Title: Geriatrie
1Geriatrie Krankheiten im Alter
- K. Hager
- Querschnittsfach Medizin des Alterns und des
alten Menschen
2Biologische Redundanz und Alter
3Age Explorerwww.age-explorer.de, Fa. Meyer
Hentschel
- nachlassendes Hörvermögen
- verändertes Farbensehen
- Blendempfindlichkeit
- Alterssichtigkeit
- Einschränkungen des Gesichtsfeldes
- nachlassende Kraft und Ausdauer
- verringerte Beweglichkeit der Gelenke
- speziell im Bereich der Hände
- nachlassende Sensibilität der Haut,
- reduzierte Fingerfertigkeit,
- Schmerzen,
- Kraftverlust.
4Ausgewählte Diagnosen im Alter -1
QuelleDritter Bericht zur Lage der älteren
Generation in der Bundesrepublik Deutschland
Alter und Gesellschaft, 2001
5Mobilität im Dritten und Vierten Alter
65-79 Jahre 80-94 Jahre
Gehen ohne Schwierigkeiten
Männer 100 (117) 100 (71)
- weniger als 100 m - zwischen 100 m und 500 m - zwischen 500 m und 1 km - mehr als 1 km 4,3 8,5 10,3 76,9 12,9 21,4 21,4 44,3
Frauen 100 (115) 100 (89)
- weniger als 100 m - zwischen 100 m und 500 m - zwischen 500 m und 1 km - mehr als 1 km 5,3 12,3 19,3 63,1 30,4 34,8 14,6 20,2
Hieber, Oswald, Rott Wahl, 2006, aus einem
Diavortrag von Rott, Heidelberg
6Sterblichkeit bei verschiedenen Krankheiten
7Funktionsverluste (Steinhagen-Thiessen et al.)
Hilfebedürftig (70-84 J.) beim
Einkaufen 19-27 bei Transport 18-23 beim
Baden/Duschen 8-9 beim Treppensteigen 3-8 beim
Spazierengehen 5-6 beim Anziehen 3-5 auf
Toilette 1-2 Deutliche Sensorische Behinderung
(70-84 J.) Sehen 19-21 Hören 14-15
8Einige Kennzeichen von Erkrankungen im Alter
- Multimorbidität (viele Funktionen kommen an ihre
Grenzen) - Zunahme chronischer, nicht heilbarer Erkrankungen
(viele Funktionen haben ihre Grenzen
überschritten) - Hierarchisierung in der Behandlung
- unspezifischer und schleichender Beginn (Altern
langsam) - hohe Rate an Sekundärkomplikationen
(eingeschränkte Kompensationsfähigkeit) - zunehmender Bedarf an Rehabilitation nach einer
akuten Erkrankung bzw. im Rahmen der Behandlung
zunehmende Wichtigkeit auch sozialer und
psychischer Faktoren
9Funktionelle Syndrome- Die vier I (Geriatric
Giants)
- Die gemeinsame Endstrecke vieler Erkrankungen
ist z.B. - Instabilität (Sturzkrankheit)
- Immobilität
- Intellektuelle Veränderung
- Inkontinenz
10Symptomwandel im Alter
- oftmals Symptomwandel
- akute Symptome seltener und weniger intensiv
geschildert - ist eben das Alter
- chronische Beschwerden, die die Lebensqualität
mindern, dagegen häufiger - "schwächstes Glied der Kette reißt
- funktionelle Syndrome
11Folgen für die Beurteilung der Symptome im Alter
- keine Symptome primär auf das Alter zurückführen
- Unterscheidung Erkrankung - Alternsfolge oft
schwierig - Erkrankungen Symptome, die rasch eingetreten
sind - Erkrankungen Symptome, die bereits unter
alltäglichen Belastungen oder gar in Ruhe
auftreten
12Risikofaktoren für StürzeResults of Univariate
Analysis of Most Common Risk Factors for Falls
Identified in 16 Studies That Examined Risk
Factors Quelle Guideline for the Prevention of
Falls in Older Persons
Risk Factor Sign./Total RR-OR Muscle
weakness 10/11 4.4 History of falls 12/13 3.0 G
ait deficit 10/12 2.9 Balance deficit
8/11 2.9 Use assistive device 8/8 2.6 Visual
deficit 6/12 2.5 Arthritis 3/7 2.4 Impaired
ADL 8/9 2.3 Depression 3/6 2.2 Cognitive
impairment 4/11 1.83 Age (gt80 years) 5/8
1.7 Number of studies with significant odds
ratio or relative risk ratio in univariate
analysis/total number of studies that included
each factor Relative risk ratios (RR) calculated
for prospective studies. Odds ratios (OR)
calculated for retrospective studies
13Effect on Falls Outcome from Single and Combined
Interventions
14Hospital days per capita - Germany
DIW, E. Schulz, 24.01.2003
15Todesursachen im Alter
Man stirbt nach am Alter, sondern an
Erkrankungen im Alter
16Betrachtungsmodelle für das Altern
- Defizitmodelle
- Abbau der Funktionsfähigkeit
- Phasen und Verlaufsmodelle
- neue Muster des Erlebens und Denkens im Alter
- Wachstumstheorien
- Alter bietet Chance zu neuer Entwicklung
- Coping-Modelle
- besonders Prozesse der Anpassung an das Alter
- Erfolgreiches Altern
Lebenstreppe, Chromo-Lithographie der Fa. May
(Dresden) um 1900, http//www.uni-hildesheim.de/ps
ychologie/materialien/CD_Psychologie/Materialsamml
ung_Psychologie/Lebenstreppe.html
17Stadien der Trauer(nach V. Kast, 1989)
- Zentrale Erfahrung Verlust letztlich trifft
dies auf alle schweren Erkrankungen und auch auf
das Altern zu. - Nicht-Wahrhaben-Wollen
- Aufbrechende Emotionen
- Suchen und Sich-Trennen
- Neuer Selbst- und Weltbezug
Kübler-Ross NichtWahrhabenWollen, Zorn,
Verhandeln, Niedergeschlagenheit, Zustimmung
18 Verluste im Alter (n. einem Dia von Hautzinger)
- Pensionierung, Ausscheiden aus Beruf
- Verlust von engen Angehörigen, Ehepartner,
Kinder - Verluste im sozialen Netz
- körperliche Einschränkungen, Schmerzen
- kognitive Einschränkungen
- Kumulationseffekte von Belastungen
19Fallbeispiel Oberarmbruch
- Patientin aus 2010
- 91 Jahre
- biologisch jünger wirkend
- beim Hochheben von der Pflege im Heim Knacks
und Oberarmbruch - nach zirka 3 Wochen neben stehendes Röntgenbild
20Fallbeispiel Oberarmbruch
- Frau, 91 Jahre
- beide Hüften mehrfach operiert
- vor 10 Jahren teilte der Chirurg mit, dass die
Hüften nicht mehr zu operieren seien - seither im Rollstuhl
21 Verlustregulation (Niederfranke et al.)
- Pensionierung (6 bzw. 18 Monate nach
Eintritt) negativ 8-25 neutral
16-30 positiv 46-53 - Tod des Partners (18 Monate nach
Verlust) unzufrieden 14-19 neutral
36-42 zufrieden 39-50
Dia Hautzinger
Bei der Mehrheit stellt sich nach einem Verlust
wieder eine tragfähige Lebenszufriedenheit ein!
22Subjektive Gesundheit im Alter
aus einem Diavortrag von Dr. Adelheid
Schulz-Hausgenoss, Sozio-oekonomisches Panel
(SOEP)
23Endlichkeit
- Ich lebe ja nicht mehr so lange. - Ach, heute
werden doch alle 100 Jahre alt. - Die Endlichkeit des Lebens spielt oft in den
Gesprächen mit, wird aber (von den Ärzten) eher
selten aufgenommen.
24Krankheiten und ihre Folgen
- Disease / Krankheit z.B zerebrale Ischämie,
Schenkelhalsfraktur - Impairment / Schädigung z.B. Hemiparese,
reduzierte Gelenkbeweglichkeit - Disability / Fähigkeitsstörung z.B.
Gangstörungen, Toilettengang nicht möglich - Handicap / (soziale) Beeinträchtigungen z.B.
Rollstuhlgebundenheit, Rückkehr nach Hause? - International Classification of Impairment,
Disability and Handicap (ICIDH)
25Behandlungsziele im Alter (kasuistisch,
Befragung von Patienten)
- Selbstbestimmtheit das eigene Leben noch in den
eigenen Händen halten - Würde, Akzeptanz, Anerkennung früher
geleistetes durch die Zeit entwertet, als Mensch
Wertschätzung zu erfahren - Rückkehr in die häusliche Umgebung -
Selbstbestimmtheit - Verbesserung der Selbständigkeit niemanden zur
Last fallen - Verbesserung von Kraft und Beweglichkeit
Aktionsradius wiedergewinnen - Linderung von Schmerzen
Berzlanovich et al., Rechtsmedizin 2007
17363366
26Physiologische Reserve Schematischer Verlauf zu
Funktionseinschränkungen und Behinderungen
Hüftfraktur
Lungenentzündung
Herzinfarkt
Funktions-einschränkungen
Physiologische Reserve
Behinderungen
jünger
älter
Zeit
27Geriatrische RehabilitationKontraindikationen
(Beispiele)
- reine Pflegebedürftigkeit
- fehlendes Therapieziel
- fehlendes Therapiepotential
- fehlende Motivation
- schwere Demenz
- schwere psychiatrische Erkrankung
- Insgesamt Mischkalkulation!
28Wichtige Arbeitsprinzipien
- Teamarbeit, multidisziplinär, berufsgruppenübersch
reitend, problemorientiert - Geriatrisches Assessment
- kybernetischer Regelkreis
- Behandlungsinhalte
- Fähigkeitsstörungen
- Beeinträchtigungen
- alle Möglichkeiten ausschöpfen (schwächstes Glied
bestimmt Ergebnis)!
Bewegungsbad
29Teamarbeit
- Teamaktivitäten
- Teamvisiten
- Teambesprechungen
- Angehörige des Teams
- Arzt, Pflegekraft, Krankengymnastin,
Ergotherapeutin, Logopädin, Masseurin,
Sozialdienst, Seelsorger, Psychologe u.a.
30Kybernetischer Regelkreis
Aufnahme
(Re)Assessment
geriatrisches Team
gemeinsame Visite
Therapieziel
und Besprechung
Therapieplanung
Behandlung
31Behandlungsspektrum -1
- Ärztliche Behandlung
- Krankengymnastik
- Ergotherapie
- Logopädie
- Physikalische Medizin
32Behandlungs-spektrum -2
- Diagnostik und Therapie von Hirnleistungsstörunge
n - Betreuung bei sozialen Problemen
- Schulung und Beratung (Patienten und Angehörige)
- Versorgung mit Hilfsmitteln
- Belastungserprobung (z.B. Hausbesuch)
- Seelsorgerische Betreuung
- ...
33Mobile Ergotherapie
- Hausbesuch (diagnostisch)
- Belastungserprobung
- Wohnraumadaptation
- Hilfsmittelversorgung
- Beratung über weitere Hilfen (z.B. Hausnotruf)
34Angehörigenarbeit
- Gruppenberatung (Schlaganfall)
- Einzelanleitung
35Ergebnisse
Rückkehr in die gewohnten Lebensumstände
() (Messebene Beeinträchtigungen)
36Hauptdiagnose und Rückkehr in die gewohnten
LebensumständeHager and Nennmann, Archives of
Gerontology and Geriatrics, 25 (1997) 131-139
37ADL-Status und Alter Hager K., U. Nennmann,
Archives of Gerontology and Geriatrics, 25 (1997)
131-139
mod. Barthel-Index min. 0 Punkte, max. 135 Punkte
Punkte
38Kosten-Geriatrie vs. bisheriges System
(Projekt Geriatrie des Landes Schleswig-Holstein,
Kiel, 1995)
- Kosten bisher Geriatrie
- stationär 14.223,63 DM 17.235,81 DM
- nachstationär 25.051,78 DM 19.638,29 DM
- gesamt 39.275,41 DM 36.874,10 DM
Entlassung bisher Geriatrie nach
Hause 52,2 70,8 ins Altenheim 8,2
3,9 ins Pflegeheim 25,3 14,4 verstorben
4,5 3,6
39Kontrollierte Studien zur "Wirksamkeit"
geriatrischer Intervention odds ratio(Stuck et
al., Lancet 342 (8878), 1993, 1032-6)
40Wo findet geriatrische Rehabilitation statt?
- im Akutkrankenhaus
- allgemeine Rehabilitation, Frühmobilisationspezie
lle Frührehabilitationggf. auch endgültige
Rehabilitation - in der geriatrischen Rehabilitationsklinik
- in der geriatrischen Tagesklinik
- als mobile ambulante geriatrische Rehabilitation
- von Krankenhaus aus oder von niedergelassenen
Ärzten geleitet - in der ambulanten und stationären Altenpflege
- enge Verbindung Arzt/Therapeutenpraxis
Tagesklinik Hannover
41Wann an die geriatrische Rehabilitation denken?
- bei zunehmenden Fähigkeitsstörungen und
Beeinträchtigungen (Unselbständigkeit,
Pflegebedürftigkeit) - (bei drohendem Wechsel ins Pflegeheim)
42Postulate
- besonders alte Menschen benötigen einen
schonenden Übergang zwischen den medizinischen
Sektoren - ein Geriater allein nützt (auf Dauer) nichts, das
gesamte Team muss stimmen - Team außerhalb der Klinik Patient, Angehörige,
Hausarzt, Pflegedienst, Pflegeheimpersonal,
ambulante Therapeuten und - ggf. Kostenträger, Kammer, KV
43Zusammenfassung
- Geriatrische Rehabilitation, wichtiger Teil der
geriatrischen Medizin - wirksame Arbeitsmethoden und Organisationsstruktur
en - Qualitätskriterien (z.B. Strukturen und Prozesse)
- Schwerpunkt in der Therapie von
Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen - gute Einzelergebnisse, zum Teil kontrollierte
Studien