Title: Sozialstruktur u. Soziale Ungleichheit I:
1Sozialstruktur u. Soziale Ungleichheit I
- Auflösung von Klassen- u. Schichtstrukturenund
Individualisierung u. Pluralisierung sozialer
Milieus?
2Übersicht
- Was ist soziale Ungleichheit?
- Theoretische Konzepte sozialer Ungleichheit
- Struktur sozialer Felder (Modifikation der
Klassentheorie) (s. Sitzung zur Theorie v.
Bourdieu) - These der Auflösung von Klassen,
Individualisierung u. Pluralisierung (Beck) - Konzept sozialer Milieus (Vester u. SINUS)
- Anwendung für das Sozialmanagement (z.B.
Sozialraumanalyse)
3Was bedeutet Soziale Ungleichheit? I
- Soziale Ungleichheit wird von sozialen
Unterschieden (Andersartigkeit bei relativer
sozialer Gleichstellung) unterschieden, nicht
alle sozialen Unterschiede sind relevant im Sinne
von Ungleichheit - Soziale Ungleichheit begründen solche
Unterschiede, die eine gewisse Dauerhaftigkeit
aufweisen und sich positiv oder negativ auf die
objektiven und subjektiv wahrgenommenen und
wahrnehmbaren Handlungs- oder Lebensmöglichkeiten
der Betroffenen auswirken
4Was bedeutet soziale Ungleichheit? II
- 1) Ungleichheit wertvoller
- 2) nicht absolut gleicher (widersprechend einer
allgemeinen Gleichheitsnorm) - 3) systematisch verteilter (überpersönliche
Reproduktion, Verteilungsmechanismus, nicht
individuell oder zufällig) - 4) vorteilhafter und nachteiliger
Lebensbedingungen von Menschen(z.B. materielle
Güter, Titel, Bildung, Arbeit), die ihnen
aufgrund ihrer Position in gesellschaftlichen
Beziehungsgefügen zukommen (vgl. Hradil, 1999,
Soziale Ungleichheit)
5Was bedeutet soziale Ungleichheit? III
- Soziale Ungleichheit liegt dort vor,
- wo die Möglichkeiten des Zugangs zu allgemein
verfügbaren und erstrebenswerten sozialen Gütern - oder zu sozialen Positionen, die mit ungleicher
Macht- oder Interaktionsmöglichkeiten
ausgestattet sind, - dauerhafte Einschränkungen erfahren und dadurch
die Lebenschancen der betroffenen Individuen,
Gruppen und Gesellschaften beeinträchtigt oder
begünstigt werden (vgl. Kreckel, 1992, Politische
Soziologie der sozialen Ungleichheit, S. 17)
6Soziale Ungleichheit Fragestellungen
- Legitimation
- Notwendigkeit der normativen Beurteilung sozialer
Ungleichheit - Ursachen u. Mechanismen
- Determinanten u. Dimensionen Macht, Ökonomie,
Beruf, Bildung, Status, Prestige o.
Zuschreibungen, Funktionen - Wirkungen
- Einfluss der Ungleichheit auf die
Lebensverhältnisse, Einstellungen, Verhalten
u.s.w. - Vorkommen und Struktur
- Relativ stabil, regelmäßig, überpersönliche
Differenzierung der Gesellschaft in Blöcke,
Figurationen, Schichten, Klassen, Milieus etc.
7Was ist Sozialstruktur?
- Sozialstruktur als Muster sozialer Beziehungen,
Positionen und Mengen von Individuen, das relativ
losgelöst von individuellen Interpretationen,
Interessen, Werthaltungen etc. funktioniert
(soziale Tatsachen) - Sozialstruktur als Grundgerüst der sozialen
Organisation einer Population mit Positionen
(Status) als anerkannte Plätze im Feld sozialer
Beziehungen, die in der Regel mit typischen
Einstellungen und Verhaltenserwartungen (Rollen)
oder Dispositionen (Habitus) verbunden sind - Es ist eine Wechselwirkung zwischen der
Sozialstruktur (Bedingungen der Möglichkeiten)
und den sozialen Handlungen, Interpretationen,
Werten etc. der Individuen anzunehmen - Soziale Positionen sind Gegenstand ständiger
Auseinandersetzungen und Kämpfe und also in
ständiger Entwicklung oder dynamisch
8Was ist ein Stand?
- Hierarchisch geprägte Figuration
- Angehörige sind hinsichtlich ihrer Herkunft oder
Berufs, ihrer Rechte und Pflichten sowie ihrer
gesamten Lebensumstände strengen sozialen Regeln
und Zwängen unterworfen (z.B. Standesethos,
Verhaltensregeln, Privilegien) - Stände reproduzieren sich durch Abstammung und
Tradition sowie Normen u. Werte (z.B. Mittelalter
mit Klerus, Adel) sie erscheinen nach außen
homogen - Ständische Zugehörigkeit zeigt eine enorme
Dauerhaftigkeit (z.B. verarmte Adlige)
9Was ist eine soziale Klasse?
- eine Figuration, deren Mitglieder einerseits
durch eine bestimmte ähnliche ökonomische Lage - andererseits durch ein spezifisches
Zusammengehörigkeitsgefühl und einheitliches
ideologisches Bewusstsein geprägt sind - Bourgeoisie als Besitzer von Kapital oder
Produktionsmittel und Proletariat als
Lohnabhängige
10Was ist soziale Schichtung?
- Dimension der Gesellschaftsstruktur mit
ungleicher Verteilung von Ressourcen,
Lebenschancen und Statuspositionen - Gruppe von Personen, die eine ähnliche Position
in dieser Struktur einnehmen, relativ unabhängig
von ihren individuellen Merkmalen. - Die Statuspositionen können auf verschiedenen
sozialen Merkmalen beruhen, z.B. Vermögen,
Prestige, Macht, soziale Beziehungen, Beruf - Geschlossene Schichten kaum Übergang (Auf- und
Abstieg) zwischen verschiedenen sozialen
Schichten möglich (z.B. Kasten in Indien)
typisch für vormoderne oder traditionale,
religiös geprägte Gesellschaften - Offene Schichtung Geringe Statusdifferenzen
relativ leichte Statusveränderungen u. große
Mobilität typisch für moderne funktional
differenzierte Gesellschaften
11Ungleichheit i.d. funktional differenzierten
Gesellschaft
- Offene Schichtung bei relativ geringer
Ungleichheit, relativ leichte Veränderung von
Statuspositionen möglich (Anspruch u. Mythos i.d.
USA) - Ungleichheit nur infolge funktionaler
Differenzierung und daraus entstehende soziale
Ungleichheit ist offen, funktional und effizient,
weil Koordination, differenzierte Handlungen und
Lebensstile möglich werden und Anreize entstehen,
best. Aufgaben zu übernehmen, in Ausbildung zu
investieren etc. - Erworbener statt zugeschriebener (askriptiver)
Status - Soziale Mobilität nimmt in funktional
differenzierten Gesellschaften zu und ist v.a. in
sozialen Umbrüchen groß (z.B. bei Kriegen, neuen
Techniken) - Gleichheit besteht in funktional differenzierten
Gesellschaften formal (vor dem Gesetz) und als
Anspruch auf Chancengleichheit nicht im Hinblick
auf Ergebnisse (aber Anspruch auf statistische
Normalverteilung)
12Haben wir eine Klassen o. Mittelschichtsgesellsch
aft?
- Die meisten Menschen (ca. 80-90) fühlen sich in
Deutschland der Mittelschicht zugehörig - Nicht alle der objektiv armen Bevölkerung
fühlen sich auch so, viele empfinden die
Klassifikation als Arme o. Unterschicht als
diskriminierend (vgl. Barlösius, Kämpfe um
soziale Ungleichheit, 2004 15) - Die Selbst- u. Fremdwahrnehmung der Menschen
hinsichtlich sozialer Ungleichheit steht in
krassem Gegensatz zu objektiven Befunden der
Einkommens- oder Vermögensverteilung, der Bildung
etc. - Auch von Sozialwissenschaftlern wird die
Auflösung der Klassengesellschaft (Geiger) u. die
These der nivellierten Mittelstandsgesellschaft
(Schelsky), Erlebnisgesellschaft (Schulze) oder
der Individualisierung oder Pluralisierung
i.d. Risikogesellschaft (Beck) behauptet
13These der Auflösung von Klassen und die
gesellschaftliche Individualisierung (Beck)
- Durch Niveauverschiebungen (Wohlfahrtsaufschwung,
Bildungsexpansion usw.) werden subkulturelle
Klassenidentitäten weggeschmolzen, ständisch
eingefärbte Klassenlagen enttraditionalisiert und
- Prozesse einer Diversifizierung und
Individualisierung von Lebenslagen und
Lebenswegen ausgelöst - Diese unterlaufen das Hierarchiemodell sozialer
Klassen und Schichten und stellen es in seinem
Realitätsgehalt in Frage (Beck, 1983, Jenseits
von Stand u. Klasse, S. 36)
14These der Auflösung der Klassengesellschaft (Beck)
- Mit der Individualisierung und Pluralisierung
sozialer Risiken in der Risikogesellschaft hat
sich die Ungleichheits- oder Klassenfrage
verkrümelt - Relativ konstant geblieben sind in der
Entwicklung der Bundesrepublik die
Verteilungsrelationen sozialer Ungleichheit,
geändert haben sich gleichzeitig ... ziemlich
drastisch, die Lebensbedingungen der Menschen. - Möglich wurde dies u. a. durch Verschiebungen im
Niveau (insbesondere von Einkommen und Bildung
..., die ... nie systematisch als eine
wesentliche eigenständige sozialstrukturelle
Entwicklung in der Bundesrepublik begriffen und
ausgearbeitet wurden. (Beck 1983)
15Drei Dimensionen der Individualisierung
- Freisetzungsdimension
- Herauslösung aus traditionellen Sozialformen,
Herrschafts- und Versorgungsbeziehungen - Entzauberung
- Verlust traditioneller Sicherheiten und
Überzeugungen des Handelns, Glaubens und der
Normen - Kontrolle und Reintegration
- Die Individuen werden zum Akteur ihrer
marktvermittelten Existenzsicherung u. ihrer
Biographieplanung, die gleichzeitig
institutionalisiert und standardisiert (durch
Markt, Bildung, Recht etc.) u. damit politisch
gestaltbar sind - Neue flexible, spontane u. innovative oder
alternative Formen der sozialen Integration u.
Kollektivorganisation unter dem Zwang zum
individuellen Planungsbüro, Selbsthilfeaktionen,
direkte Aktionen etc. (vgl. Beck, 1986,
Risikogesellschaft, S. 205 ff.)
16Formen, Ursachen u. Folgen der Individualisierung
I
- Durch Mobilität (soziale und geographische) haben
sich die Lebenswege aus dem Herkunftsmilieu
herausgelöst, durcheinandergewirbelt und
individualisiert - Absicherung u. Verrechtlichung v.
Arbeitsbeziehungen u. Lohnarbeitsrisiken, d.h.
sozialstaatliche Leistungen bewirken einen Abbau
von Klassensolidarität und Individualisierung - Wandel im Beschäftigungssystem, v.a. Ausbau der
Dienstleistungen mit dem Aufstieg von
Arbeitern, Differenzierung v. Bildungsabschlüssen
u. betrieblicher Hierarchien - Ausweitung von Konkurrenzbeziehungen u.a. durch
Bildung u. Herauslösung aus traditionellen
Verbindungen als Stand, Klasse, Schicht (weitere
Medien Recht u. Geld) (Beck, U. 1983, Jenseits
von Stand und Klasse, 36 ff.)
17Formen, Ursachen u. Folgen der Individualisierung
II
- Auflösung der Homogenität von Siedlungsstrukturen,
Zunahme von Distanz, Enttraditionalisierung,
Entsolidarisierung, aber auch Wahlmöglichkeiten
(z.B. beim Wohnen) - Einbezug weiter Kreise in die Erwerbsarbeit,
langfristiger Rückgang von Selbständigen u. nicht
Arbeitenden, aber auch Rückgang der
Erwerbsarbeitszeit als Teil der Lebenszeit - Die Menschen werden in historischen
Kontinuitätsbrüchen aus traditionellen Bindungen
und Versorgungsbezügen herausgelöst und auf sich
selbst und ihr individuelles Arbeitsmarktschicksa
l mit allen Risiken, Chancen und Widersprüchen
verwiesen - Diese Individualisierungsschübe führen zur
Auflösung ungleichheits-relevanter (ständisch
gefärbter, klassenstruktureller),
lebensweltlicher Gemeinsamkeiten (vgl. Beck, U.
1983, Jenseits von Stand und Klasse, S. 39 ff.)
18Individualisierung als neue Form der
Vergesellschaftung I
- Individualisierung als ein ...
widersprüchlicher Prozess der Vergesellschaftung
- Diese vollzieht sich unter den Bedingungen des
wohlfahrtsstaatlich organisierten Arbeitsmarktes,
ist in diesem Sinne also Produkt
gesellschaftlicher Verhältnisse und führt
ihrerseits hinein in einen bestimmten
konfliktreichen Modus der Vergesellschaftung, - nämlich in eine kollektiv individualisierte
Existenzweise, die sich allerdings der
Kollektivität und Standardisierung ihrer
Existenzweise nicht ohne weiteres bewusst werden
kann (vgl. Beck 1983, Jenseits von Stand und
Klasse, S. 42 f.)
19Individualisierung als neue Vergesellschaftung II
- Individualisierung meint nicht
Atomisierung, Vereinzelung, nicht
Beziehungslosigkeit des freischwebenden
Individuums, auch nicht Individuation,
Emanzipation, Autonomie ... - Sondern Erstens die Auflösung, zweitens die
Ablösung industriegesellschaftlicher Lebensformen
(Klasse, Schicht, Geschlechterrolle, Familie)
durch solche, in denen die Individuen ihre
Biographie selbst herstellen, inszenieren,
zusammenschustern müssen (Beck, Vom Verschwinden
der Solidarität, 1993). - Durch Individualisierung muss der einzelne
lernen, sich selbst als Handlungszentrum, als
Planungsbüro in bezug auf seinen Lebenslauf,
Fähigkeiten, Orientierungen, Partnerschaften usw.
zu begreifen (Beck 1983 59) - Daraus folgen wachsende Ansprüche der
Rationalisierung u. Optimierung der
Lebensführung, Zeit, Selbstverwirklichung etc.
20Individualisierung und Resozialisierung? I
- Gerade das Sich-Verschärfen und Bewusstwerden
dieser Widersprüchlichkeit kann zur Entstehung
neuer soziokultureller Gemeinsamkeiten führen - Entweder entlang sich verschärfender sozialer
Risiken (Arbeitslosigkeit) u. der Bildung
nichttraditionaler Solidarität unabhängig von
Klassenlagen - Oder Individualisierung u. Erwartungen an
persönliche Entfaltung führt zur Herausbildung
von Alternativ- u. Jugendsubkulturen,
Pluralisierung von Lebensstilen, mit neuen Ehe-
u. Familienformen, Wohnformen Protestformen,
Bündnissen etc. - Damit schlagen gesellschaftliche Problemlagen in
psychische Dispositionen um, in persönliches
Ungenügen, Schuldgefühle, Ängste, psychische
Konflikte u. Neurosen ... gesellschaftliche
Krisen erscheinen als individuelle und psychische
(Beck 1983 59 f.)
21Individualisierung und Resozialisierung? II
- Die entstehende soziale Isolation scheint zu
ihrer Überwindung der eigentümlichen Konkretheit
von Naturkategorien zu bedürfen, - was daran deutlich wird, dass sich Gruppenbildung
lebensweltlich immer weniger an erworbenen
Lagen (Bildungsstufen, Einkommen etc.)
festmachen, - sehr wohl dagegen an askriptiven Merkmalen von
Personen, die nach wie vor mit offensichtlichen
Benachteiligungen verbunden sind - Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Alter,
Behinderungen (vgl. Beck 1983 69)
22Paradoxien der Individualisierung oder riskante
Freiheit
- Die Lebensbedingungen der Menschen werden ihnen
zugerechnet und dies in einer Welt, die sich fast
vollständig dem Zugriff der Menschen verschließt.
- So wird das eigene Leben zur biographischen
Lösung systemischer Widersprüche oder die
Individualisierung birgt riskante Freiheiten - Die Krise der Repräsentation spiegelt sich als
Krise des Individuums, der Überlastung der
Familie, des Privaten etc., u.a. weil die
normative Entlastung durch Institutionen verloren
geht, was sich z.B. als ständiger Kampf um
Lebensstile, Beziehungen, Erziehung, Konsum,
Werte etc. ausdrückt. - Im Zeitalter der Individualisierung ist der Zwang
zum Normbruch allgemein, gleichsam zur paradoxen
Norm geworden (Beck, Das Zeitalter des eigenen
Lebens, in Aus Politik und Zeitgeschichte, 2001,
B29, S. 3, Hervorh. i. Orig.)
23Differenzierung sozialer Milieus (Vester) I
- Das Feld der Kräfte (Bourdieu) ist nicht
strukturlos, sondern nach Milieus gegliedert. - Milieu
- soziale Gruppen, die aufgrund gemeinsamer
Beziehungen einen Korpus moralischer Regeln
(Durkheim) entwickeln, die sich zu Traditionen
der Mentalität mit einem spezifischen Habitus
verfestigen - sich selbst reproduzierende Beziehungszusammenhäng
e als Teile größerer Milieukonstellationen passen
sich neuen ökonomisch-politischen Bedingungen an - Die großen Mentalitätstraditionen, in denen diese
Milieus stehen, haben sich nicht spurlos
aufgelöst, sondern in neue moderne Zweige
aufgefächert - Erodiert sind nicht die Milieus sondern die
Hegemonien von Institutionen, v.a. Parteien in
den gesellschaftspolitischen Lagern als Krise der
Repräsentation (Politikverdrossenheit 1980 ca.
10, seit 1989 ca. 60) Vester 2001 136
24Differenzierung sozialer Milieus (Vester) II
- Vertikale Achse oben u. unten
- Machtachse mit sozialer Lage in Schichten auf der
Basis von Vermögen, Beruf, Bildung u. Alter
(Machtachse) - Grenze der Distinktion (oben) und Grenze der
Respektabilität u. Statussicherheit (unten) - Horizontale Achse
- Arbeitsteilung, Einstellungen, Werte, Lebensstil
- Avantgarde, Selbstbestimmung, Hedonismus vs.
Autoritätsbindung u. Tradition - Wanderungen zwischen den horizontalen Polen der
Wertorientierung sind häufiger als zwischen den
vertikalen - Entwicklung der Arbeitsteilung mit veränderten
Tätigkeiten und Ansprüchen in der
Dienstleistungsgesellschaft (Wandel zum kult.
Kapital)
25Sozialer Raum n. Vester et al. 2001
Differenzierungsachse
Avantgardistisch
Autoritär
Bildungsbürger
Ökon./Staatl. Elite
Herrschaftsachse
respektable VolksmilieusTradition d.
Facharbeit, prakt. Intelligenz
respektable Volksmilieus ständisch-kleinbürgerlic
he Tradition
jugendkulturelle Avantgarde
benachteiligte Volksmilieus, gering Qualifizierte
26Tradition sozialer Milieus in Deutschland
- Obere Milieus (22-26)
- Tradition v. Macht u. Besitz, Akademische u.
technische Funktionseliten, Grenze der
Distinktion (kultiviert vs. ungebildet,
fein-grob, anspruchsvoll-leicht etc.) - Respektable Volks- u. Arbeitnehmermilieus
(64-69) - Tradition der Arbeiter, ständisch-kleinbürgerliche
Tradition, beständige, gesicherte, anerkannte
Position in Abgrenzung nach unten, Tradition der
Betonung v. Leistung u. Pflicht - Tradition der Benachteiligten Volks- u.
Arbeitnehmermilieus (8-13) - Habitus der Notwendigkeit u. der Traditionslosen,
Resignierten etc. - Diese Großgruppen blieben erstaunlich stabil in
der Größe u. mit geringen vertikalen Wanderungen
(Vester 2001 146 ff.)
27Soziale Milieus nach Sinus (2004)
28Soziale Milieus nach Sinus (2004)
Quelle www.sociovision.de
29Soziale Milieus, Prekarität u. Verdrossenheit I
- Zunehmende Prekarität und Diskontinuität von
Lebensläufen - Ausweitung der Prekarität von Berufspositionen u.
Soziallagen - Prekarität betrifft heute mehr als 25 der
Bevölkerung (jeder 2. Beschäftigte war schon
einmal arbeitslos), also Wohlstand auf Widerruf - Mind. ca. 10 Prozent der Bevölkerung befindet
sich in Dauerarmut und tendenzieller Exklusion
mit Segregationstendenzen in den Städten
(Schulen, Wohnen etc.) - Je nach Soziallage u. Habitus sowie Normen,
Werten u. Erwartungen folgen unterschiedliche
Bewältigungsstrategien (vgl. Vester 2001 159)
30Soziale Milieus, Prekarität u. Verdrossenheit
- Verdrossenheit v.a. mit den Leistungen des
politischen Systems steigt (heute ca. 60-70 der
Bevölkerung) - Verdrossenheit v.a. bei den eher in prekärer
Situation Befindlichen (Arbeitslose, Ostdeutsche,
einfache u. ungelernte Arbeiter, aber auch
Facharbeiter u. von Arbeitslosigkeit Bedrohten
sowie Frauen) - 27 der Bevölkerung befindet sich im
enttäuscht-autoritären Lager (Vester 2001 169
ff.), Milieus mit geringer u. unmoderner
Ausbildung u. schwachen sozialen Netzen, Ältere
u. Jugendliche, Arbeitslose - Aber auch Zunahme von politischem Interesse u.
ca. 30 sind ehrenamtlich aktiv (positiv
korreliert mit Bildung)
31Analyse der Sozialstruktur i.d. Praxis
- Sozialplanung, Sozialraumanalyse, strategisches
Management - Analyse sozialer Milieus bezogen auf einzelne
Wohngebiete oder in einem Stadtteil als Basis für
die kommunale Sozialplanung oder soziale Dienste - Analyse von Zielgruppen u. Arbeitsbelastung
sozialer Dienste - vgl. Geiling am Bsp. Hannover, http//www.agis.uni
-hannover.de/ - Perspektiven
- Kombination von Struktur- und Individualdaten,
qualitative u. quantitative Daten - Analyse und Messung sozialen Kapitals und
sozialer Kohäsion etc. mit Hinweisen zur
Aktivierung von Sozialkapital - Analyse Sozialer Kompetenz (siehe Ullrich
Ullrich 1976) - Ansätze zur Veränderung sozialer Räume und
sozialer Kompetenz durch Erziehungs- und
Bildungsprogramme, Gemeinwesenarbeit etc. - Messung der Effizienz sozialer Intervention und
sozialer Dienste
32Sozialraumanalyse Grundlegende Daten
- Einkommen u. Vermögen
- Beruf u. Erwerbsverhalten
- Wirtschaftsformen
- Architektur u. Wohnformen (u.a. Boden- u.
Mietpreise) - Raumnutzung
- Soziale Infrastruktur, öffentliche Versorgung u.
Institutionen - Bevölkerung (Alter, Geschlecht, Dichte, Zu- und
Wegzug) - Gesundheit u. Lebensstile
- Religion u. Ethnien
- Bildung, kulturelles Kapital
- Haushalts- u. Familienformen
- Soziale Netzwerke, Vereine u. soziale Aktivitäten
(soziales Kapital u. soziale Kohäsion) - Politische Beteiligung
- Devianz (z.B. Müll, Herumlungern,
Verwahrlosung, Sucht u. Gangs) - Delinquenz (z.B. Gewaltdelikte)
- Einstellungen, Lebensstile, Habitus
- Prestige, diskursive Macht
Alle Daten müssen relational in einem Machtfeld
konzipiert werden!
33Bsp. Sozialraumanalyse Hannover-Vahrenheide
Quelle Heinzelmann 2001, agis info 12
34Literatur
- Barlösius, E. (2004) Kämpfe um soziale
Ungleichheit Machttheoretische Perspektiven,
Wiesbaden VS-Verl, S. 116-185. - Beck, U. (1983) Jenseits von Stand und Klasse
Soziale Ungleichheiten, gesellschaftliche
Individualisierungsprozesse und die Entstehung
neuer sozialer Formationen und Identitäten, in
Kreckel, R. (Hg.) Soziale Ungleichheiten,
Soziale Welt, Sonderband 2, Göttingen Schwartz,
S. 35-74. - Beck, U. (1986) Risikogesellschaft,
Frankfurt/M. Suhrkamp. - Beck, U (2001) Das Zeitalter des eigenen
Lebens, in Aus Politik und Zeitgeschichte, B29. - Bock-Rosenthal, E. (2004) Soziale
Ungleichheiten, in Biermann, B. u.a. (Hg.)
Soziologie Studienbuch für soziale Berufe (4.
Aufl.), UTB, Stuttgart, S. 208-260. - Bourdieu, P. (1983) Ökonomisches Kapital,
Kulturelles Kapital, soziales Kapital, in
Kreckel, R. (Hg.) Soziale Ungleichheiten,
Soziale Welt, Sonderband 2, Göttingen Schwartz,
S. 183-198. - Bourdieu, P. (1985) Sozialer Raum und Klassen.
Lecon sur la lecon, Suhrkamp, Frankfurt/M, S.
9-46. - Bourdieu, P. (1998) Sozialer Raum, symbolischer
Raum, in ders. Praktische Vernunft Zur Theorie
des Handelns, Frankfurt/M., S. 13-32. - Geissler, R. (2002) Die Sozialstruktur
Deutschlands, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden, S.
110-144. - Hradil, S. (2004) Die Sozialstruktur
Deutschlands im internationalen Vergleich,
Wiesbaden VS-Verlag, S. 195-202. - Statistisches Bundesamt (Hg.) (2004) Datenreport
2004, Wiesbaden. - Vester, M. u.a. (2001) Soziale Milieus im
gesellschaftlichen Strukturwandel Zwischen
Integration und Ausgrenzung, Suhrkamp,
Frankfurt/M., S. 23-64.