Title: Nick Kratzer Zielvereinbarungen als Instrument der Leistungspolitik
1Nick KratzerZielvereinbarungen als Instrument
der Leistungspolitik
- Referat im Forum 3 der Tarifpolitischen Konferenz
der IG Metall, Mannheim, 21.10.2005
2Gliederung
- 1. Einleitung
- 2. Zum Hintergrund Wandel der Arbeits- und
Leistungsbedingungen - 3. Zielvereinbarungen Ein Instrument mit vielen
Facetten - 4. Mit Zielvereinbarungen (im Angestelltenbereich
) Leistungspolitik machen? Fragestellung und
Konzept des Forschungsprojekts
31. Einleitung
- Anlaß HBS-Projekt
- Zur Wirksamkeit neuer Instrumente der
Leistungsregulierung (Zielvereinbarungen) im
Angestellten- bzw. Zeitlohnbereich - Start Oktober 2005 Abschluß September 2007
- Begleitforschung zu ERA
- Projektdurchführung ISF München
- Zum Institut
- Bisherige Forschung als Ausgangspunkt
4Leitfragen des Projekts
- Gelingt es mit der Regulierung von
Zielvereinbarungen in ERA interessenpolitisch
(Neu)Land zu gewinnen - bei der Regulierung und Begrenzung des wachsenden
Leistungsdrucks und - bei der kollektiven Unterstützung individuellen
Interessenhandelns - insbesondere im Angestellten- bzw.
Zeitlohnbereich?
52. Zum Hintergrund Wandel der Arbeits- und
Leistungsbedingungen
- Wachsender Zeit- und Leistungsdruck
- Neue Steuerungs- und Organisationsformen von
Arbeit - Anforderungen und neue Bedingungen für
Interessenpolitik
6Wachsender Zeit- und Leistungsdruck
- Eindeutiges Ergebnis vieler Untersuchungen Der
Zeit- und Leistungsdruck nimmt zu - Qualitative Befunde
- Das Leben ist schon ein bißchen härter geworden.
Wenn ich zehn Jahre zurückdenke, ... da ging es
ja gegen heute gemütlich zu (Arbeiter,
EVA-Studie) - Oder auch, daß wir nachmittags mal oder mittags
in den Park gegangen sind ... das geht seit
Jahren nicht mehr, einfach weil der Zeitdruck da
ist, weil also die Arbeit hat eine andere
Dimension bekommen (Angestellte, EVA-Studie) -
7Wachsender Zeit- und Leistungsdruck - quantitativ
- 54 aller Beschäftigten machen im Jahr 2003
regelmäßig Überstunden (1989 35) - (Quelle Arbeitszeit 2003 Bauer u.a. 2004, S.
46). - Für 31 der Erwerbstätigen trifft voll zu, daß
ihre Arbeit durch ein hohes Maß an Streß
gekennzeichnet ist, für 51 trifft das teilweise
zu. - (Quelle SOEP European Foundation 2005)
- Für Betriebsräte und Vertrauensleute war die
Erhöhung des Leistungsdrucks das wichtigste Thema
der letzten Jahre Bei den wichtigsten
Einflußfaktoren nennen fast alle die Zunahme
des Termin- und Zeitdrucks. - (Quelle ISF-Sprockhövel-Befragung 2005 vgl.
auch WSI-Betriebsrätebefragung)
8Neue Steuerungs- und Organisationsformen von
Arbeit
- Hintergrund Vermarktlichung
- Der wachsende Marktdruck auf die Unternehmen soll
unmittelbarer an die Beschäftigten weitergegeben
werden. - Indirekte Steuerung
- Selbstorganisation in fremdbestimmten
Rahmenbedingungen - Ergebnisorientierung
- Das Ergebnis (im Zweifel der Markterfolg) ist
entscheidend, nicht der Aufwand. - Diskursive Koordinierung
- Anweisungen und Vorgaben werden ergänzt/ersetzt
durch Aushandlung und Abstimmung
9Neue Anforderungen und Bedingungen für
Interessenvertretung
- (Neue) Anforderung
- Begrenzung des wachsenden Leistungsdrucks
- Schutz vor der Maßlosigkeit des Marktes
- Neue Bedingungen
- Individuen als Akteure der Arbeitsgestaltung und
der Aushandlung von Leistungsbedingungen (und
Entgeltgestaltung) - Individuelle Interessen und Durchsetzungsfähigkeit
als Bezugspunkt kollektiver Regulierung
103. Zielvereinbarungen Ein Managementinstrument
mit vielen Facetten
- Warum Auseinandersetzung mit dem
personalpolitischen Instrument Zielvereinbarung? - Wachsende Bedeutung als leistungs- und
entgeltpolitisches Instrument - Korrespondenz mit den neuen Steuerungs- und
Organisationsformen (Auch) mit
Zielvereinbarungen sollen Marktanforderungen
unmittelbarer in individuelle Handlungsorientierun
gen transformiert werden - Leistungspolitisch (wieder) (Neu)Land gewinnen
Regulierung/Begrenzung der Leistungsbedingungen
insbesondere im Angestellten-/Zeitlohnbereich?
11Zielvereinbarungen Herkunft
- Aus den USA (50er Jahre) Management-by-Objective
s (Führen durch Ziele) - Ableitung von Teil- und Unterzielen aus
übergeordneten Unternehmenszielen - (Weiter-)Entwicklung des Führens durch Ziele
Motivations- und Personalentwicklungsinstrument
(hauptsächlich Führungskräfte) - Seit ca. 80er Jahren vermehrt Einsatz in
deutschen Firmen (v.a. in Großbetrieben und
ausgerichtet auf Führungskräfte) - Zugleich Kontroll- und Führungs- sowie
Motivations- und /Beteiligungsinstrument
12Zielvereinbarungen Entwicklungstendenzen
- Entwicklungstendenzen
- Zunehmende Ausweitung auf Tarifbeschäftigte
- Zunehmender Einsatz auch als Instrument der
Leistungs- und Lohnpolitik - Ursachen
- Renaissance von Leistungspolitik und
Leistungsanreizen - Paßfähigkeit zu neuen Steuerungs- und
Organisationsformen Tut, was ihr wollt, aber
erfüllt die Ziele - Motivations- und Beteiligungsinstrument
Commitment
13Konstruktionselemente von Zielvereinbarungen
- In der Praxis große Vielfalt
- Drei allgemeine Konstruktionselemente
- Konkretisierung von Unternehmenszielen als Teil-
und Unterziele und Übertragung der Verantwortung
für die Zielerreichung - (Gemeinsame) Vereinbarung und Festschreibung der
Ziele zwischen Vorgesetzten und Untergebenen für
eine bestimmte Periode - Überprüfung und (gemeinsame) Bewertung der
Zielerreichung nach Ablauf der Periode und
Festlegung neuer Ziele -
14Zielvereinbarungen - Grundsätze
- Smart-Regel
- S chriftlich fixiert, präzise und klar
- M essbar, d.h. in Zahlen ausdrückbar,
nachvollziebar und überprüfbar - A nspruchsvoll, d.h. eine Herausforderung
darstellen, aber dennoch - R ealistisch und erreichbar
- T erminiert, d.h. auf einen konkreten, festen
Zeitraum bezogen sein. - (nach Breisig 2003, S. 23)
15Zielvereinbarungen - Differenzierungskriterien
- Zielvorgaben oder Zielvereinbarung?
- Ein Ziel oder mehrere Ziele?
- Dauer der Zielvereinbarungsperiode
- Quantitative und/oder auch qualitative Ziele?
- Entgeltrelevant oder Nicht-Entgeltrelevant?
- Grad der Konsensorientierung?
- Formalisierte Verfahren bei Problemen?
- Individuelle und/oder kollektive Ziele?
- Individuen und/oder Gruppen?
- Zwischen- und/oder Endprüfung der Zielerreichung?
16Zielvereinbarungen - Verbreitung
- Generell Kaum Zahlen über die Verbreitung
- In Unternehmen der Branchen Metall/Elektro,
Textil/Bekleidung und Banken werden - in 11 der Unternehmen Un- und Angelernte,
- in 24 der Unternehmen Facharbeiter
- in 40 der Unternehmen technische Angestellte
- und in 67 der Unternehmen Führungskräfte
- von Zielvereinbarungen erfasst.
- 85 der befragten Manager erwarteten, daß
Zielvereinbarungen immer wichtiger werden. - (Bahnmüller 2002, S. 52)
17Zielvereinbarungen - Verbreitung
- In der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie
- haben 36 der befragten Unternehmen
Zielvereinbarungen eingeführt oder zumindest
damit experimentiert, - halten 51 Zielvereinbarungen für künftig
wichtig und - werden in 60 den Betriebe mit Zielvereinbarungen
auch Angestellte und in 49 auch Arbeiter in
Zielvereinbarungssysteme einbezogen - (Hinke 2003, S. 378ff.)
18Zielvereinbarungen - Wirkungen
- Generell Keine einheitliche Einschätzung der
Wirkungen - Gründe
- Sehr unterschiedliche Ausgestaltung in der Praxis
- Noch relativ wenig Forschung zu den Wirkungen
- Auch die Unternehmen wissen in der Regel nicht
wirklich, ob sich die Einführung von
Zielvereinbarung lohnt. - Der Effekt von Zielvereinbarungen kann kaum
isoliert betrachtet werden. - Unterschiede in der Management- und in der
Betriebsrats- oder Beschäftigtenperspektive - Fazit vieler Studien Ambivalenz (Chancen und
Risiken)
19Zielvereinbarungen - Chancen
- Unter bestimmten Voraussetzungen können
Zielvereinbarungen - Motivation, Identifikation, Eigeninitiative und
Verantwortungsbereitschaft fördern und damit zur
Arbeitszufriedenheit beitragen, - direkte Beteiligung ermöglichen und Autonomie
erhöhen, - die persönliche Entwicklung und Qualifizierung
fördern, - durch die Messung der Ziele die Objektivität der
Beurteilung und Entgeltbestimmung erhöhen, - durch die klar und öffentlich fixierten Ziele
Willkür der Vorgesetzten eindämmen.
20Zielvereinbarungen - Risiken und Probleme
- Banalisierung Komplexerer Tätigkeiten
- Fehlsteuerung durch Behelfskonstruktionen
- Kurzfristorientierung durch Konzentration auf
kurzfristige, gut erfassbare Ziele - Individualisierungsfalle Geringe oder keine
Beeinflussbarkeit durch die Beschäftigten - Leistungsintensivierung durch Zwang zur
Herausforderung - Keine wirklichen Beteiligungschancen
- Fehlende oder asymmetrisch gestaltete Regulierung
des Konfliktfalls - Zunehmende Ungleichheit
21Zielvereinbarungen - Zwischenfazit
- Zielvereinbarungen sind bislang vor allem ein
Instrument der Unternehmen - Mit Sicherheit wachsende Bedeutung auch als
leistungs- und entgeltpolitisches Instrument - Zielvereinbarungen sind Teil eines umfassenderen
(neuen) Systems der Steuerung und Organisation
von Arbeit - Ambivalente Einschätzungen der Wirkung
Prinzipielle Ambivalenz des Instruments - auf die
(Aus-)Gestaltung und die Rahmenbedingungen kommt
es an. - Sind die Risiken nur ein Gestaltungs- und
Regulierungsproblem (bzw. ein Problem falscher
oder fehlender Regulierung)? -
224. Ausgangspunkt, Fragestellung und Design des
Forschungsprojekts
- Ausgangspunkt ERA und Zielvereinbarungen
- Fragestellungen Neue Möglichkeiten der
Begrenzung von Leistungsdruck (und der
Mobilisierung?) im Angestelltenbereich - Forschungsdesign
23Ausgangspunkt ERA und Zielvereinbarungen
- Bislang keine flächendeckende tarifvertragliche
Regulierung von Zielvereinbarungen - Gründe
- ZV bislang meist nicht entgeltrelevant
- ZV bislang oft außertariflich Beschäftigte
- Regelungen bislang nur bei entgeltrelevanten
Zielvereinbarungen in Haustarifverträgen und
Betriebsverenbarungen
24Ausgangspunkt ERA und Zielvereinbarungen
- Mit ERA erstmals flächendeckende
tarifvertragliche Regelung von Zielvereinbarungen
in der Metall- und Elektroindustrie - Neugestaltung der Entgeltgrundsätze, hier
insbesondere - Verhältnis von Grundentgelt und variablem Entgelt
- Leistungsentgeltbestimmung
- Tarifierung des Zielentgelts.
- Zielsetzung Durch Leistungsentlohnung
verbesserte Chancen der Regulierung der Arbeits-
und Leistungsbedingungen und zwar insbesondere
im Angestelltenbereich
25Ausgangspunkt ERA und Zielvereinbarungen
- Zielvereinbarungen sind ...
- ... nur eines von vielen ERA-Themen und
- ... nur eine von mehreren (möglichen) Formen der
Regulierung des Leistungsentgelts - Bedeutung von Zielvereinbarungen bei der
ERA-Umsetzung unterschiedlich
26Fragestellungen des Forschungsprojekts
- Generell Fragestellungen
- Gelingt es, das Instrument Zielvereinbarungen für
die Begrenzung von Leistungsanforderungen zu
instrumentalisieren? - und
- Läßt sich mit dann mit Zielvereinbarungen der
zunehmende Leistungsdruck begrenzen - oder trägt
dieses Instrument zur Erhöhung des Leistungsrucks
bei?
27Fragestellungen des Forschungsprojekts
- Konkretisierung der generellen Fragestellungen in
drei Projektschwerpunkten - Regulierung und Umsetzung von Zielvereinbarungen
in der betrieblichen Praxis - Betriebliche Akteure der Umsetzung
- Wirkung von Zielvereinbarungen für die
Leistungssteuerung
28Projektschwerpunkt Regulierung und Umsetzung
- Behandlung und Bedeutung von Zielvereinbarungen
in den unterschiedlichen Tarifverträgen - Bedeutung von Zielvereinbarungen im Angestellten-
bzw. Zeitlohnbereich - Konkrete Umsetzungsprozesse in ausgewählten
Betrieben
29Betriebliche Akteure der Umsetzung
- Im Hinblick auf die Einführung und Regulierung
von Zielvereinbarungen wollen wir von den
Akteuren erfahren - Betriebsräte
- Strategien und Zielsetzungen, Unterstützungsbedarf
, Erfahrungen und Beurteilung der Umsetzung - Beschäftigte
- Wahrnehmungen und Beurteilung, Kompetenzanforderun
gen und Unterstützungsbedarf - Management
- Strategien, Erfahrungen und Problemwahrnehmungen
30Wirkung von Zielvereinbarungen für die
Leistungssteuerung
- Stellenwert von Zielvereinbarungen für die
Arbeits- und Leistungsbedingungen im
betrieblichen Kontext (Personalentwicklung,
Unternehmenssteuerung u.a.)? - Stellenwert von Zielen für die
Handlungsorientierungen der Beschäftigten - Erhöhung von Beteiligung und Veränderung von
Einstellungen? - Ausweitung oder Begrenzung des Leistungsdrucks?
-
31Forschungsdesign
- Sichtung und Auswertung von Tarifverträgen und
Betriebsvereinbarungen - Zentrales Instrument Betriebsfallstudien
- Expertengespräche mit Betriebsräten und
Management - Beschäftigteninterviews
- Gruppendiskussionen
- Auswahl der Fallstudien
- v.a. abhängig vom Stand der ERA-Umsetzung,
insbesondere natürlich von der Umsetzung von
Zielvereinbarungen -
32Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
- Dr. Nick Kratzer
- ISF München,
- Jakob-Klar-Str. 9,
- 80796 München,nick.kratzer_at_isf-muenchen.de,
- www.isf-muenchen.de