer Türme Meer. Wie Koybanten-Tanz dröhnt
die Musikder Millionen durch die Strassen
laut.Der Schlote Rauch, die Wolken der
Fabrikziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch
blaut. Das Wetter schwelt in seinen
Augenbrauen.Der dunkle Abend wird in Nacht
betäubt.Die Stürme flattern, die wie Geier
schauenvon seinem Haupthaar, das im Zorne
sträubt. Er streckt ins Dunkle seine
Fleischerfaust.Er schüttelt sie. Ein Meer von
Feuer jagtdurch eine Strasse. Und der Glutqualm
braustund frisst sie auf, bis spät der Morgen
tagt. Aus Dichtungen und Schriften.
Gesamtausgabe. Bd.1 (hrsg. Von Karl Ludwig
Schneider). Ellermann Verlag, München 1964, S. 192
11Gerg Heym Gott der Stadt
12Georg Heym Gott der Stadt
Gott der Stadt
Unterwerfung/Verehrung
Stadt
Unterdrückung/Willkür
Unterordnung
Steigerung
Mensch
13Georg Heym Gott der Stadt
Organisationsform Stadt
Tabuisierung
Projektion
verabsolutiert
Gesellschaft
Unterwerfung
14Marie Luise Kaschnitz
15Marie Luise Kaschnitz ostia antica
- Durch die Tore niemand
- Treppen fort ins Blau
- Auf dem Estrich Thymian
- Auf den Tischen Tau.
- Zwiegespräch aus Stille
- Tod aus Käferzug
- Abendrot im Teller
- Asche im Krug.
- Asphodeloswiese
- Fledermäusekreis
- Diesseits oder drüben
- Wer das weiß -
16Marie Luise Kaschnitz ostia antica
niemand fort ins Blau Thymian Tau
Durch die Tore Treppen Auf dem Estrich Auf den
Tischen
aus aus im im
Stille Käferzug Teller Krug
Zwiegespräch Tod Abendrot Asche
Asphodeloswiese Fledermäusekreis
Diesseits oder drüben Wer
das weiß -
17Marie Luise Kaschnitz ostia antica
Vom Menschen geschaffen kulturelle Schöpfungen Durch die Tore Treppen Auf dem Estrich Auf den Tischen Im Teller Im Krug Natur fort ins Blau Thymian Tau aus Käferzug Abendrot Asphodeloswiese Fledermäusekreis Verneinung,Aufhebung Niemand Aus Stille Tod Asche (Asphodeloswiese) (Fledermäusekreis) ? Mensch (niemand) Zwiegespräch (aus Stille) (Tod) ? (Wer das weiß-)
O
Ä
Ä
O
Ä
18Marie Luise Kaschnitz ostia antica
Kulturelle Schöpfungen
Verneinung (Abwesenheit des Menschen) Natur
Infragestellung
Aufhebung
Menschliche Äußerung Tod
Stille Natur
Bestätigung
Kulturelle Schöpfungen
Verneinung
Tod unausweichlich (Kreis)
Diesseits nur noch Zeichen für Drüben
19Peter Huchel
- Der Garten des Theophrast
- - meinem Sohn -
20Peter Huchel Der Garten des Theophrast- meinem
Sohn -
- Wenn mittags das weiße Feuer
- der Verse über den Urnen tanzt,
- Gedenke, mein Sohn. Gedenke derer,
- die einst Gespräche wie Bäume gepflanzt.
- Tot ist der Garten, mein Atem wird schwerer,
- bewahre die Stunde, hier ging Theophrast,
- mit Eichenlohe zu düngen den Boden,
- die wunde Rinde zu binden mit Bast.
- Ein Ölbaum spaltet das mürbe Gemäuer
- und ist noch Stimme im heißen Staub.
- Sie gaben Befehl, die Wurzel zu roden.
- Es sinkt dein Licht, schutzloses Laub.
21Tempora
Präsens Imperativ (futurisch) Präteritum Perfekt
Tot ist der Garten, mein Atem wird schwerer, Ein Ölbaum spaltet das mürbe Gemäuer Und ist noch Stimme im heißen Staub. Es sinkt dein Licht, schutzloses Laub. Wenn mittags das weiße Feuer der Verse über den Urnen tanzt, gedenke, mein Sohn. gedenke derer, Bewahre die Stunde, hier ging Theophrast, Mit Eichenlohe zu düngen den Boden, Die wunde Rinde zu binden mit Bast. Sie gaben Befehl, die Wurzel zu roden. die einst Gespräche wie Bäume gepflanzt.
22Semantik der Elemente
Bewahre die Stunde
Gedenke, mein Sohn, gedenke derer
über den Urnen
Wenn mittags das weiße Feuer der Verse
tanzt
Ä
Ä
hier ging Theophrast, Mit Eichenlohe zu düngen
den Boden, Die wunde Rinde zu binden mit
Bast. Ein Ölbaum spaltet das mürbe Gemäuer
Die einst Gespräche wie Bäume gepflanzt. Und
ist noch Stimme im heißen Staub.
Sie gaben Befehl, die Wurzel zu roden
Tot ist der Garten, mein Atem wird schwerer
O
23Strukturierung Tempora
Sie gaben Befehl, die Wurzel zu roden.
Die einst Gespräche wie Bäume gepflanzt. .,
hier ging Theophrast, mit Eichenlohe zu düngen
den Boden, die wunde Rinde zu binden mit Bast.
Tot ist der Garten, mein Atem wird schwerer
Ein Ölbaum spaltet das mürbe Gemäuer Und ist noch
Stimme im heißen Staub.
Über den Urnen
Wenn mittags das weiße Feuer Der Verse
tanzt
gedenke, mein Sohn. Gedenke derer,
Bewahre die Stunde,
Es sinkt dein Licht, schutzloses Laub.
Vergangenheit
Gegenwart
Zukunft
24Abstraktionsversuche
?
Befehl
Frühere Tätigkeit
Gegenwärtige Situation
Zukunft
Hoffnung auf ein Fruchtbarwerden, falls das
Feuer der Verse wahrgenommen und mit der
Vergangenheit in Verbindung gebracht wird
Gespräche als humane Diskurse, in denen nach
Ver- änderung/ Verbes-serung gesucht wird
Gewaltsame Unter-brechung
Zerstörter Rahmen Erinnerung an einstige
Möglichkeiten
Hoffnung
Erinnerung
Erinnerung