Title: Spezielle Religionsgeschichte: Hindu-Religionen
1Spezielle ReligionsgeschichteHindu-Religionen
2Hinduismus Begriff
- Sindhu Sanskrit bezeichnet Fluss Indus (von
griechisch Indos) und Gebiet - Hindu persisch der Fluss Indus sowie Pl.
Leute am Indus, 5. Jh.v.u.Z. - Al Hind/ Hindus von Arabern übernommen für Land
und Bevölkerung am Indus, gleichbedeutend mit
Nicht-Muslime, 8.Jh. - Hindu Inder
3Hinduismus Begriff
- Hindu übernommen von Engländern
geographisch-ethnischer Begriff wird allmählich
zu Religionsbezeichnung - Negativ-Begriff
Nicht-Muslim, -Christ etc., 18. Jh. (vgl. Hindu
Marriage Act 1955) - Hindu unterschieden von Inder
- Hinduism und sanatana dharma,19. Jh.
4Hinduismus Begriff
- Hinduismus ein Sammelbegriff
- Hinduismus westliches Konstrukt?
- Veränderung im rel. Selbstbewusstsein
- Definition umstritten
5Jawaharlal Nehru
- Hinduism is all things to all men
6Hindu Marriage Act 1955
- A Hindu is a person, irrespective of sex, age,
mental condition or religious belief, who is not
a Muslim, Christian, Parsi or Jew provided that
he is domiciled in India ... - A Hindu may also be a person, whether domiciled
in India or not, who is a Hindu by religion ...
Buddhists, Jainas and Sikhs are Hindus for this
purpose.
7Gavin Flood
- Hinduismus ist ein Begriff, der die Religionen
der Mehrheit der Bevölkerung Indiens und Nepals
und einiger Gemeinschaften in anderen Kontinenten
bezeichnet, die sich selbst als Hindus verstehen
8Hinduismus ist ein Sammelbegriff für jene
Religionen und religiösen Gemeinschaften, die
folgende Kriterien erfüllen (Axel Michaels)
- a) in S-Asien entstanden oder verbreitet
- b) Kastensystem
- c) vedisch-brahmanische Werte, Rituale, Mythen
dominieren - d) eine Erscheinungsform von Shiva, Vishnu, Devi,
Rama, Krishna oder Ganesha wird verehrt oder
zumindest nicht abgelehnt - e) identifikatorischer Habitus
9Mahajagadguru Mate Mahadevi
- Hinduism is not a religion
- Hinduism represents a cultural, religious
heritage. Within its orbit there are many
independent religions
10Mate Mahadevi
- Likewise, whether an individual is Vaidic,
Shaiva, Vaishnava, Jain, Buddhist, Lingayat or
Sikh, and whatever might be his religious
convictions, it is enough if he has faith in
Omkara and respect for the Indian Heritage to
make him a Hindu.
11Hindu-Religionen
- Volksreligionen kleine Tradition
- Brahmanischer Hinduismus große Tradition
- Theistische Traditionen und Stifterreligionen
12Religionsgeschichtliche Epochen
- bis 1750 v. Vorvedische Religionen
- 1750-500 v. Vedische Religion
- 500 v. - 200 v. Asketischer Reformismus
- 200 v. - 1100 n. Klassischer Hinduismus
- 1100 - 1850 n. Brahmanischer Konservatismus,
theistische Traditionen und Stifterreligionen - ab 1850 moderner Hinduismus
13Vedische Religion
- 1750 -1200 v. Frühvedische Phase
- ab 1200 v. Mittelvedische Phase (ca. 1000 v.
Rig-Veda abgeschlossen) Blüte der
Opferwissenschaft - ab 850 v.- 500 v. Spätvedische Phase frühe
Philosophie
14Klassischer Hinduismus
- ab 200 v. Vorklassischer Hinduismus
Restauration des vedisch-brahmanischen
Hinduismus, Beginn der Bhaktibewegung Vishnu-
und Shivaverehrung - ab 300 n. Blütezeit Entfaltung der theistischen
Richtungen - ab 650 n. Spätzeit Zerfall der Großreiche, 712
Araber im Industal Tantrismus
15Moderner Hinduismus
- 1893 Rede von Vivekananda am Welt-parlament der
Religionen im Rahmen der Weltausstellung in
Chikago - 1907 Einweihung des ersten Hindu-Tempels im
Westen (San Francisco) - nach 1947 verschiedene Guru-Bewegungen im Westen
16Grundbegriffe
- dharma von halten, bewahren - das, was
trägt, Ordnung, Norm - karman von handeln - Tat und ihre Auswirkung
- samsara von herumwandern - Geburtenkreislauf
- moksha von befreien, loslösen - Heil
17Grundbegriffe
- brahman wörtlich Formulierung, heiliges Wort,
Wahrheit, transzendentes geistiges Grundprinzip
der Wirklichkeit - bhakti von zuteilen, teilhaben, Teilhabe des
Menschen an einer personalen Gottheit sowie die
daraus resultierende Hingabe - veda von wissen, Offenbarungsautorität des
brahmanischen Hinduismus
18Hinduismus Yuga-Lehre
- Mahayuga Krta - Treta - Dvapara - Kali insgesamt
4.320.000 Menschenjahre - 1000 Mahayugas 1 Brahma-Tag, dann Auflösung
(Brahma-Nacht) und neue Schöpfung - 100 Brahma-Jahre 1 Vishnu-Tag (über 311
Billionen Menschenjahre), dann Untergang und nach
einer Vishnu-Nacht Neuentstehung der Welt
19Sprachen
- Indoarische Sprachstufen
- altindoarisch Vedisch - Sanskrit kultiviert
- mittelindoarisch Pali - Prakrit
- neuindoarisch Hindi, Bengali, Gujarati u.a.
- Drawida-Sprachen Tamil, Kannada u.a.
20Sprachen
- 18 anerkannte Sprachen (Bundesstaaten entsprechen
weitgehend entlang der Sprachgrenzen gebildet) - etwa 42 der InderInnen sprechen Hindi
- Englisch ist Amtssprache
- Sanskrit ist die heilige Sprache der Gelehrten,
ab dem 6.Jh. n.u.Z. religiöse Texte auch in
Volkssprachen
21Heilige Schriften
- Shruti
- vedische Samhitas Rig-Veda, Yajur-Veda,
Sama-Veda, Atharva-Veda - Brahmanas
- Aranyakas
- Upanishaden
22Heilige Schriften
- Smriti
- Sutras
- Shastras z.B. Manusmriti
- Epen Mahabharata und Ramayana
- Puranas
- Agamas und Tantras
- devotionale Literatur
23Philosophische Systeme darshanas
- Samkhya Dualismus Geist - Materie
- Yoga geistige Disziplin
- Mimamsa Veda-Exegese
- Vedanta (differenzierter) Monismus, Basis
Upanishaden - Nyaya Logiksystem
- Vaisheshika analytische Naturphilosophie
24AnthropologieWoraus besteht der Mensch?
- Upanishaden
- Suche nach dem Lebensträger
- Wasser
- Feuer
- Wind-Atem
- atman/ brahman
25AnthropologieKlassisches Modell des Menschen
26Anthropologie
- jiva
- Sinnesorgane
- Denkorgan
- Ich-bewusstsein
- Erkennen
27Anthropologievarnashramadharma
- Schüler
- Haushalter
- Eremit
- samnyasin Wanderasket
28Anthropologievarnashramadharma
- varnas Klassen/ Stände (gesellschaftliche
Hierarchie mit Maßstab Reinheit) - Brahmanen Priester
- Kshatriyas Adelige
- Vaishyas Bauern, Händler
- Shudras Diener
- jati Kaste (erbliche, endogame
Interessensgemeinschaft)
29Stellung von Frauen
- Patriarchale Frauenstereotype in der
klassisch-brahmanischen Literatur - Natur der Frau Verführerin
- ashramas für Frauen Tochter - Ehefrau - Witwe
- stridharma Gattendienst ist Gottesdienst
- überschwängliche Verehrung der Frau als Mutter
30Stellung von Frauen
- Sati als Erfüllung des Frauenideals?
- wichtigstes Frauenleitbild ist Sita
- Bhakti-Bewegungen betonen die religiöse
Gleichheit der Geschlechter und Kasten - Moderne Bemühungen um Besserstellung
- 1948 Gleichberechtigung in der Verfassung
- neue religiöse Rollen im Rahmen moderner
Reformbewegungen
31Heilswege (margas)
- karmamarga vedisch-brahmanischer Haus- und
Opferritualismus, brahmanischer und
volksreligiöser (Tempel-)Ritualismus - bhaktimarga hingebungsvolle oft mystische
Verehrung einer Gottheit - jnanamarga Weg der spirituellen Erkenntnis mit
Hilfe eines Guru
32Monotheismus?
- Quasimonotheismus (G. Oberhammer)
- Homo- oder Äquitheismus (A. Michaels)
- inklusiver Monotheismus (angelehnt an P. Hacker)
33Gottesbegriffe
- deva/ devi in vedischer Zeit Göttergruppe,
später Dorfgottheiten - brahman absoluter, transzendenter Seinsgrund
- paramatman Gott als ewiger, unendlicher und
höchster atman - bhagavan herrlich, verehrungswürdig, bevorzugt
von vishnuitischen Traditionen
34Gottesbegriffe
- ishvara/ ishvari herrschen, bevorzugt von
shivaitischen Traditionen - shakti Kraft, weiblich personifizierte Kraft
eines männlichen Gottes bis hin zur weiblichen
Personifikation des Absoluten -mahadevi/
maheshvari
35(No Transcript)
36Puranischer Vishnuismus Pancaratra,
Bhagavata, Krishna-Gopala lokale Traditionen
(bes. S-Indien)Vaishnava Sampradayas
(Überlieferungen)
- Shri-Vaishnavas (Ramanuja)
- Gaudiya-Vaishnavas (Caitanya)
- Rama-Kult (Tulsidas)
- Vithoba-Kult/ Varkari-Panth (Tukaram)
37Gottesbild der Bhagavadgita
- Krishna als Grundlage des brahman
- Krishna ist Allgott transzendent und immanent,
Welt als Symbol für die Gegenwart Gottes - Krishna als Gott der Gnade und der Liebe Retter,
der den Menschen nahe ist durchdringt und erhält
alle Wesen - Teilhabe an Gott
38Avatara-Lehre
- Ältere Mythen, klassische Formulierung in der BG,
obwohl Begriff noch nicht vorkommt - Gupta-Zeit Liste mit 10 avataras beansprucht
Gültigkeit, viele Variationen - Tieravataras v.a. ikonographische Bedeutung
- vollständige avataras
- Vorstellung von Manifestation Gottes im Kultbild
und im Herzen des Menschen
39Ramanuja (1050-1137)
- Shakti spielt überragende Rolle bei Schöpfung und
Befreiung (Essenz der Gnade Gottes, Mittlerin zw.
Gott und Mensch) - Identität brahman und Vishnu
- Vishishtadvaita-Vedanta Einheit in
Unterschiedenheit - Gott ist höchste Person, charakterisiert durch
Liebe und Mitleid
40Gnadentheologie im Shri-Vishnuismus
- Ramanuja Gottes Gnade wirkt ohne den Menschen
der Freiheit zu berauben - Katzenweg Mensch ist passiv (Weg ist offen für
Menschen unabhängig von Kaste und Glaube) - Affenweg betont Kooperation von Gott und Mensch
41Tulsidas (1543-1623)
- Intensive Rama-Bhakti
- vorwiegend asketische Ordensgemeinschaft, unter
seinen Anhängern Angehörige verschiedener Kasten,
Kastenlose (heute Kastenbeschränkungen wieder
aufrecht) - Prototyp des Bhakta ist Hanuman
- Verfasser der hindisprachlichen Version des
Ramayana Ramcaritmanas
42Vedische Rudra-Verehrung nicht-puranis
cher Shivaismus
- Populärer puranischer Shivaismus
- Pashupata
- Nayanmars
- Tantrischer Shivaismus
- Asketenorden
- Shaiva Siddhanta
- Lingayats
43Pashupata
- Gründer Lakula/ Lakulin, 2.Jh.n.u.Z.
- mehrere Ordenszweige Mitglieder männliche
Brahmanen - Shiva als Herrscher, dämonische Züge spielen
keine Rolle - Betonung von ahimsaa, strenge Askese
44Tantrischer Shivaismus
- Kapalikas bilden Gegenstück zu brahmanischer
Orthodoxie extreme Kultformen - Kaschmirischer Shivaismus extreme Kulte
adaptiert, entwickelt sich zur Haushalter-religion
Theologie der Identität von Gott, Seele und
Materie (bedeutender Theologe Abhinavagupta,
975-1025)
45Shaiva-Siddhanta
- Shivaitische theologische Schule, die sich
parallel zum Shri-Vishnuismus in S-Indien ab dem
12. Jh.u.Z. entfaltet - zentrale Lehre ewige Existenz der drei
Prinzipien pati - pashu - pasha - Shiva ist anfangloser, transzendenter Gott (alle
anderen Götter sind nur mit Vollmacht
ausgestattete Seelen) - Shakti ist das Bindeglied zwischen Gott und Welt
46Lingayats
- Gründer Basava (1106-1168 n.u.Z.)
- Konzept des Ishtalinga
- sozio-religiöse Revolution Gründung eines
spirituellen Parlaments zum Aufbau einer neuen
Religion und Gesellschaftsordnung - Ideal der egalitären Gesellschaft steht im
Widerspruch zur brahmanischen Tradition
47Lingayat-Religion
- Träger des Linga Protestanten des Ostens
- Zweig des Shivaismus
- Zentrum Glaube an einen einzigen Gott verehrt im
kosmosgestaltigen Symbol des Linga - Texte Vacanas
- ethische Disziplinen Arbeit als Mittel zur
spirituellen Verwirklichung, Einsatz für soziale
Gleichheit - mystischer Pfad der Befreiung zunehmende
Realisierung der Einheit mit Gott
48Shaktismus
- Shakti Kraft, Energie
- Theologisches Konzept ermöglicht Integration der
Göttinnenverehrung (vermutlich vorarische
Wurzeln) - Shakti als Element eines primär männlich
personifizierten Gottes - Shaktismus Traditionen, die der Shakti eine
besondere Rolle innerhalb des Welt- und
Befreiungsprozesses zu schreiben, am meisten
tritt Shakti Shivas hervor
49Shaktismus
- Verschiedene Formen der relativen Bedeutung der
Shakti bis zur Identifikation mit dem Absoluten
spiegeln sich in der Ikonographie - teilweise extreme Kultformen entwickelt (blutige
Opfer, rituelle Verwendung von Fleisch, Alkohol,
Sexualität), große Nähe zum tantrischen
Shivaismus
50Mahadevi
- Tendenz alle Göttinnen in eine große Göttin
zusammen zu fassen - bestimmte Göttinnen können diese Position
einnehmen (Durga, Kali, Lakshmi) - Mahadevi identifiziert mit brahman, sie ist
Grundlage und Stütze der Welt, Quelle aller
Lebewesen und göttlichen Manifestationen - Vereint gütige und schreckenerregende Aspekte,
Leben und Tod
51Moderner Hinduismus
- Neo-Hinduismus 19./20.Jh., stark geprägt vom
Advaita-Vedanta - Gleichheit aller Menschen mit der atman-Lehre
begründet, Neuinterpretation von dharma als
svadharma (Begabung und Charakter) - viele Reformbewegungen mit universalreligiöser
Ausrichtung (z.B. Ramakrishna-Bewegung)
52Hindu-Nationalismus/ Fundamentalismus
- 19.Jh. Neues nationales Selbstbewusstsein als
Reaktion auf die Kolonialmächte und in Abgrenzung
gegen das Christentum - Ende 20.Jh. einheitliches Hindu-Land als
Leitidee des starken Hindu-Nationalismus, der mit
einem religiösen Fundamentalismus einhergeht
politisch einflussreiche hindu-nationale Partei
53Frauen im modernen Hinduismus
- Frauen erkämpfen sich im 20.Jh. den Zugang zum
samnyasa - Shri Sarada Math 1954 wird nach langem Ringen
der weibliche Ordenszweig der Ramakrishna-Bewegung
gegründet - Vishva Dharma-Bewegung in den 1970er Jahren
öffnet die Lingayat-Reformbewegung alle
religiösen Ämter für Frauen (1996 wird als erste
Frau Mate Mahadevi als Jagadguru inthronisiert)