Title: Akteure I: Staaten
1Akteure I Staaten
Einführung in die Internationale Politik
- Die Entwicklung der Vorstellung vom Nationalstaat
als Hauptakteur der internationalen Politik
2Der Staat als Akteur internationaler Politik
3- Die internationale Politik ist die Resultante der
Interaktionen der Nationalstaaten, wobei diese
sowohl als Handlungsträger wie auch als Ziele der
Handlungen der Staaten auftreten. - Jeder Nationalstaat beansprucht den Status
souveränder Gleichheit mit allen anderen. - Nationalstaaten sind voneinander unabhängig,
deutlich voneinander unterscheidbar und keiner
übergeordneten (Zwangs-)Gewalt unterworfen.?
Anarchie - Jeder Nationalstaat wird so behandelt, als bilde
er ein homogenes politisches System, in dem eine
Zentralregierung über das Monopol legitimer
physischer Gewaltsamkeit verfügt.
4- Nationalstaaten üben die ausschließliche Gewalt
über ein definierbares Territorium (Staatsgebiet)
und eine definierbare Anzahl von Staatsbürgern
(Staatsvolk) aus die Erdoberfläche ist in sauber
abgegrenzte politische Einheiten aufgeteilt. Erst
diese in den völkerrechtlichen Prinzipien der
Souveränität und des Verbots der Einmischung in
die inneren Angelegenheiten anderer sich
spiegelnde monopolartige Verfügungsgewalt des
Nationalstaates über einen bestimmten Teil der
Erdoberfläche gestattet es, zwischen Außen- und
Innenpolitik begrifflich zu trennen und als
Außenpolitik solche Transaktionen zu verstehen,
die die territorialen Grenzen des Staates nach
außen überschreiten. - Die außenpolitischen Entscheidungsträger des
Staates sind die allein legitimierten Akteure der
internationalen Politik alle anderen
innerstaatlichen gesellschaftlichen Akteure
können ihre weltpolitischen Interessen nur auf
dem Weg über die jeweilige nationale Regierung
zur Geltung bringen. Souveräner Status und
Verfügung über das Gewaltmonopol verleihen dem
Staat zugleich den Anspruch, die seine Grenzen
überschreitenden Handlungen seiner Kontrolle
unterwerfen zu können. - Nationalstaaten sind die weltlichen Bezugspunkte,
auf die hin sich die Gruppenloyalitäten des
Einzelnen letztlich orientieren und mit denen er
sich vor allem in der Auseinandersetzung mit
Angehörigen anderer Staaten identifiziert.
5Der neuzeitliche Territorialstaat Substrat des
realistischen Billard-Ball-Modells der
internationalen Politik
Prämisse Legitimation des Staates durch
Garantie von Sicherheit und Rechtsfrieden im
Binnen- und Schutz vor (militärischen) Angriffen
im Außenverhältnis
Faktoren des Wandels Entwicklung der
Produktivkräfte und der Destruktionsmittel
mittelalterlicher Ausgangspunkt
Mauergeschützte Undurchdringbarkeit
Schiesspulverrevolution des späten Mittelalters
Entwicklung der Artillerie und der Distanzwaffen
Flächenstaat harte Schale von Festungen rings um
die Peripherie bei gleichzeitiger Aufhebung der
Unabhängigkeit befestigter Plätze im Landesinnern
durch die Zentralgewalt
Moderner Staat Im Inneren befriedete und nach
aussen durch ihre harte Schale
verteidigungsfähige Einheit mit (physischem)
Gewaltmonopol
militärisch-politisch-rechtlich abgestützte
Undurchdringbarkeit
5
6Kennlinien im Verhältnis Staat-Frieden Frühe
Neuzeit
Landfrieden Delegitimierung der Fehde als
Mittel zur Durchsetzung individueller
Rechtsansprüche
Territorialstaatsbildung
Formalisierung/Institutionalisierung/Professionali
sierung von Rechtsprechung und Verwaltung
Ablösung der Ritterheere durch Söldner
Verkehrssicherheit Schutz vor Übergriffen
ermöglicht rationale Kalkulation der Risiken des
Fernhandels
Ausbildung stehender Heere
Ausbildung staatlicher Gewaltmonopole,
Verfestigung der Grenzen und Trennung von
innen/aussen ( ca. 1600)
Rechtssicherheit Berechenbarkeit des
Wirtschaftshandelns im einheitlichen Raum
Innere Sicherheit
Äußere Sicherheit
7Innere Sicherheit
Äußere Sicherheit
- Potentia externa contra hostem externum
- Inter nationes als assecuratio pacis im sich
ausbildenden Gleichgewichtssystem
Securitas publica/potentia domestica contra
seditiones, conspirationes, rebelliones civium
Schutz von Leben und Eigentum durch öffentliche
Ordnung
Schutz von Leben und Eigentum durch
zwischenstaatliche Abschreckung und Gewalt
(anwendungsbereitschaft)
8Ausbildung der europazentrischen
Staatengesellschaft
- Prozess des Wandels der horizontal geschichteten
europäischen Feudalgesellschaft zum vertikal
segmentierten System von Territorialstaaten in
Europa - Prozess des Wandels von auf persönlichen
Treuebeziehungen gegründeter Herrschaft (?
Personenverbandsstaat) zur territorial
radizierten Herrschaft
9Lehenspyramide des Mittelalters
Geistliche Fürsten
Weltliche Fürsten
Grafen und Freiherren
Ministeriale
Dienstmannen
Sonstige Hörige
Herrscher über ein Territorium
Neuzeit
Untertanen
10(No Transcript)
11Literaturempfehlung
- Hagen Schulze Staat und Nation in der
europäischen Geschichte. München Beck 1994. - Thomas Ertman Birth of the Leviathan. Building
States and Regimes in Medieval and Early Modern
Europe. Cambridge C.U.P. 1997. - Wolfgang Reinhard Geschichte der Staatsgewalt.
Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas
von den Anfängen bis zur Gegenwart. München Beck
1999. - Hans Fenske Der moderne Verfassungsstaat. Eine
vergleichende Geschichte von der Entstehung bis
zum 20. Jahrhundert. Paderborn Schöningh 2001.
12Staatsräson
Mittelalter Verpflichtung der Politik auf das
Gemeinwohl und das Recht
Frühe Neuzeit Verpflichtung der Politik auf die
Selbstbehauptung des modernen,
anstaltlich-zentralistisch organisierten,
souveränen Territorialstaats
theoretischer und legitimatorischer Bezugspunkt
für folgende Entwicklungen
Innenverhältnis
Aussenverhältnis
13(No Transcript)
14Literaturempfehlung
- Herfried Münkler Im Namen des Staates. Die
Begründung der Staatsraison in der Frühen
Neuzeit. Frankfurt/Main S. Fischer 1987.
15Realistische Prämisse
- Die Staaten sind die einzigen bedeutenden Akteure
der internationalen Beziehungen. Zu erforschen
sind daher ihre Motive und Verhaltensweisen oder
genauer die Motive und Verhaltensweisen der sie
nach außen vertretenden politischen
Entscheidungsträger. Anderen internationalen
Akteuren kommt allein in ihrer Funktion als
Mittel, Agenten oder Auftragnehmer der Staaten
Bedeutung zu. - Internationale Beziehungen sind das Ergebnis
einzelstaatlicher außenpolitischen (Inter-)
Aktionen, die das Ziel der Erhaltung der in
Kategorien militärischer Macht sowie
territorialer und/oder weltanschaulicher
Herrschaft definierten nationalen Sicherheit
(sog. high politics) verfolgen. Andere Ziele
werden als low politics definiert und belegen
im Ziel- und Wertinventar der Staaten einen
nachrangigen Stellenwert.
16High Politics/Low Politics
17Realistische Prämisse
- Die internationalen Beziehungen sind ein
Nullsummenspiel der (Macht- und Status-) Gewinn
eines Akteurs im internationalen System geht zu
Lasten eines/mehrerer/aller anderen Mitspieler.
Der Austragungsmodus des Spiels ist der Konflikt
(militärische) Gewalt dient latent oder offen als
Konfliktentscheidungsmittel. - Internationaler Einfluss resultiert aus dem
Einsatz von oder der Drohung mit dem Einsatz von
Macht, definiert als aktuelle oder potentielle
militärische und/oder wirtschaftliche
Handlungsbefähigung.
18Kennchiffren des politischen Realismus
Menschenbild Der Mensch ist eingebunden in die Widersprüche von Norm und Realität, von schöpferischer und zerstörerischer Verwirklichungsmöglichkeiten der Freiheit. Aus diesen Widersprüchen resultiert Angst, aus der Angst der Versuch, durch Machterwerb Sicherheit zu gewinnen.
Erkenntnisinteresse Bewahrung des Weltfriedens durch Einsicht in die Lehren der Vergangenheit und deren Nutzung zur Lösung der Probleme der Gegenwart.
Fragestellung Welche vergleichbaren, typischen Bedingungen, Formen, Treibkräfte bestimmen die Beziehungen zwischen Staaten? Oder Wie ist internationale Politik tatsächlich beschaffen?
Gegenstand Offenes, multipolares Staatensystem ohne zentrale Entscheidungs- oder Sanktionsinstanz
Hauptakteure der internationalen Politik Souveräne Nationalstaaten
Handlungsprämissen Analogie zum vorgesellschaftsvertraglichen Naturzustand mangels einer den einzelstaatlichen Souveränen übergeordneten Zwangsgewalt befindet sich die Staatenwelt im Zustand internationaler Anarchie
19Handlungsziele Sicherung der staatlichen Eigenentwicklung und Durchsetzung des Nationalinteresses in einer dem Grunde nach feindlichen Umwelt Stabilisierung des inter-nationalen Staatensystems.
Typische Mittel zur Verwirklichung der Ziele Erwerb, Erhalt, Vermehrung, Demonstration von Macht Sicherheits-, Bündnis- und Gleichgewichtspolitik Notfalls militärische Selbsthilfe oder Gewaltanwendung
Handlungsmilieu Zersplittertes Milieu der Staatenwelt. Strukturprinzip vertikale Segmentierung
Charakteristikum der internationalen Politik Nullsummenspiel Die Gesamtmenge der im internationalen Staatensystem verteilbaren Güter (Macht, Ressourcen, Einfluss) bleibt in aller Regel unverändert in der Staatenkonkurrenz geht der Güterzuwachs eines Akteurs immer zu Lasten anderer
20Kennlinien des klassischen Realismus
Ideengeschichtliche Quellen
- Historischer Hintergrund
- Radizierung von Herrschaft
- Genese der friedens- und sicherheitsstiftenden
Funktion des Territorialstaats - Trennung von Innen und Aussen
- Entstehung des europäischen Staatensystems seit
1648/1713
Machiavelli
Entwicklung des Staatsräsongedankes als
legitimatorischer Bezugspunkt für die
Selbstbehauptung des modernen Territorialstaats.
Hobbes
Überwindung des innergesellschaftlichen
Naturzustands durch die gesellschaftsvertragliche
Begründung des Leviathan
Legitimation von Herrschaft als Garant einer
territorial abgegrenzten sicherheitsgemeinschaftli
chen Schutzzone Basis der Souveränitätsanspruchs
Freisetzung des Naturzustands-Konzepts zur
Charakterisierung der Beziehung zwischen solchen
Schutzzonen (d.h. souveränen Staaten)
Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der
internationalen Politik
21Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der
internationalen Politik
Sytemebene
Akteursebene
- anarchische Struktur
- Sicherheitsdilemma Erhöhung der eigenen
Sicherheit durch Stärkung militärischer
Fähigkeiten verringert die Sicherheit anderer
Folge spiralenförmiger Rüstungswettlauf - Gleichgewicht der Mächte durch Abschreckung
- Internationale Politik als Nullsummenspiel
staatlicher Akteure um Macht, Ressourcen, Einfluss
- exklusiver Handlungsanspruch der Akteure im
Bereich der high politics - Territorialität Schutzfunktion der harten
Schale - zweckrationales, nutzenmaximierendes
/nutzen-optimierendes Handeln - Prinzip der (notfalls militärischen) Selbsthilfe
bei der Durchsetzung von Interessen
22Inhaltlich-perspektivische Differenzen von
klassischem Realismus und Neorealismus
Gemeinsame Prämisse Verhalten von Staaten über
Zeit und Raum zeigt mehr Gemeinsamkeiten als
Unterschiede
Neorealismus
Realismus
Dominanz des internationalen Systems
Dominanz des Akteurs
Akteursverhalten bestimmt durch systemische
Grundannahme strukturelle Anarchie
Akteursverhalten bestimmt durch
anthropozentrische Grundannahme Machtstreben
Struktur des Systems (Verteilung der Macht unter
den Akteuren) bestimmt das Interaktionsverhalten
der Akteure und die Verhaltensergebnisse (
top-down-view)
Charakteristische Eigenschaften,
Situationsdefinitionen und Zielsetzungen der
Akteure eines Systems bestimmen dessen
Verhaltensergebnisse (bottom-up-view)
23Realismus
Neorealismus
Primat des in Kategorien von Macht definierten
Nationalinteresses
Primat der Sicherheit
Erwerb, Vermehrung, Demonstration von Macht als
Zweck der Aussenpolitik des Akteurs
Selbsthilfe
Verteidigung der Akteursposition im System
relativ zu den Positionen anderer Akteure
Maximierung von Macht als absoluter Gewinn im
Nullsummenspiel der Akteure
Sicherung der nationalen Souveränität als
Voraussetzung des Überlebens des Akteurs in einer
feindlichen Umwelt
Herstellung und Sicherung des Gleichgewichts im
System als Voraussetzung des Überlebens der
Akteure unter Anarchie
24Der neuzeitliche Territorialstaat Substrat des
realistischen Billard-Ball-Modells der
internationalen Politik
Prämisse Legitimation des Staates durch
Garantie von Sicherheit und Rechtsfrieden im
Binnen- und Schutz vor (militärischen) Angriffen
im Außenverhältnis
Faktoren des Wandels Entwicklung der
Produktivkräfte und der Destruktionsmittel
mittelalterlicher Ausgangspunkt
Mauergeschützte Undurchdringbarkeit
Schiesspulverrevolution des späten Mittelalters
Entwicklung der Artillerie und der Distanzwaffen
Flächenstaat harte Schale von Festungen rings um
die Peripherie bei gleichzeitiger Aufhebung der
Unabhängigkeit befestigter Plätze im Landesinnern
durch die Zentralgewalt
Moderner Staat Im Inneren befriedete und nach
aussen durch ihre harte Schale
verteidigungsfähige Einheit mit (physischem)
Gewaltmonopol
militärisch-politisch-rechtlich abgestützte
Undurchdringbarkeit
24
25militärisch-politisch-rechtlich abgestützte
Undurchdringbarkeit
Industriewirtschaftliche Dynamik
Durchdringbarkeit
funktionale Interdependenz
transnationale Vernetzung
Globalisierung
Ausdifferenzierung der internationalen Arbeitsteilung
grenzüberschreitende Umweltprobleme und deren Sekundärwirkungen
Intensivierung sozialer und kultureller Wirkkräfte durch gesellschaftlichen Wandel
Ersatz fordistischer durch post-fordistische Akkumulationsweise
26Addendum I Die Verdichtung des
Staat-Krieg-Konnexes
Herrscher streben nach Absicherung und Stärkung
ihrer Machtbasis mit Blick auf potentielle
Herausforderungen und tatsächliche Bedrohungen
durch Rivalen und/oder Gegner.
(funktionale) Notwendigkeit der Organisation und
Zentralisation der Kriegführung
Druck zur Durchsetzung von Teilhabe an
herrschaftlichen, später an Regie-rungs-Entscheidu
ngen. No taxation without representation!
Aneignung gesellschaftlicher Ressourcen zur
Kriegführung Männer, Waffen, Verpflegung,
Geldmittel, andere materielle und immaterielle
Güter
Die mächtigsten Gesellschaftsmitglieder und/ oder
deren Zusammenschlüsse werden als erste aktiv
ökonomisch bedeutsame Schichten folgen
Schaffung und Ausbau des Macht- und
Verwaltungsapparats im Zuge der Zeit aufgrund
gesellschaftlichen, ökonomischen und technischen
Wandels ausdifferenziert
27Befriedung des Territoriums Durchsetzung von
Rechts- und Verkehrswegesicherheit
Schutzgewährung und Kriegführung
Ausbildung des Repräsentationsprinzips und
Aufwuchs repräsentativer Institutionen
Moderner Staat
Staatensystem Konkurrenz unabhängiger
souve-räner Staaten Aufwuchs des
Sicherheitsdilemmas
28Addendum II Die Vorstellung von der
Staatsperson unterschiedliche
ideengeschichtliche Wurzeln
Bodin, Hobbes Fürstensouveränität Verschmelzung der abstrakten Staats- und realen Herrscherperson Unterwerfungsvertrag konstituiert den Staat als eine Person, deren Wille vermöge des Vertrages mehrerer Menschen als ihrer aller Wille gilt Herrscher symbolisiert allein die Staatsperson als Ausdruck politischer Willenseinheit und territorialstaatlicher Einheit Althusius Volkssouveränität Gesellschaftsvertrag Staat als kollektive Persönlichkeit Societas civilis, der der Herrscher als Regierung gegenübertritt Deutscher Idealismus Verpflichtende (sittliche) Idee Rechtfertigung des Staates im Gedanken und durch den Gedanken Staat als eigentümlicher geistiger Wert bewußte Unterordnung des Herrschers unter den Rechts-staat als Verkörperung der sittlichen Idee Historische Rechtsschule genossenschaftlicher Gesellschaftsbegriff Gesellschaftsvertrag erzeugt korporative Rechtsverhältnisse und genossenschaftlich verfasste Gesellschaft Verschmelzung der Individual-sphären zu einer Gemeinsphäre begründet Staat als societas perfectissima oder Verbandsperson real existierender Organismus, dessen Wille im gegenseitigen Zusammenwirken von Organen gebildet wird handelt im Aus-senverhältnis als (einheitliche) Verbandsperson
Basis personensouveränitätsrechtliche Konzepte
Ergebnis Staatssouveränitätskonzepte
29 SCHÖNEN ABEND NOCH