Title: Gl
1Glück und gutes LebenEinführung
Prof. Kirsten Meyer WS 2010/11VL Glück und gutes
Leben
2 Fragen dieser Vorlesung
- Was zeichnet ein glückliches, gelingendes oder
gutes Leben aus? - Was leistet die Philosophie für eine
Vergewisserung über diese Frage? - Inwiefern ist diese Frage auch für andere
Bereiche der praktischen Philosophie wichtig,
insbesondere für die politische Philosophie?
3Glück als Thema der Philosophie
- Skeptische Sicht der gegenwärtigen Philosophie
- Diese skeptische Sicht hat im Laufe der
Philosophiegeschichte jedoch erst nach und nach
die Oberhand gewonnen.
4Glück als Thema der Philosophie
- Für die antike Philosophie und Ethik war Glück
das zentrale Thema. - Die antiken Ethiken von Platon und Aristoteles,
von Epikur und der Stoa fragen nach dem guten
oder glücklichen Leben - Was macht ein glückliches Leben aus? Wie kann es
erreicht werden?
5Glück als Thema der Philosophie
- Vertreter moderner Ethiken fragen dagegen
(meistens) nach den Bedingungen eines friedlichen
Zusammenlebens von Menschen mit divergierenden
Vorstellungen vom Glück. - Gesucht wird nach moralischen Regeln, die für
alle Menschen unabhängig von ihren jeweiligen
Vorstellungen vom Glück verbindlich sind.
6Glück als Thema der Philosophie
- Diese Fokussierung der modernen Ethiken auf die
Moral ist den antiken Ethiken fremd. - Ihre Leitfrage ist die praktische Grundfrage, wie
zu leben gut oder am Besten ist. - Die Antwort darauf lautete Das letzte Ziel des
Menschen ist das Glück griechisch eudaimonia.
7Terminologisches
- Die deutsche Rede vom Glück ist nicht
eindeutig - Mit Glück kann einmal das Zufallsglück, also
der glückliche Zufall gemeint sein. - Mit Glück kann weiterhin der glückliche
Augenblick gemeint sein, - oder das Glück eines ganzen Lebens.
8Glückliches Leben?
- Drei Varianten
- (1) Anhäufung von Glücksmomenten
- (2) Dauerhaftes Glück als positive, lang
anhaltende Stimmung. - (3) Weniger stark auf solche emotionalen Zustände
verweisen die Ausdrücke gutes Leben und
gelingendes Leben.
9Glück in der Philosophie
- Den philosophischen Glückslehren geht es um eine
Bestimmung des Lebensglücks. - Dabei wird das Lebensglück oftmals gerade in
einer Abgrenzung vom Zufallsglück verstanden.
10Glück in der Antike
- Das Glück wird den Wechselfällen des äußeren
Schicksals entzogen und so für die einzelne
Person verfügbar gemacht. - Nicht mehr die äußeren Umstände, sondern die
innere, geistige oder seelische Verfassung des
Menschen sollen maßgeblich für sein Glück oder
Unglück sein.
11Platon
- Vorgelebt sieht Platon dies in der Figur des
Sokrates, der sein Leben mit der Erforschung des
richtigen Lebens zubringt und fast vollständig
frei von äußeren Bedürfnissen ist.
12Aristoteles
- Aristoteles betont stärker als Platon den Wert
auch äußerer und körperlicher Güter für das
menschliche Glück. - So räumt Aristoteles ein, dass Armut, niederer
Geburtsstand, Einsamkeit und Hässlichkeit dem
Glück abträglich sind.
13Aristoteles
- Auch Aristoteles ist aber der Auffassung, dass
das Glück des Lebens im wesentlichen von der
inneren, geistig-seelischen Verfassung der Person
abhängt. - Die Güter der Seele haben einen Vorrang vor
anderen Gütern.
14Aristoteles
- Auch Aristoteles geht es nicht um das episodische
Glück erhebender Momente, sondern um das Glück
des Lebens als Ganzes. - Eudaimonia, Glück, meint die Gestalt, die ein
Leben insgesamt annimmt.
15Aristoteles
- Für Aristoteles ist Glück eine Form des
Tätigseins. - Das gelungene Leben entfaltet sich in
selbstzweckhaften Tätigkeiten. - Und zwar soll man auf vernünftige Weise tätig
sein, um zum Glück zu gelangen z.B., indem man
philosophiert.
16Epikur
- Während Aristoteles das Philosophieren als
selbstzweckhafte Tätigkeit begreift, stellt
Epikur die Philosophie radikal in den Dienst der
Lebenspraxis. - Eine Philosophie, die nicht in der Lage ist, dem
Menschen einen Weg zu seinem Glück zu weisen, ist
für Epikur wertlos.
17Epikur
- Für Epikur ist das höchste Gut die Freude oder
Lust, griechisch hedone. - Zu dem so verstandenen Glück kann das
Philosophieren seiner Meinung nach einen
erheblichen Beitrag leisten.
18Gutes Leben Mittelalter
- Für Augustinus (354-430) sind die Menschen im
Hier und Jetzt elendig (miseri) Erlösung
finden sie erst im Jenseits. - Thomas von Aquin (1224-1274) gesteht ihnen im
Diesseits immerhin eine beatitudo imperfecta (ein
unvollkommenes Glück) zu. - Das vollkommene Glück (die beatitudo perfecta),
das in der Schau Gottes bestehen soll, sei aber
erst im Jenseits zu finden.
19Gutes Leben Neuzeit
- In der Antike gingen viele Autoren davon aus,
dass es einen Königsweg zum Glück und eine für
den Menschen beste Lebensform gibt. - Diese Überzeugung geht in der Neuzeit zugunsten
eines offensiven Pluralismus der Lebensformen
verloren.
20John Locke (1632-1704)
- Der Geschmack des Geistes ist wie der des
Gaumens verschieden, und es wäre ein ebenso
vergebliches Bemühen, alle Menschen mit Reichtum
oder Ruhm zu erfreuen (worin mancher sein Glück
sucht), als den Hunger aller Menschen durch Käse
und Hummern stillen zu wollen beides kann wohl
diesen und jenen eine sehr bekömmliche Kost sein,
andern aber kann es höchst zuwider und
unzuträglich sein. (...)
21John Locke
- (...) Das dürfte auch der Grund sein, warum die
Philosophen des Altertums vergeblich danach
forschten, ob das summum bonum im Reichtum, im
sinnlichen Genuß, in der Tugend oder in der
Kontemplation bestehe (...)
22John Locke
- (...) mit ebensolchem Recht hätte man darüber
streiten können, ob Äpfel, Pflaumen oder Nüsse am
besten schmecken, und sich danach in Schulen
teilen können. (...) Die Menschen mögen
verschiedene Dinge wählen und doch alle die
richtige Wahl treffen. - John Locke, Versuch über den menschlichen
Verstand, 2. Buch, Kapitel XXI, Sektion 55, zit.
nach der deutschen Ausgabe. Hamburg Meiner 1981,
S. 322.
23Immanuel Kant (1724-1804)
- Kritik der reinen Vernunft
- Glückseligkeit ist die Befriedigung aller
unserer Neigungen (sowohl extensive der
Mannigfaltigkeit derselben, als intensive dem
Grade und auch protensive der Dauer nach). (AA
III, S. 523.)
24Immanuel Kant
- In der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
schreibt Kant, dass - zur Idee der Glückseligkeit ein absolutes
Ganzes, ein Maximum des Wohlbefindens, in meinem
gegenwärtigen und jedem zukünftigen Zustande
erforderlich ist. (AA IV, S. 418)
25Subjektivierung des Glücks
- Befriedigung unserer Neigungen
-
- Glück als Wohlbefinden
26Siegeszug des Subjektivismus
- Entweder wird hedonistisch argumentiert Glück
ist nichts anderes als Freude (oder Lust oder
Wohlbefinden). - Oder es wird mit Rekurs auf Wünsche, Ziele oder
Präferenzen argumentiert Glück heißt Erfüllung
der je individuellen Wünsche.
27Plausibilität des Hedonismus
- Zum Glück gehört, dass, wer glücklich ist, sich
auch glücklich fühlt. - Glück ist zumindest auch eine Form von
Wohlbefinden.
28Frage an den Hedonismus
- Aber kommt es beim Glück nur auf das Empfinden,
die subjektive Bewusstseinsqualität an, die wir
mit Ausdrücken wie Lust und Freude meinen?
29Einwand gegen den Hedonismus
- Einwand Das alltägliche Glücksverständnis ist
offenbar kein rein hedonistisches. - Z.B. unterscheiden wir zwischen wahrem und
illusionärem Glück und werten das illusionäre
Glück ab.
30Beispiel
- Eine Schriftsteller fühlt sich glücklich, weil er
meint, ein wirklich gutes Buch geschrieben zu
haben. - Er irrt sich jedoch. In Wahrheit wird das Buch
von der Kritik zerrissen. Er weiß nur nichts
davon. - Sollen wir dann sagen, die sich glücklich
fühlende Person sei glücklich?
31Worum geht es noch?
- Einwand Diese Art von Empfindungsglück ist nicht
alles, worum es uns im Leben vernünftigerweise
geht. - Aber was gehört dann noch zum Glück außer einem
guten Gefühl? - Viele würden sagen Dass jemand erreicht, was er
will, dass sich seine Wünsche erfüllen (und nicht
nur scheinbar erfüllen).
32Desire Theories
- Subjektivistische Theorien
- (1) experiential theories, die Glück über
Empfindungen definieren. - (2) desire theories, die Glück an die Erfüllung
der Wünsche einer Person binden.
33Wunschtheorien des Glücks(desire theories)
- Der Kern der Wunschtheorien des Glücks liegt in
der Annahme, dass wir eine Person schwerlich
glücklich nennen können, wenn sie ihre
wichtigsten Ziele und Ideale verfehlt.
34Kritischer Einwand der Objektivisten
- Aber ist es nicht auch wichtig, welche Ziele und
Ideale eine Person verfolgt? - Gibt es nicht auch wertlose Ziele und Ideale, so
dass eine Person, die ihr Leben von ihnen leiten
lässt, nicht glücklich genannt zu werden
verdient? - Z.B. das Ziel, in einem Computerspiel alle
Rekorde zu schlagen?
35Objektive Glückskonzeptionen
- Mögliche Bestandteile der Objektiven Listen
Theorien (objective list theories) - having knowledge,
- engaging in rational acitivity,
- being aware of true beauty
-
- Derek Parfit (1984) Reasons and Persons.
Oxford Clarendon Press, S. 502.
36Themen dieser Vorlesung
- 1. Einführung
- 2. Glück und gutes Leben in der Antike I
- 3. Glück und gutes Leben in der Antike II
- 4. Hedonismus I
- 5. Hedonismus II
- 6. Wunschtheorien I
- 7. Wunschtheorien II
- 8. Objektivismus versus Subjektivismus
37Themen dieser Vorlesung
- 9. Neo-aristotelische Positionen I
- 10. Neo-aristotelische Positionen II
- 11. Metareflexion Welche Rolle spielt der
Verweis auf Intuitionen in der Debatte? - 12. Gutes Leben und Kulturrelativismus
- 13. Gutes Leben und staatliche Neutralität
- 14. Gutes Leben und Gerechtigkeit
38Allgemeines
- Folien nach jeder Vorlesung bei moodle
- Moodle-Passwort ist Glück
- Moodle-Adresse
- "http//moodle.hu-berlin.de"
- Kurs mit Titel Glück und gutes Leben suchen
- Sprechstunde nach Vereinbarung per E-mail
- Kirsten.Meyer_at_philosophie.hu-berlin.de
39Allgemeines
- Voraussetzung für eine Unterschrift auf dem
Modulbogen - a) Elektronische Anmeldung bei moodle
- b) regelmäßige Teilnahme an der Vorlesung,
- c) die Abgabe einer Protokollnotiz zu einem
Argument aus der Vorlesung, spätestens zwei
Wochen nach der entsprechenden Vorlesung. - Wer innerhalb von einer Woche abgibt, bekommt die
Notiz spätestens in der übernächsten Vorlesung
kommentiert zurück.
40Protokollnotiz
- Was ist eine Protokollnotiz?
- a) Sie steht auf einem Blatt Papier mit
vollständigem Namen und Email des Autors/der
Autorin. - b) Sie umfasst mindestens eine Seite, höchstens
zwei Seiten. - c) Sie bezieht sich auf eine bestimmte Vorlesung
und nennt diese ausdrücklich. - d) Sie stellt eine übersichtliche Überlegung zu
einem Aspekt dieser Vorlesung an, z.B.
Beschreibung eines Gegenbeispiels, Kritik an
einem Argument, Verbesserung eines Arguments etc. - e) Bitte klar und verständlich schreiben keine
Stichworte, sondern ganze Sätze gründliche
Endredaktion! - Abgabe in KM's Postfach neben Raum 3103 (Unter
den Linden 6).
41Scheine?
- Keine (benoteten) Scheine für Magister-Studierende
mit Fach Philosophie. - Unbenotete Teilnahmescheine aller Art für
Studierende anderer Haupt- oder Erstfächer oder
anderer Universitäten Regelmäßige Teilnahme an
der Vorlesung und Vorlesungsnotiz. - Für diejenigen, die Philosophie als Beifach
studieren 2 benotete SP durch mündliche Prüfung
(siehe Studienordnung).
42Vorbereitung auf die nächste Vorlesung
- Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch X