Title: Modul H2
1Modul H2 Prosodie und IntonationSoSe 2008 -
Benno Peters
- Einführung und Auffrischung
- Historie und wichtige Literatur der
Prosodieforschug - Der Kieler Ansatz zu Form und Funktion der
Prosodie - Referate
- Diskussionen
- Experimente
- Wünsche?
2Einführung in Anlehnung an Astrid Paeschke
- Begriffe
- Prosodie, Intonation, Suprasegementalia ...
- Unterschiede im Verständnis von Phonetik,
Phonologie und Sprechwissenschaft - Funktionen
- linguistische
- paralinguistische
- prosodische Merkmale und ihre akustischen
Korrelate - Modelle
- Pierrehumbert, ToBI, GToBI
- IPO, KIM
- Fujisaki
3Begriffe
- Suprasegmentalia
- Prosodie
- Intonation
- Betonung
- Satzakzent, Phrasenakzent
- Wortakzent, lexikalischer Akzent
- Betonungsgruppe, Takt, Fuß
- Deklination
- declination line
- top (head) line
- base line
- range
4Begriffe Prosodie
- Gesamtheit aller phonetischen Eigenschaften des
Sprechaktes, deren Domäne über das Segment
hinausgeht suprasegmentale Merkmale - willkürlich
- Intonation, Dauerstruktur, Sprechgeschwindigkeit
Lautstärkeänderungen, Reduktionsgrad - gt Akzent, Prominenz, Sprechrhythmus, Phrasierung
- unwillkürlich
- Mikroprosodie
- theoretisch auch alle willkürlich änderbaren
Merkmale, wenn sie den unwillkürlichen Ausdruck
von Emotionen, Alter, Geschlecht,
Gesundheitszustand u.ä. erzeugen - Segmentelle Merkmale?
5Prosodie - Begriffsverwirrung
- Ursache verschiedene Sichtweisen, wobei
- unterschiedliche Aspekte im Vordergrund stehen
- unterschiedliche Begriffe für die gleiche Sache
verwendet werden - gleiche Begriffe unterschiedlich interpretiert
werden
6Funktionen der Prosodie
- Linguistische Funktionen
-
- vs
- paralinguistische Funktionen
7Funktionen der Prosodie
- Linguistische Funktionen
- Hervorhebung von Silben bzw. Wörtern
- Strukturierung von Äußerungen
- Phrasengrenzen
- Bedeutungsunterscheidung durch Betonung
- Anzeige des Satzmodus
- Aussage, Frage, Progredienz
- gt Beziehungen zur Morphologie, Syntax, Semantik
und Pragmatik
8Funktionen der Prosodie
- Die Morphologie ist der Teilbereich der
Linguistik, der die Erforschung der bedeutungs-
oder funktionstragenden Elemente einer Sprache,
der Morpheme, zum Gegenstand hat. Viele Morpheme
werden in unterschiedlichen Formen, Allomorphen
verwendet. Morpheme setzen sich aus Phonemen
zusammen und bilden ihrerseits Wörter. Die
Prinzipien bzw. Regularitäten der inneren
Struktur von Wörtern gehören ebenfalls zum Gebiet
der Morphologie. - Bezug zur Prosodie?
9Funktionen der Prosodie
- Bezogen auf natürliche Sprachen ist Syntax Teil
der Grammatik. Im herkömmlichen Sinn bedeutet
Syntax dann die Lehre vom (korrekten) Satzbau
bzw. Satzbau selbst. Die Syntax als Teil der
Grammatik behandelt die Muster und Regeln, nach
denen Wörter zu größeren funktionellen Einheiten
wie Phrasen (Teilsätze) und Sätzen
zusammengestellt und Beziehungen wie Teil-Ganzes,
Abhängigkeit etc. zwischen diesen formuliert
werden. - Bezug zur Prosodie?
10Funktionen der Prosodie
- Die linguistische Semantik untersucht die
Bedeutung sprachlicher Zeichen. Die kleinsten
Zeichen sind in diesem Sinne die Morpheme, die
nächstgrößeren die Wörter bzw. Lexeme es folgen
die Satzglieder, Teilsätze, Sätze und Texte. - Bezug zur Prosodie?
11Funktionen der Prosodie
- Da sich die Pragmatik ebenfalls mit der
"Bedeutung" von Zeichen befasst, erscheint aber
eine klare Trennung nur schwer möglich.
Unterscheidet man Satzbedeutung und
Äußerungsbedeutung sowie Sprecherbedeutung, so
befasst sich die Semantik mit der Satzbedeutung,
Semantik und Pragmatik mit der Äußerungsbedeutung
und allein die Pragmatik mit der
Sprecherbedeutung. Die Sprecherbedeutung ist das,
was der Sprecher mit einer Äußerung meint. - Bezug zur Prosodie?
12Funktionen der Prosodie
- Paralinguistische Funktionen
- Informationen über den Sprecher
- Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand
- Emotionen, Einstellungen, Haltungen,
Persönlichkeitseigenschaften - Informationen über den Sprechstil (z.B. spontan,
gelesen, dialogisch) - Informationen über den situativen Kontext (z.B.
formell, intim) - Dialekt / Soziolekt ?
13Prosodische Merkmale
- Klassifikation prosodischer Merkmale hinsichtlich
ihrer Funktionen - Welche suprasegmentellen Merkmale könnten
bestimmten funktionalen Bereichen zugewiesen
werden? - Problem keine Trennung der Merkmale für
linguistische und paralinguistische Information
möglich - ? erschwert die systematische Analyse
- Sinn der Trennung in linguistische und
paralinguistische - Funktionen ?
14Akustische Korrelate prosodischer Merkmale
- Sprechmelodie ? Grundfrequenzverlauf
(Intonation) - Sprechtempo ? Laut- und Pausendauer
- Lautstärke ? Signalenergie
- Stimmklang ? spektrale Eigenschaften
15Beispiel Sprechmelodie als F0-Verlauf
16Begriffe Intonation
- bezeichnet den Tonhöhenverlauf innerhalb einer
Silbe, eines Wortes, Satzes oder Sprechaktes - gleichbedeutend sind
- Stimmführung
- Satzmelodie
- Sprachmelodie/Sprechmelodie
- im weiteren Sinne Gesamtheit aller prosodischen
lautsprachlichen Merkmale (gt Intonationsforschung,
Intonologen)
17Begriffe Akzent / Betonung
- Akzent und Betonung sind gleichbedeutend
- oft auch Betonung ist die akustische
Realisierung eines lexikalischen Akzentes - Linguistisch
- Satzakzent
- Wortakzent (lexikalischer Akzent) hauptbetont,
nebenbetont, unbetont - weitere Begriffe
- Prominenz, Hervorhebung
- Kontrastakzent, Emphase
- Wahrnehmung graduell, stufenweise oder binär?
18Konzept des Wortakzents (lexikalischer Akzent)
- lexikalischer/phonologischer Ansatz
- Wortakzent im Deutschen ist ein binäres
phonologisches Merkmal (nicht im Französischen) - Silbe ist betont oder unbetont, Festlegung nach
phonologischen Regeln - Sekundärakzente in Komposita
- da nicht jeder lexikalisch vorgegebene Akzent
realisiert wird, müssen Regeln für die
Realisierung von Wortakzenten erstellt werden - Regeln Strukturbedingungen
- Morphologische, syntaktische und
semantisch-pragmatische - phonetische Sichtweise
- jede Silbe ist potenziell akzentuierbar
19Akustische Parameter zur Realisierung des
Wortakzents
- entsprechen den generellen prosodischen
Parametern - Grundfrequenz
- Intensität
- Lautdauer
- Vokalqualität
- Reduktionsgrad
20Akzentgruppe / Betonungsgruppe
- Engl accent group, stress group
- Deutsch auch Takt, Fuß
- Definition
- betonte Silbe und die nachfolgenden unbetonten
Silben - über Wortgrenzen hinweg
- nicht über Phrasengrenzen hinweg(beginnt nächste
Phrase mit unbetonter Silbe, dann Auftakt) - Beginn (nach Thorsen) am Anfang des Vokals der
betonten Silbe - daraus entstand das Konzept der Isochronie
- Gleichförmigkeit der Betonungen
- gleiche Abstände zwischen betonten Silben bei
akzentzählenden Sprachen - gleiche Abstände zwischen allen Silben bei
silbenzählenden Sprachen
21Phrasierung
- Gliederung einer Äußerung in Abschnitte
- mit eigener Intonationskontur und
Deklinationslinie - Abschnitt Intonationsphrase, intonatorische
Phrase, prosodische Phrase - Intonatorische Phrasen müssen nicht mit
syntaktischen Phrasen übereinstimmen - Intonation beinhaltet Grenzsignale, um
Phrasengrenzen anzuzeigen - Phrasenbeginn Reset der Deklination,
artikulatorische Verstärkung bzw. Ausbleiben von
Assimilation über die Phrasengrenze hinweg - Phrasenende Tonale Merkmale final fall, final
rise, continuation rise, Silbendehnung
(phrasenfinale Längung), Pausen
22Deklination
- Absinken der Grundfrequenz im Äußerungsverlauf
- erstmals beobachtete Pike 1945 das Phänomen
- Begriff Deklination vs. Trend
- mögliche Ursachen
- nachlassender subglottaler Druck
- Translation des Schildknorpels
- Erklärungsansätze und verschiedene Theorien
- Hauptstreitpunkt ist sie oder ist sie nicht
automatischer Mechanismus der Sprachproduktion? - Messung im akustischen Signal
- Bestimmung von Trendlinien
23Beispiel Deklinationslinien
24Intonationsmodelle
- Zweck
- Erklärung der Komplexität und Diversität von
F0-Konturen - Generierung von F0-Konturen für die
Sprachsynthese - aus prosodischer Etikettierung oder syntaktischer
Analyse - Arten
- Hierarchische Modelle
- Superpositionsmodelle
- Tonsequenzmodelle
- Hauptprobleme
- linguistische, paralinguistische und
sprecherspezifische Faktoren drücken sich im
selben Parameter (F0) aus - freie Variation von F0
25Intonationsmodelle
- Pierrehumbert, ToBI
- Basis H und L
- Erweiterungen Grenztöne
- IPO Intonationsgrammatik aus perzeptiv nicht
unterscheidbaren Kopiekonturen - KIM
- Gipfel, Täler, Endkonturen
- Fujisaki
- mathematische Beschreibung des Kurvenverlaufs
- Superposition von Phrasenkomponente und
Akzentkomponenten
26Tonsequenzmodelle
- phonologisch
- repräsentieren die Prosodie einer Äußerung als
lineare Abfolge von abstrakten Einheiten - generieren F0-Konturen aus einer Folge
phonologisch distinktiver Töne bzw. kategorial
versch. Pitchakzente - Töne bzw. Pitchakzente sind strikt lokal
determiniert und interagieren nicht - wichtigste Vertreter
- Pierrehumbert
- ToBI / GToBI (Grice, Féry, Baumann, Grabe)
27Modell nach Pierrehumbert
- Tonsequenzansatz wurde von Janet Pierrehumbert
entwickelt - Grundlage sind die metrische und autosegmentale
Phonologie - regelbasierte Klassifizierung von starken und
schwachen Silben - segmentale und suprasegementale Ebene sind
synchronisiert, können aber unabhängig
voneinander agieren - Intonationskontur Abfolge von Tönen, die den
akzentuierten Silben zugeordnet werden - H (hohe Töne) und L (tiefe Töne)
- hierarchiebildende Domänen
- IP Intonationsphrase
- ip intermediäre Phrase
- pw prosodisches Wort
28Pierrehumbert (Fortsetzung)
- Akzente und Töne des Modells
- Pitchakzent
- jedes prosodische Wort besitzt einen Pitchakzent
- einfache Töne H, L
- bitonale Töne HL, HL, LH, LH
- bezeichnet die betonte Silbe des prosodischen
Wortes - Phrasenakzent
- markiert den Tonhöhenverlauf am Phrasenende (ip)
- bestimmt den Tonhöhenverlauf zwischen Pitchakzent
und Grenzton - H-, L-
- Grenztöne
- bestimmen den Tonhöhenverlauf am Anfang und am
Ende von IPs - notiert werden initiale und finale Grenztöne an
den Rändern der IPs - H, L, H, L
29Pierrehumbert (Fortsetzung 2)
- Grammatik beschreibt wohlgeformte Tonsequenzen
- Bsp
- Das ist ein richtig guter Vorschlag.
- H H H L- L
- Synthese der Intonation
- abstrakte tonale Repräsentation ? phonetische
Realisierungsregeln ? F0-Kontur - Regeln legen die F0-Werte von H- und L-Tönen fest
30Intonationsgrammatik des Tonsequenzmodells nach
Pierrehumbert
31ToBI / GToBI
- ToBI Tones and Break Indices
- GToBI an das Deutsche angepasste Version
- Weiterentwicklung des Tonsequenzmodells von
Pierrehumbert - Formalisierung als Transkriptionssystem
(phonemisch, weit) - Ton-Inventar Amerik. Deutsch
- Pitchakzente H, L HL, LH
- LH, LH, H!H (LHL, HHL, HM)
- Phrasentöne
- initial H, L
- final H, L
- Phrasenakzente H-, L-
- Grenztöne L-L, L-H, H-L, H-H
ebenso
32IPO-Modell
- Datenbank niederländischer (gelesener)
Sprachdaten wurde analysiert - Konturen vereinfacht, solange perzeptiv kein
Unterschied erkennbar war ? Kopiekontur - Stilisierung der Kontur durch lineare Abschnitte
- Intonationsgrammatik
- Satz von Standardkonturen
- Regeln zur Verkettung der Konturen
- Deklinationsregeln
- ohne phonologischen Formalismus
- arbeitet auf Satzebene als Intonationsdomäne
- bisher für Niederländisch, Englisch und Deutsch
verfügbar
33Deklination im IPO-Modell
- 2 Basislinien (0, 3), 2 zusätzliche Linien für
sehr starke Betonungen - Tonhöhenumfang
- Englisch 12 HT, Deutsch 7,5 HT, Niederländisch
6 HT
34Kieler Intonationsmodell (KIM)
- entwickelt von Klaus Kohler (1991)
- regelbasiert
- Regeln steuern die akustischen Parameter
- Regelwerk ist mit Hilfe einer generativen
Grammatik formuliert - phonologisch ausgerichtet
- beschreibt die grundlegende globale Makroprosodie
von Phrasen und Sätzen - schließt auch Mikroprosodie mit ein
- Ziel
- Modellierung der gesamten prosodischen Vielfalt
mittels einer begrenzten Anzahl von Kategorien
und Regeln
35KIM (Fortsetzung)
- erfasste linguistische Kategorien
- Wortbetonung
- Satzakzent
- Intonation
- Synchronisation
- Grenzmarkierungen
- Sprechgeschwindigkeit
- Downstep und Reset
- Downstep sequentieller Abstieg jeder folgende
F0-Gipfel liegt etwas tiefer als der vorangehende - statt Deklination
36Fujisaki-Modell
- Dekomposition komplexer F0-Konturen in einfachere
Kurven mit jeweils eigener temporaler Domäne - Merkmale
- superponierend
- physiologisch fundiert
- linguistische Interpretation der Komponenten und
Steuerparameter ist möglich - auf viele Sprachen anwendbar
37Fujisaki-Modell (Fortsetzung)
38Fujisaki-Modellkomponenten
39Literatur
- zum Modell von Pierrehumbert
- Pierrehumbert, Janet (1980) The phonology and
phonetics of English intonation Dissertation,
MIT Press, Cambridge, MA, USA - zu ToBI / GToBI
- Grice / Baumann / Benzmüller (2001) German
intonation within the framework of
autosegmental-metrical phonology.http//www.coli.
uni-sb.de/phonetik/projects/Tobi/gtobi.html - zum IPO-Modell
- Adriaens, Léon M. H. (1991) Ein Modell deutscher
Intonation. Diss., TU Eindhoven und IPO
40Literatur (Fortsetzung)
- zum Kieler Intonationsmodell
- Klaus J. Kohler (1991) Prosody in speech
synthesis the interplay between basic research
and TTS application. In J. Phonetics Nr. 19, S.
121-138 - Klaus J. Kohler (1996) Modellgesteuerte
Prosodiegenerierung Die Implementation des
Kieler Intonationsmodells (KIM) in der
TTS-Synthese für das Deutsche. In Fortschritte
der Akustik, DAGA'96. S. 90-91 - Klaus J. Kohler (1991) .A model of German
intonation. In AIPUK 25, S. 295-368 (Inst.
Phonetik und digitale Sprachverarbeitung, Univ,
Kiel) - Kohler, Klaus J. (URL) .The Kiel IntonationModel
(KIM), its implementation in TTS synthesis and
its application to the study of spontaneous
speech. http//www.ipds.uni-kiel.de/forschung/kim
.de.html
41Literatur (Fortsetzung 2)
- zum Fujisaki-Modell
- Bernd Möbius (1993) Ein quantitatives Modell der
deutschen Intonation. - Hiroya Fujisaki (1988) A note on the
physiological and physical basis for the phrase
and accent components in the voice fundamental
frequency contour.