Title: KOGNITIVE ST
1KOGNITIVE STÖRUNGEN
- Regine Bader
- Charlotte Brüser
2Gliederung
- Einleitung
- Robert Plomin
- Teds Early Developmental Study
- Methodische Verfahren zur Erblichkeitsberechnung
- DeFries Fulker Extremgruppenanalyse
- Gruppenkorrelationen
- Gruppenerblichkeit
- Bivariate DF- Extremgruppenanalyse
- Genetische Einflüsse auf kognitive
Beeinträchtigung im frühen Kindesalter - Genetische und umweltbedingte Einflüsse auf die
Beziehung zwischen verbalen und nonverbalen
Beeinträchtigungen bei 4-jährigen Zwillingen
3Robert Plomin
- Geboren 1948 in Chicago, Illinois
- 1970 BA of Psychology an der DePaul University
Chicago - 1974 PhD of Psychology an der University of
Texas, Austin - Ab 1974 Professor of Psychology and Behavioral
Genetics an der University of Colorado, Boulder - Zusammenarbeit mit DeFries
- 1986- 1994 Professor an der Pennsylvania State
University und erste Zwillingsstudien - Seit 1994 Research Professor in Behavioral
Genetics am Institute of Psychiatry, Kings
College, London - und Stellvertretender Direktor am Social,
Genetic Developmental Psychiatry Centre, London - Projektleiter der TEDS- Studie
4Twins Early Developmental Study (TEDS)
- Studie des Institute of Psychiatry, Kings
College, London - Erste groß angelegte Populationsbasierte/orientier
te Zwillingsstudie in England und - mit Abstand die größte Studie zur
sprachlichen und kognitiven Entwicklung - Alle Zwillinge der Jahrgänge 1994, 1995, 1996 aus
England und Wales - Über 15000 Zwillingspaare
- Längsschnittstudie, Datenerhebung im Alter von 2,
3, 4, 7 9 Jahren - Datenerhebung mittels Fragebögen, Befragungen per
Telephon und im Web, Eltern- und
Lehrereinschätzungen und Besuche der
Versuchsleiter - DNA von über 5000 Paaren
- Schwerpunkte
- Kommunikationsstörungen
- Kognitive Beeinträchtigung
- Verhaltensstörungen
5DeFries Fulker Extremgruppenanalyse (1985)
- Ursachen für Differenzen in Population nicht
immer gleich Ursachen der Differenzen zwischen
Extremgruppe und Restpopulation - Unterschiedliche Ursachen ? distinkte Störung
- Gleiche Ursachen ? extremes Ende der
Normalverteilung - DF- Extremgruppenanalyse untersucht, wie groß der
genetische Einfluss auf die Unterschiede zwischen
der Normalgruppe und der gestörten Gruppe ist
6Gruppenkorrelationen
- P Probanden
- CMZ co-twin, monozygotisch
- CDZ co-twin, dizygotisch
- Grundannahme
- Wenn Störungsbild erblich, dann ist die
Regression zu m von CMZ weniger - stark als die von CDZ.
- Regression zu m wird durch die
Gruppenkorrelation dargestellt. - Gruppenkorrelationen beziehen sich auf
Zusammenhänge zwischen - Gruppenmittelwerten, nicht zwischen Individuen
7Gruppenerblichkeit
- Standarisierung der Mittelwerte, so dass von
den Mittelwerten der co- twins die - Gruppenkorrelation direkt abgelesen werden
kann - Gruppenerblichkeit h²g (CMZ CDZ) x 2
- gemeinsame Umwelt c²g 2 x CDZ CMZ
- geteilte Umwelt e²g 1 - CMZ
- Bsp. CMZ .80
- CDZ .55
- ? Differenz von .25 -gt x2 .50
- Gruppenerblichkeit von 50
- ? Mittelwertsdifferenzen zwischen den
- betroffenen Personen und der Population ist
- zur Hälfte erblich.
8Bivariate DF- Extremgruppenanalyse
- Grundannahme
- Wenn das Extrem von x genetisch mit y verbunden
ist, dann ist die Regression zu m für den
Mittelwert der DZ-co- twins stärker als für den
der MZ-co-twins - Auswahl der Probanden wird aufgrund niedriger x-
Werte getroffen, aber die Gruppenkorrelation wird
für die y- Werte berechnet
9Genetische Einflüsse auf kognitive
Beeinträchtigung im frühen Kindesalter
10Gliederung
- Einleitung
- Autoren
- Datenerhebung
- Methode
- Befunde früherer Studien
- Quantitative Trait Locus vs. One Gene One Disease
- Ergebnisse
- Anteile von MMI vs. Rest der Verteilung
- Gruppenerblichkeit
- MMI Zwillingskonkordanzen
- Umwelt- vs. Genetischer Einfluss
- Zusammenfassung der Ergebnisse
- Einwände
- Zukunft
11Autoren
- Verfasser Frank M Spinath, 2002
- Nicole Harlaar, Angelica Ronald and Robert
Plomin - Erschienen im Januar 2004 im American Journal On
Mental Retardation - Originaltitel Substantial Genetic Influence on
Mild Mental Impairment in Early
Childhood - MMI Mild Mental Impairment
- Kognitive Beeinträchtigung
12Befunde früherer Studien
- Ergebnisse früherer Familienstudien setzen
familiäre Ursachen für MMI voraus - MMI kommt gehäuft in benachteiligten
Gesellschaftsschichten vor - Umweltbedingte Traumata (Geburtsprobleme,
Kopfverletzungen etc.) können MMI verursachen - Frühzeitliches Eingreifen der Eltern, Lehrer oder
Psychologen kann das Ausmaß an MMI verringern
13Quantitative Trait Locus vs.One Gene One Disease
- Quantitative Trait Locus (QTL) Hypothese
- QTL Genlocus, der messbaren Einfluss auf
quantitative Merkmale hat (Bspw. Höhe einer
Pflanze). - infinitesimal model Unendliche viele,
unabhängige Loci an der Merkmalsausprägung
beteiligt - Wirkung des einzelnen Locus unendlich
klein - ? MMI sei keine ausgeprägte Störung, sondern
stelle das untere Extrem der
Normalverteilung dar, mit gleichem Einfluss von
Umwelt- und Genfaktoren wie der Rest der
Verteilung - One Gene One Disease (OGOD) Hypothese
- Vermutung, dass ein einzelner Genlokus eine
notwendige Bedingung für das Auftreten eines
Merkmals (einer Krankheit) ist - ? MMI sei eine monogenetische Krankheit und
unterscheidet sich qualitativ vom Rest der
Population
14Datenerhebung
- Erste großangelegte Studie zu MMI im frühen
Kindesalter - Repräsentative Stichprobe von 3886
Zwillingspaaren - Repräsentativ im Hinblick auf die elterliche
Erziehung, Volkszugehörigkeit und der Stellung im
Erwerbsleben - 1994 und 1995 geborene Zwillinge in ganz England
und Wales - Längsschnittlich erhobene Daten im Alter von 2, 3
und 4 Jahren
- Auswahl der untersten 5 mit den
- niedrigsten Werten in verbalen und
- nonverbalen kognitiven Tests
15Methode
- Familien ausgeschlossen
- - bei schweren gesundheitlichen Problemen
- - bei Unvollständigkeit der Daten
- - wenn Englisch nicht die Muttersprache war
- 3886 Zwillingspaare
- - 1314 Monozygotische Paare (MZ)
- - 1296 Dizygotische, gleichgeschlechtliche
Paare (DSZ) - - 1276 Dizygotische, verschiedengeschlechtliche
Paare (DOZ) - Einschätzungen der kognitiven Fähigkeiten durch
die Eltern (1h) - (Ab- / Aus-) Malen
- Bauklötze
- Puzzle
- Falten
- Vokabular und Grammatik
16Ergebnisse Anteile von MMI vs. Rest der
Verteilung
- Vergleich der MMI- Gruppe mit dem Rest der
Population - Signifikant mehr Jungen
- Mehr monozygotische Paare
- Signifikant weniger elterliche Erziehung
17 Gruppenerblichkeit
- CDZS CDZO zeigen eine stärkere Regression zu m
als CMZ (.74 .67 vs .97) - ? Annahme genetischen Einflusses auf die
durchschnittlichen Unterschiede
zwischen der MMI Gruppe und dem Rest der
Population. - Gruppenerblichkeit (h²g) Differenz zwischen
Gruppenkorrelationen x 2 - - .97 - (.74 .67 / 2) x 2 ? (.97 -
.70,5) x 2 ? .26,5 x 2 .53 - ? 53 Gruppenerblichkeit in den 5 cut- off
-
- ? Mittelwertsdifferenzen zwischen den
betroffenen Personen und der Population
ist zu 53 erblich
18 MMI Zwillingskonkordanzen
- Bei 5 cut- off
- - Wahrscheinlichkeit, dass MZ co- twin auch zu
MMI gehört, ist 74 - - Bei DSZ 45, bei DOZ 36
- - Absolute Häufigkeit 46 MZ- Paare, 41 DZS-
Paare und 45 DZO- Paare - ? Wesentlicher genetischer Einfluss auf MMI
- Mit abnehmender Strenge des cut-offs auch weniger
genetischer Einfluss -
19Umwelt- vs. Genetischer Einfluss
- Die nicht überlappenden Konfidenz- Intervalle für
die Gruppenerblichkeit und die Erblichkeit der
individuellen Unterschiede lassen darauf
schließen, dass die Erblichkeit von MMI
signifikant größer ist als die Erblichkeit der
individuellen Unterschiede innerhalb der normalen
Breite - Weniger geteilte Umwelteinflüsse für MMI als für
individuelle Unterschiede im Normalbereich - Fast alle Umwelteinflüsse, die auf MMI einwirken,
scheinen auf geteilte Umwelt zurückzuführen zu
sein - Weil Zwillinge wahrscheinlicher frühreif sind und
geringere Geburtengewichte und mehr
Geburtsprobleme haben, könnten diese
vorgeburtlichen Faktoren zu der Annahme der
geteilten Umwelt beitragen
20Zusammenfassung der Ergebnisse
- Etwa die Hälfte der Unterschiede zwischen der
MMI- Gruppe und der Population können auf Gene
zurückgeführt werden - Die Erblichkeit von MMI ist signifikant größer
als die Erblichkeit der individuellen
Unterschiede in kognitiven Fähigkeiten in
Normalbereich - ? MMI grenzt sich genetisch vom Rest der
Population ab - ? Spricht gegen die QTL- Hypothese
- Die Gene haben einen größeren Effekt aufs MMI-
Extrem der Verteilung vielleicht weil dort die
Umweltfaktoren weniger Einfluss haben
21Einwände
- Obwohl die Gruppenerblichkeit für MMI zweimal so
groß ist wie die der Erblichkeit individueller
Unterschiede in der unausgelesenen Stichprobe,
ist sie mit .50 erheblich schwächer als die der
angenommenen Gruppenerblichkeit für generelle
Intelligenz - Es ist wichtig, zu berücksichtigen, dass
genetische Einflüsse auf kognitive Fähigkeiten in
der frühen Kindheit viel geringer sind als im
späteren Leben -
22Zukunft
- Spezifische Gene, die entweder MMI oder
individuelle Unterschiede im Normalbereich
hervorrufen, müssen identifiziert werden, um den
genetischen Zusammenhang zwischen MMI und der
unbeeinflusster kognitiver Entwicklung zu erklären
23Genetische und umweltbedingte Einflüsse auf die
Beziehung zwischen verbalen und nonverbalen
Beeinträchtigungen bei 4-jährigen Zwillingen
24Sprachstörungen und nonverbale kognitive
Beeinträchtigung gemeinsame Ursachen?
- bisherige Familien- und Zwillingsstudien
- Unterschiede im Sprachvermögen erblich
- genetischer Einfluss auf Sprachstörungen
- gemeinsamer genetischer Einfluss auf
interindividuelle Differenzen bei verbalen und
nonverbalen Fähigkeiten in der Normalpopulation - Sprachgestörte Kinder zeigen häufig, aber nicht
immer, auch schwache nonverbale Fähigkeiten,
aber - Unterscheidung zwischen spezifischen und nicht
spezifischen Sprachstörungen (SLI vs. NLI) - SLI-Diagnose nur bei Diskrepanz zwischen verbaler
und nonverbaler Intelligenz
25Spezifische vs. nonspezifische Sprachstörung
- Probleme
- Individuen weisen nur manchmal diese Diskrepanz
auf - MZ-Zwillingspartnern oft sprachgestört, aber auch
nonverbale kognitive Defizite - Tests auf nonverbale Fähigkeiten mit NLI-, SLI-
und Kontrollkindern NLI langsamer als SLI, aber
SLI langsamer als Kontrollgruppe - ? evtl. nur quantitativer, nicht qualitativer
Unterschied bei den nonverbalen Fähigkeiten
zwischen NLI- und SLI-Kindern - Was könnte die Studie für die SLI-NLI-Kontroverse
bedeuten? - alle Sprachstörungsgene beeinflussen auch
nonverbale kognitive Defizite - ? es gibt kein SLI
- keine Sprachstörungsgene beeinflussen
nonverbale kognitive Defizite - ? Sprachstörungsstudien müssten sich nicht auf
SLI-Patienten beschränken - manche Sprachstörungsgene beeinflussen
nonverbale kognitive Defizite - ? Unterstützung für die Unterscheidung zwischen
SLI und NLI
26Probanden
- Tests zu verbalen und nonverbalen Fähigkeiten mit
1662 4,5jährigen TEDS-Zwillingen - Ausgeschlossen wurden Kinder ...
- ... mit medizinischen oder perinatalen Problemen
- ... mit organischen Hirnschäden/ Gehörverlust
- ... ,die nicht ethnisch weiß sind
- ... ,die nicht englische Muttersprachler sind
- 310 Paare als unausgelesene Kontrollgruppe
- die unteren 15 als Maß für Sprachstörungen
- 436 Zwillinge aus 291 Paaren mit Sprachstörungen
(nur gleichgeschl. Paare) - Mütter nicht signifikant weniger gebildet als der
TEDS- und der UK-Mittelwert
27Testverfahren
- 2 Versuchsleiter besuchten jede Familie 1h
- 8 Sprachtests
- Sprachproduktion
- auditivem Gedächtnis
- Textverständnis
- Grammatik
- Verständnis von Morphologie und Syntax
- Erkennen von Lautmustern
- Verständnis/ Definition von Begriffen
- Kategorienbildung
- Antonymbildung
- 4 Test zu nonverbalen Fähigkeiten
- räumliche Relation
- Formwahrnehmung
- nonverbales Gedächtnis
- Aufmerksamkeit
- Wahrnehmung
- motorischen Koordination
28Ergebnisse
- Alter und Geschlecht erklärten 5 der Varianz bei
verbalen und 9 bei nonverbalen Tests - ? Korrektur, da sonst Erblichkeit überschätzt
werden könnte - Univariate DF-Gruppenanalyse
- Sprachstörungen
- h²g (.86 - .68) x 2 ? .37
- c²g 2 x 0.68 0.86 ? .49
- nonverbale kognitive Störungen
- h²g (.76 - .49) x 2 ? .52
- c²g 2 x .49 - .76 ? .23
- Sprachstörungen sind zu 37 erblich bedingt
und nonverbale kognitive - Störungen zu 23
29Ergebnisse
- Bivariate DF-Gruppenanalyse
- Gruppenkorrelation 1.26 / 1.32 .95 (MZ),
.87 / 1.33 .65 (DZ) - h²g (.95 - .65) x 2 .60
- c²g 2 x .65 - .95 .35
- 60 der Unterschiede zwischen Kindern mit
Sprachstörung und der - Normalpopulation in NV-Fähigkeiten kann durch
genetische Einflüsse erklärt - werden
- h²g .75 und c²g .17 bei Ausschluss von
Probanden mit NV-Wert lt 2 SD
30Bedeutung der Ergebnisse
- Einige Gene, die Einfluss auf Sprachstörungen
haben, beeinflussen wahrscheinlich auch
nonverbale kognitive Fähigkeiten - Da nicht alle Sprachstörungsgene sich auf
nonverbale kognitive Defizite auswirken, sollte
die Unterscheidung zwischen SLI und NLI weiter
getroffen werden - c²g sagt nichts über die Art der gemeinsamen
Umweltfaktoren aus (Eltern, pränatale Einflüsse,
Krankheiten, etc.) - Überlappung der genetischen Einflüsse bei
verbalen und nonverbalen Fähigkeiten ähnlich groß
bei Normalpopulation und Kindern mit
Sprachstörung - ? Sprachstörung ist keine distinkte Störung,
sondern vielmehr das unter Ende der
Normalverteilung
31Erklärungsmodell und Probleme der Studie
- Modell Genetische Faktoren, die normalerweise
auf mehrere neuronale Schaltkreise Einfluss
haben, wirken manchmal selektiv auf ein
bestimmtes System (z.B. Sprachsystem) - 15-Cut-Off eventuell ein zu mildes Kriterium
- ? ähnlich wie in anderen Studien
- Zwillinge sind in ihrer Sprachentwicklung
generell zurück - ? nicht mehr im Alter von 4 Jahren (bei
2jährigen 3,5 Monate) - c²g eventuell nicht generalisierbar, da Zwillinge
mehr der prä- und postnatalen Umwelt teilen als
andere Geschwister - Studien mit jüngeren Geschwistern der
TEDS-Zwillinge Einfluss der geteilten Umwelt nur
halb so groß wie zwischen Zwillingen
32Quellen
- Spinath, F.M. et al. (2004). Substantial Genetic
Influence on Mild Mental Impairment in Early
Childhood. American Journal on Mental
Retardation, 109, 34 - 43 - Viding, E. et al. (2003). Genetic and
Environmental Mediation of the Relationship
Between Language and Nonverbal Impairment in
4-Year-Old Twins. Journal of Speech, Language,
and Hearing Research, 46, 1271 - 1284 - Purcell, S. et al. (2001). Comorbidity between
verbal and non-verbal cognitive delays in
2-year-olds a bivariate twin analysis.
Developmental Science, 42, 195 - 208 - www.robertplomin.com
- www.iop.kcl.ac.uk/iopweb/departments/home