Title: Wissenschaft im Kolonialismus und in postkolonialen Verh
1Wissenschaft im Kolonialismus und in
postkolonialen Verhältnissen
- Literatur
- Beitrag aus Cultures of Natural History.
Kopiervorlage in der Vorlesungsmappe! - Jawaharlal Nehru, Writings on Science and
Technology. In The Essential Writings of
Jawaharlal Nehru, eds. S. Gopal U. Iyenagar.
Oxford 2003, Band II. Kopiervorlage in der A-2
Kursmappe! - Gyan Prakash, Another Reason. Science and the
Imagination of Modern India. Princeton 1999, S.
201-226. Kopiervorlage in der A-2 Kursmappe!
2I. Fragestellungen
- Wissenschaft im Kolonialismus NUR Eroberung und
Ausbeutung, oder AUCH kulturelle Begegnungen und
Austausch? - Wissenschaft in den ehemaligen Kolonien nach der
staatlichen Unabhängigkeit Kontinuität oder
Neubeginn? - Was macht die Universalität/Modernität des
wissenschaftlichen Wissens aus gibt es eine
andere Vernunft (Prakash)?
3III. Wissenschaft und Kolonialismus
- Hintergründe Die so genannten Entdeckungsreisen
als kulturelle Begegnungen und als Chance bzw.
Herausforderung für die Wissenschaften -
- Warum so genannt? Weil die Bezeichnung
Entdeckungsreisen NUR von einer europäischen
(bzw. eurozentrischen) Perspektive aus stimmig
sein kann.
4- Beispiele 18. Jahrhundert
- Captain James Cook (1728 - 1779) Endeavor
(1768-1771) (Reise im Auftrag der Royal Society,
u.a. zur Beobachtung des Venustransits 1769,
Exploration Australiens, Entdeckung New
Zealands - 2. und 3. Expedition Resolution Adventure
(1772-1775, 1776-1779), Exploration der
Beringstrasse und weitere Ziele im Pazifik
5(b) Expeditionen Nicolaus Joseph von Jacquins
(1727 1817) nach Westindien auf Befehl Franz
Stefans I.
6Eine der vielen exotischen Pflanzen, die im
Botanischen Garten in Wien akklimatisiert wurden
.
7Ordnungen des Wissens
Plan des Botanischen Gartens in Wien 1770
(Angelegt nach dem System von Karl Linné)
82. Beispiel (19. Jahrhundert) Charles Darwin
(1809 -1882) Reise als Naturalist
(Naturkundler) auf dem HMS 'Beagle' 1831-1836
9(No Transcript)
10(No Transcript)
11Transfer des Fremden in beiden Richtungen
Einwohner der Inselgruppe Tierra del
Fuego (gezeichnet von Beagle-Kapitain Robert
Fitzroy)
12- B. Netzwerke des Wissens
- 1. Naturgeschichte - Expeditionen und der
Transfer exotischer Pflanzen und Tiere - (z.B. Royal Botanical Gardens at Kew
Rezipient von Quinin (Heilpflanze), nach England
geschmuggelt aus Peru, Eigenschaften erforscht,
dann weiter gegeben nach Indien 1820er und
1830er Jahre) -
13Treibhäuser zur Akklimatisierung und
Erhaltung der Ausbeute. Hier Das
große Konservatorium in Chatsworth, England (1844)
14Joseph Dalton Hooker (1817 1911) auf Expedition
in den Himalayas, akzeptiert Rhododendronpfalnzen
, die in Europa bislang unbekannt waren, als
koloniale Tributzahlung (Bild von William
Taylor, 1849)
15- 2. Astronomie (Sternwarte und Himmelsbeobachtungen
in den Kolonien, z.B. Afrika und Südseeinseln,
auch Australien) Datenlieferanten, Symbole der
universalen Geltung des erworbenen Wissens, sowie
der Weltherrschaft der europäischen Mächte
werden jedoch im Laufe der Zeit zu
selbstständigen Forschungsstätten
16- C. Menschenbild und Wissenschaft
- 1. Der ideologische Kontext
- 'Maschinen als Masse des Menschen' (Michael
Adas 1989) - Technologische Errungenschaften als Ursache und
Symbol der Überlegenheit sowie der
Zivilisierungsmission des weißen Mannes.
17Beispiel Die East Indan Railway(Bild von der
Illustrated London News, 19 September 1853)
18Probleme mit der Ideologie Das
Hindu-Observatorium in Benares - ein
astrologisches Observatorium in Nordindien (seit
dem späten 18. Jahrhundert bekannt)
19- D. Andere Wege zur wissenschaftlichen Bestimmung
des Anderen Ethnologie - Robert Tylor, Researches into the Early
History of Mankind (1865) Primitive Culture
(1871) Anthropology (1892)
20Physische Homogeneität primitiver
Völker Aus E. B. Tylor, Anthropology (1892)
21Animisticher Ritus (Ebenda)
22Ein anderer Ethnologischer Zugang Portraits aus
dem Kronprinzenwerk (1870er Jahre)
23Die ethnologischen Völkerschauen Ambivalenzen
Carl Hagenbecks Bella-Coola- Völkerschau
in Leipzig 1895/96 Zunächst präsentiert als
Studienobjeckte zur Naturgeschichte des
Menschen, aber Das sind unsere Brüder.
24E. Anfänge des Wandels Eigene Netzwerke in den
Kolonien
- 1. Problemdruck Verwaltungsbeamte (und Lehrer)
NUR im Mutterland ausbilden, oder auch in den
Kolonien selbst? Gefahr der Subversion - 2. Das Beispiel Indiens
- Einführung westlicher Bildungsinstitute im
frühen 19. Jahrhundert durch Lord Macauley (mit
Vorwarnung! Government are nourishing vipers
in their bosom) - 3. Universitäten ab 1858
25- z.B. Calcutta University Transformation durch
Sir Ashutosh Mukerjee (Vizekanzler 1906-1914,
1921-1924, Ernennung von Spitzenforschern,
Einführung von Postgraduate-Kursen) - C.V. Rahman Nobelpreis für Physik 1928
26F. Kulturelle Hybridisierung
z.B. Jagadish Chandra Bose (1858-1937)
Physiker und Pflanzenphysiologe, Studium in
Cambridge und London, Professor am Presidency
College, Calcutta seit 1885
27- Erste Verwendung von Kurzwellen zum Empfang von
Radiosignalen 1894 - International beachtete Forschungen über die
Bewegung von Fluida in Pflanzen und Tieren (mit
dem eigens entwickelten Messinstrument
Crescograph) - die er allerdings als Nachweis der Beseelung
dieser Lebewesen bzw. der ultimate unity which
permeates in the universal order and cuts across
animal, plant and inanimate lives verstand.
28IV. Wissenschaft und Wissenschaftspolitik nach
dem Kolonialismus
- A. Die grundsätzliche wirtschafts- und
wissenschaftspolitische Herausforderung (bereits
seit der Unabhängigkeit der Länder Lateinamerikas
im 19. Jahrhundert sichtbar, seitdem immer
wieder) Development und Modernisierung auf
eigenem Wege versus weitere Abhängigkeit von den
(kolonialen) Zentren bzw. (Selbst-)
Instrumentalisierung der dort ausgebildeten
Modernen Fachleute im Dienste imperialer
Projekte
29B. Das Beispiel Indiens (Unabhängigkeit 1947)
Gandhi versus Nehru
- Mohandas Karamchand Gandhi (1869-1948)
- Jus-Studium in London ab 1888
- Prominenter Advocat des Swaraj (Unabhänigkeit)
Indiens von Großbritannien - 1. Vorsitzender des
Indian National Congress 1921 - Satyagraha (gewaltfreier Widerstand)
- Salzmarsch 1931
- Quit India-Bewegung 1942
30Die Position Gandhis zum Thema Science and
Modernity
- KEIN Gegner der (Natur)wissenschaft an sich, sehr
wohl aber des Gebrauchs von ihr zur Sicherung der
Imperialmacht. - Indien muss eines eigenen Weges gehen If India
copies England, it is my firm conviction that she
will be ruined Civilisation is not an incurable
disease, but it should never be forgotten that
the English people are at present afflicted by
it.
312. Jawaharlal Nehru (1889-1964)
- Sohn des wohlhabenden Anwalts und Politikers
Motilal Nehru - Schulbildung u.a. in Harrow, Studium in Cambridge
(Biologie!) und London (Jus) - Seit 1917 Privatsekretär Gandhis
- Seit 1930 Vorsitzender der Indian Congress Party
- Erster Premierminister (und Außenminister) des
unabhängigen Indien (1947-1964) - Gründer der Bewegung der nicht eingebundenen
Länder (Non-Aligned Nations) als Alternative im
Kalten Krieg
32Der Standpunkt Nehrus Uneingeschränkte
Modernisierung, aber auf indischem Wege
- Bereits 1937, Botschaft zum Indian Science
Congress Science is not only a pleasant
diversion and abstraction, but of the very
texture of life, without which our modern world
would vanish awayIt is science alone that could
solve these problems of hunger and poverty, of
insanitation and illiteracy, of superstition and
deadening custom and tradition, of vast resources
running to waste, of a rich country inhabited by
starving people If science is the dominating
factor in modern life, then the social system and
economic strucutre must fit in with science or it
is doomed.
33- Vor derselben Körperschaft, 1947 Surely,
science is not merely an individuals search for
truth. It is something infinitely more than that
if it works for the community. Ist objective must
be to remove the ills of the community. It must
have a social objective before it. - Ebenfalls vor dem Indian Science Congress, 1949
I have come to think that quality is far more
important than quantity in scientific knowledge.
It is true that out of quantity comes quality, or
the opportunity comes if the masses of India have
sufficient opportunities for their
trainingGiving them the opportunity is where
quantity comes in, but if were content with
quantity only then I fear we will remain
secondary in the field of science.
34- 3. Eine indische Antwort mit langfristiger
Wirkung die IITs (Indian Institutes of
Technology) - mehrere Standorte und Konzepte,
Unterstützung aus verschiedenen Ländern - Kharangpur, nahe Calcutta (1951), Campus in einem
ehem. Lager für politische Gefangene - Bombay (heute Mumbai) (1958), mit Unterstützung
der UNESCO und der Sowjetunion - Madras (heute Chenmai) (1959), mit Unterstützung
der Bundesrepublik Deutschland - Kanpur (1959), mit Unterstützung amerikanischer
Hochschulgruppen - Delhi 1961
35V. Gibt es eine andere Vernunft?
- Die beeindruckende offene Frage, bis heute Was
bedeutet die Persistenz (und erstaunlicher
Wandlungsfähigkeit) traditioneller Sichtweisen
NEBEN (oder gar als Teil?) der globalen
Hypermodernität, insbesondere, wenn nicht nur, in
alten Kulturen (wie Indien)? Ungleichzeitigkeiten
in der Gleichzeitigkeit, letzte Reste, die bald
beseitigt werden, oder gegenseitige Anpassungen -
Erhaltung traditionellen Wissens als Desiderat
des Westens?
36- B. Postmoderne Wissenschaft oder multiple
Modernities? - Gyan Prakash Ganhis critique of modernity was
not a nativist rejection of the West, but an
ideological work of profound significance, for it
was in formulating his opposition to the modern
West that he outlined his vision of the nation.
India, for him, meant its villages, not its
cities and factoriesThe world of the modern
state, industry, railways, doctors and lawyers
represented conflicts and competition, and was
alien to Indias tradition. The vilage
communites, on the other hand, stood for harmony
and love.His was an an attempt to seize the
space brought into view by colonial modernity and
provide it with an alternative ethical
significance. - J. C. Bose (Ansprache 1911) While the West
was known to compartmentalize knowledge, the
Eastern aim has been the opposite, namely that in
the multiplicity of phenomena we never miss their
underlying unity.