Title: Neue Politische
1Neue Politische Ökonomie Direkte vs.
repräsentative DemokratieVorlesung an der
Ruprecht-Karls-Universität HeidelbergSS 2008
- Prof. Dr. Lars P. FeldRuprecht-Karls-Universität
Heidelberg, ZEW Mannheim, Universität St. Gallen
(SIAW-HSG), CREMA Basel und CESifo München
Pol. Ökonomie
2Direkte vs. repräsentative Demokratie Aufbau
der Vorlesung
- Einleitung Zwei Beispiele
- Die Struktur der direkten Demokratie in der
Schweiz - Information vs. Kontrolle
- Die Effizienz der direkten Demokratie
- Zusammenfassung
Aufbau der VL
3Zwei Beispiele I
- Abstimmung über die Verfassungsinitiative zur
Abschaffung der Armee am 29.11.1989 - Ablehnung, aber 35.6 Prozent der Abstimmenden
entschieden sich für die Abschaffung (bei einer
Beteiligung von 69.2 Prozent). - Abstimmung über die Verfassungsinitiative zur
Wahrung der Volksrechte und der Sicherheit beim
Bau und Betrieb von Atomanlagen am 19. Februar
1979 - Ablehnung mit einer Mehrheit von 51.2 Prozent
(bei einer Beteiligung von 50 Prozent)
Zwei Beispiele
4Zwei Beispiele II
- Trotz Ablehnung hatten beide Initiativen
erheblichen Einfluss auf die weitere politische
Entwicklung in der Schweiz. - ? Veränderung des politischen Prozesses durch den
Übergang von der repräsentativen zur direkten
Demokratie, bezüglich - des politischen Diskurses
- der wirtschaftlichen Ergebnisse
Zwei Beispiele
5Vorwürfe gegen die direkte Demokratie
- Unzureichende kognitive Fähigkeiten d. Bürger
- Langsamkeit Entscheidungskosten
- Übermäßiger Einfluss von Interessengruppen
- Diktatur der Mehrheit Ja/Nein-Entscheidung
- Unstetigkeit
- Unvereinbarkeit mit internationalem Recht
- Mangelnde politische Führung
Vorwürfe gg. direkte Demokratie
6Vorbemerkungen
- Keine Beurteilung nach dem Ausgang einzel-ner
Entscheidungen Erwartete durchschnitt-liche
Qualität der Entscheidungen. - Faktische Bevorzugung des Status Quo gegen-über
neuen Lösungen Keine Beurteilung auf-grund einer
augenblicklichen Interessenlage. - Kein Nirvana-Ansatz Vergleich der tatsächli-chen
Situation in repräsentativen Demokra-tien mit
derjenigen in direkten Demokratien.
Vorbemerkungen
7Die Struktur der direkten Demokratie I
- Die Bundesebene
- Das obligatorische Verfassungsreferendum (1848)
- Volksinitiative auf Totalrevision der Verfassung
(1848) - Das fakultative Gesetzesreferendum (1874)
- Volksinitiative auf Teilrevision der Verfassung
(1891) - Das fakultative Staatsvertragsreferendum (1921)
- Das obligatorische Referendum für dingliche,
allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse ohne
Verfassungsgrundlage (1949) - Das obligatorische Referendum für den Beitritt zu
internationalen Organisationen (1977)
Struktur der direkten Demokratie
8Die Struktur der direkten Demokratie II
- Die Kantonsebene
- Die Landsgemeinde (Appenzell Innerhoden, Glarus)
- Das obligatorische Verfassungsreferendum
- Die Volksinitiative auf Teilrevision der
Verfassung - Die Gesetzesinitiative
- Das Gesetzesreferendum
- Das Verwaltungsreferendum
- Das Finanzreferendum
Struktur der direkten Demokratie
9(No Transcript)
10(No Transcript)
11(No Transcript)
12(No Transcript)
13(No Transcript)
14Information vs. Kontrolle I
- Der Vorwurf Die Bürger sind über die zur
Entscheidung anstehenden Fragen nicht wirklich
informiert und daher nicht in der Lage,
kompetente Entscheidungen zu treffen. - Der rationale Ignorant
- Demokratie braucht informierte Entscheidungsträger
. - Einzelner Stimmbürger hat keinen Einfluss und
deshalb auch keinen Anreiz, sich umfassend zu
informieren. - Senkung der Informationskosten durch Delegation
und repräsentative Demokratie.
Information vs. Kontrolle
15Information vs. Kontrolle II
- Informationsprobleme
- Es wird mehr Information benötigt als in der
repräsenta-tiven Demokratie (Abstimmung über
einzelne Gesetze) - Geringere Rolle der Parteien und grössere Rolle
der (Parolen der) Interessengruppen. - Politischer Diskurs mit Erörterung im Vergleich
zu Alternativen und Abhängigkeit der Intensität
des Diskurses von der Wichtigkeit des Problems
sowie Beteiligung von Organisationen und von
Einzelpersonen - Ideologie reicht nicht aus, Sachfragen zu
entscheiden.
Information vs. Kontrolle
16Information vs. Kontrolle III
- Repräsentative Demokratie
- Entscheidung durch Spezialisten
(Interessengruppenvertreter) in Ausschüssen - einfache Abgeordnete kaum informiert
(Fraktionszwang)Bevölkerung kaum informiert
(Maastricht-Vertrag Euro) - Direkte Demokratie
- Entscheidung nicht nur durch Spezialisten,
sondern auch durch die Bürger - einfache Abgeordnete auch informiert
- Bevölkerung besser informiert
Information vs. Kontrolle
17Information vs. Kontrolle IV
- Vorteil der direkten Demokratie Kontrolle der
Repräsentanten
Information vs. Kontrolle
18Information vs. Kontrolle V
- Wirkungsweise eines Finanzreferendums
- q status quo
- Ev Ausgabenpräferenz des Medianwählers
- EG Ausgabenpräferenz der Regierung
- xG Ausgaben in der repräsentativen Demokratie
- xm Ausgaben bei obligatorischem Finanzreferendum
- C Kosten des Unterschriftensammelns.
- xo Ausgaben bei fakultativem Finanzreferendum
- Bottom up dominiert top down.
Information vs. Kontrolle
19Die Effizienz der direkten Demokratie I
- Struktur der Staatsausgaben (Pommerehne (1978))
- Die Staatsausgaben entsprechen in Gemeinden mit
direkter Demokratie in Budgetfragen ceteris
paribus eher den Präferenzen der Bürger als in
den übrigen Gemeinden. - USA Gerber (1999) findet Präferenzentsprechung
für spezifische Politiken. - Wachstum der Staatsausgaben (Pommerehne und
Schneider (1983)) - Das Wachstum der Staatsausgaben lag zwischen 1965
und 1975 in Gemeinden mit direkter Demokratie in
Budgetfragen ceteris paribus um knapp drei
Prozent unter dem Wachstum in den übrigen
Gemeinden.
Effizienz der direkten Demokratie
20Die Effizienz der direkten Demokratie II
- Höhe der Staatsausgaben (Matsusaka (1995), Feld
und Matsusaka (2001), Feld und Kirchgässner
(2001)) - Die Staatsausgaben pro Kopf in Kantonen
(U.S.-Staaten) und in Gemeinden mit
Finanzreferendum (Initiative) sind ceteris
paribus niedriger als in den übrigen Kantonen/
Gemeinden. - Umgekehrt in den USA vor dem Zweiten Weltkrieg
bei Initiativen (Matsusaka (2000)) - Staatseinnahmen (Matsusaka (1995), Feld und
Kirchgässner (2001)) - Die Einnahmen pro Kopf sind in Kantonen (Staaten)
und Gemeinden mit Finanzreferendum (Initiative)
ceteris paribus niedriger als in den übrigen
Kantonen und Gemeinden.
Effizienz der direkten Demokratie
21Effizienz der direkten Demokratie
22Die Effizienz der direkten Demokratie IV
- Struktur der Staatseinnahmen (Matsusaka (1995),
Feld und Matsusaka (2001)) - Die Einnahmen aus (direkten) Steuern und aus
Gebühren und Beiträgen pro Kopf sind in Kantonen
(U.S.-Bundesstaaten) mit Finanzreferendum
(Initiative) ceteris paribus niedriger als in
den übrigen Kantonen (Staaten), wobei der Effekt
auf die Steuereinnahmen grösser ist. - Staatsschuld (Kiewiet und Szakaly (1996), Feld
und Kirchgässner (1999, 2001, 2001a)) - Die (kommunale) Staatsschuld pro Kopf ist in den
Städten (U.S.-Bundesstaaten) mit Budgetreferendum
(um 4500.-- Sfr bzw. 24 Prozent) niedriger als in
den übrigen Gemeinden (Staaten).
Effizienz der direkten Demokratie
23Effizienz der direkten Demokratie
24Die Effizienz der direkten Demokratie V
- Effizienz der öffentlichen Verwaltung (Pommerehne
(1983)) - Die durchschnittlichen Kosten für die Müllabfuhr
liegen in Gemeinden mit direkter Demokratie
ceteris paribus um 20 Prozent unter jenen in
Gemeinden mit repräsentativer Demokratie. - Identifikation mit dem politischen System
(Pommereh-ne und Weck-Hannemann (1996), Feld und
Frey (2002)) - In Kantonen, in denen die Bürger weitgehend über
das Budget mitentscheiden können, wird der
Steuerbehörde pro Steuerpflichtigem und Jahr
ceteris paribus rund 1500.-- Sfr weniger an
Einkommen verheimlicht.
Effizienz der direkten Demokratie
25Die Effizienz der direkten Demokratie VI
- Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger (Frey
und Stutzer (2000, 2002)) - Je stärker ausgebaut die direkten Volksrechte
sind, desto zufriedener mit ihren Lebensumständen
äussern sich die Bürgerinnen und Bürger in einer
Umfrage. - Wirtschaftskraft (Feld und Savioz (1997), Freitag
und Vatter (2000), Blomberg und Hess (2003)) - Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist in den
Kantonen (U.S.-Bundesstaaten) mit Referenden über
Budgetfragen (Initiative) etwa 5 (15) Prozent
höher als in den übrigen Kantonen.
Effizienz der direkten Demokratie
26Effizienz der direkten Demokratie
27Zusammenfassung I
- Die systematischen Untersuchungen über die
direkte Demokratie in der Schweiz und in den USA
zeigen ihre Effizienz. Die direkte Demokratie
führt zu - Geringeren Staatsausgaben,
- Geringerer Staatsschuld,
- Effizienterer Verwaltung,
- Höherem Wohlstand,
- Stärkerer Identifikation der Bürger mit ihrem
Gemeinwesen, - Höherer Zufriedenheit.
Zusammenfassung
28Zusammenfassung II
- Zitat aus dem Economist (21.12.96)
- ... the next big change in human affairs will
probably not be a matter of economics, or
electronics, or military science it will be a
change in the supposedly humdrum world of
politics. The coming century could see, at last,
the full flowering of the idea of democracy. The
democratic system of politics, ..., may in the
21st century realise that it has so far been
living, for understandable reasons, in a state of
arrested development, but that those reasons no
longer apply and so democracy could set about
completing its growth. ... The machinery by which
this is done is the referendum, a vote of the
whole people. If democracy means rule by the
people, democracy by referendum is a great deal
closer to the original idea than the
every-few-years voting which is all that most
countries have.
Zusammenfassung
29Literatur I
- Blomberg, S.B. and Hess, G.D. (2003), Is the
Political Business Cycle for Real?, Journal of
Public Economics 87, pp. 1091 1121. - Feld, L. P. and B. S. Frey (2002). Trust Breeds
Trust How Taxpayers Are Treated, Economics of
Governance 3, pp. 87-99. - Feld, L. P. and Kirchgässner, G. (1999), Public
Debt and Budgetary Procedures Top Down or Bottom
Up? Some Evidence from Swiss Municipalities,
Fiscal institutions and fiscal performance, pp.
151-79. - Feld, L. P. and Kirchgässner, G. (2001a), Does
Direct Democracy Reduce Public Debt? Some
Evidence from Swiss Municipalities, Public
Choice 109 (3-4), pp. 347-70. - Feld, L. P. and Kirchgässner, G. (2001), Income
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Switzerland, Journal of Public Economics 31, pp.
181-213. - Feld, L.P. and Matsusaka, J.G. (2001), Budget
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Southern California. - Feld, L. P. and Savioz, M. R. (1997), Direct
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Empirical Investigation, Kyklos 50 (4), pp.
507-38. - Freitag, M. und Vatter, A. (2001), Direkte
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Ein Vergleich der Schweizer Kantone,
Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft
und Statistik 136 (4), pp. 579-606. - Frey, B. S. and Stutzer, A. (2000), Happiness
Prospers in Democracy, Journal of Happiness
Studies 1, pp. 79-102.
Literatur
30Literatur II
- Frey, B. S. and Stutzer, A. (2002), Happiness and
Economics How the Economy and Institutions
Affect Human Well-Being, Princeton University
Press, Princeton. - Gerber, E. R. (1999), The Populist Paradox
Interest Group Influence and the Promise of
Direct Legislation, Princeton Princeton
University Press. - Kiewiet, D. R. and Szakaly, K. (1996),
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Analysis of State Bonded Indebtedness, Journal
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62-97. - Matsusaka, J. G. (1995), Fiscal Effects of the
Voter Initiative Evidence from the Last 30
Years, Journal of Political Economy 103 (3), pp.
587-623. - Matsusaka, J. G. (2000), Fiscal effects of the
voter initiative in the first half of the
twentieth century, Journal of Law and Economics
43, pp. 619-650. - Pommerehne, W. W. (1978), Institutional
Approaches to Public Expenditures Empirical
Evidence From Swiss Municipalities, Journal of
Public Economics 9, pp. 163-201 - Pommerehne, W. W.(1983). Private versus
öffentliche Müllabfuhr nochmals betrachtet,
Finanzarchiv 41, pp. 466-475. - Pommerehne, W. W. and Schneider, F. (1983), Does
Government in a Representative Democracy Follow a
Majority of Voters Preferences? An Empirical
Examination, in Horst Hanusch, ed., Anatomy of
Government Deficiencies, Berlin Springer, pp.
61-84. - Pommerehne, W.W. and Weck-Hannemann, H. (1996).
Tax Rates, Tax Administration and Income Tax
Evasion in Switzerland, Public Choice 88, pp.
161170.
Literatur