Title: Sozialismus im 21. Jahrhundert
1Sozialismus im 21. Jahrhundert
- Zwischen Solidarischer Ökonomie und Peer Economy
2 - Wir müssen den Sozialismus wiedererfinden.
- Es kann nicht die Art von Sozialismus sein, die
wir in der Sowjetunion gesehen haben. Sondern er
wird hervortreten, indem wir neue Systeme
entwickeln, die auf Kooperation statt auf
Konkurrenz basieren. -
-
Hugo Chavez 2005 vor dem Weltsozialforum in Porto
Alegre
3Es ist unmöglich, die gravierenden Probleme der
weltweiten Massenarmut innerhalb des
kapitalistischen Systems zu lösen. Wir müssen den
Kapitalismus überwinden. Aber wir können unsere
Zuflucht nicht im Staatssozialismus suchen. Wir
müssen den Sozialismus zurückgewinnen als eine
These, ein Projekt und einen Weg, aber einen
neuen Typ von Sozialismus, einen humanistischen,
der Menschen und nicht Maschinen oder den Staat
an die Spitze stellt. Das ist die Debatte, die
wir überall auf der Welt führen müssen. Hugo
Chavez, WSF 2005
Die These, schafft 1, 2, 3 Vietnams, hat nicht
funktioniert. Besonders nicht in Venezuela.
4In der Revolution geht nichts nach Plan.Einige
Fakten zu Venezuela
- 1973-1982 Erdöl-Boom
- 1989 Caracazo (Volksaufstand)
- 1992 gescheiterter Putsch der MBR (Chavez)
- 1996 neoliberale Agenda Venezuela
- 1998 Wahlsieg Chavez
- 2000 Neue Verfassung, Wiederwahl Chavez
- 2002 Putschversuch
- 2004 Streik der Erdölindustrie
- 2007 gescheitertes Referendum
5Elemente des Umwälzungsprozesses in V.
- Nationalisierung der Ölindustrie
- Consejos comunales (lokale Selbstverw.)
- Missiones (an staatl. Verwaltung vorbei)
- Kooperativen (durch Vergabe bevorzugt)
- Finanzielle Selbstverteidigung (Währung,
Zentralbank) - Landreform
- Mobilisierung
6 - Man muss es in aller Deutlichkeit sagen Die
Mehrheit der in den Versammlungen Beteiligten
sind Frauen, in allen Consejos sind offenbar die
Hauptakteure Frauen. - Yoel Capriles, Parroquia 23 de Enero
7 - Modelle für eine sozialistische Ökonomie des 21.
Jahrhunderts - Solidarische Ökonomie
- Computergestützte Planwirtschafta) zentral, b)
partizipativ - Shareholder-Sozialismus
- Radikaler Keynesianismus
- Peer Economy
Der Rest sind Varianten oder sind gar kein Modell.
8Was macht ein Wirtschaftssystem aus?
- Eigentumsverhältnisse (an den Produktionsmitteln)
- Entscheidungsstruktur (institutionell)
- Machtverhältnisse (real)
- Allokation (wovon wie viel an welcher Stelle)
- Innovation (Struktur-I. Produkt-I.)
- Entlohnung (umfassend alle Personen, alle
Leistungen) - Motivation (negativ/positiv, extern/intern)
- Nachhaltigkeit (aus eigener Kraft
reproduzierbar?!)
91. Solidarische Ökonomie
- Verbreitet im WSF, bei Attac etc.
- Strukturen und Einheiten bilden, die
- Konkurrenz in Kooperation überführen
- Klassische Trennungen überwinden (Hand/Kopf,
Produktion/Reproduktion, Ökonomie/Ökologie,
Leben/Arbeiten) - Abstrakte Entscheidungen durch konkrete
Verhandlungsverhältnisse ersetzen (betrieblich,
zwischen Einheiten, international) - Kooperativen (Genossenschaften, Vereine, NPOs,
soziale Unternehmen, öffentliche Betriebe,
communities) - Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften
- Kommunalisierung, arbeiterInnengeführte Betriebe,
Fair Trade
101. Solidarische Ökonomie
- Klassisches Beispiel Mondragon
- Probleme
- Geringere technologische Innovation
- Persönliche Abhängigkeit, soziale Kontrolle,
Konservatismus - Gefahr der Prekarisierung
- Leistungen
- Keine gesellschaftlich irrationalen Innovationen
- Hohe soziale Integration, hohe Vereinbarkeit
inklusiv - Hohe Nachhaltigkeit
112. Computergestützte Planwirtschaft
- Planwirtschaft ist nicht falsch, sie hat nur
nicht funktioniert - Informationstechnologie macht Planwirtschaft erst
möglich - Daten in Echtzeit, Folgebeziehungen exakt
kalkulierbar - Variante a)
- Zentral gesteuerte Planwirtschaft
- Autoren Cockshott/Cottrell, Heinz Dieterich,
- Arno Peters
- Auch als Sozialismus des 21. Jahrhunderts
- oder als Computersozialismus bezeichnet
122. Computergestützte Planwirtschaft (zentral)
- Staatseigentum an Produktionsmitteln und
zentralen Ressourcen - Äquivalenzökonomie, d.h. Preiskalkulation durch
Arbeitswert (rein nach durchschnittlicher
Arbeitszeit) - Keine Allokation durch Markt, aber Nachahmung von
Angebot/Nachfrage durch Algorithmen (Preis) - Probleme
- Alle Probleme der klassischen Planwirtschaft, bis
auf bessere IT (Bürokratie, Zentralismus,
Industrialismus, Innovation) - Beispiele
- Alle Transnationalen Konzerne (TNCs)
132b. Partizipative Ökonomie
- US-amerikanische Gruppe um
- Michael Albert (Parecon)
- favoritisiert von Gruppen wie PGA u.a.
- Planungsprozess bottom-up
- Abgleich von angemeldeter Nachfrage und
angemeldeter Produktion in wiederholten
Verhandlungsstufen
142b. Partizipative Ökonomie
- Betriebe im Eigentum der Beschäftigten
(worker-owned corporations) - Kein Markt, direkter Vertrieb
- Einheitslöhne im Betrieb, gemischte Arbeitskonten
- Betrieblich kalkulierte Preise, elektronisches
Geld - Volksabstimmungen über konkurrierende
Produktionspläne (makro-ökonomische Pläne, d.h.
große Allokation) - Probleme
- Sehr bürokratisch, wenig Flexibilität
- Diskriminierung reproduktiver Arbeit
- Beispiele Alle traditionellen Familien
153. Shareholder-Sozialismus
- Modell ausgearbeitet von John E. Roemer
- Vergesellschaftung der Eigentümer-Funktion
- Betriebe sind im Besitz der Bevölkerung,
- die Menschen sind individuelle Anteilhaber
- Coupon-System Können gehandelt werden, aber
nicht gegen Geld zweiter Kreislauf - Coupon-Besitzer beziehen aus ihrem
Produktionseigentum Dividenden (ergänzend zu
ihren Löhnen) und kontrollieren das Management
163. Shareholder-Sozialismus
- Beispiel Arbeitnehmer-Fonds Schweden (LO-Modell
nach Rudolf Meidner Anna Hedborg, 1972-1984),
Überführung von VEBs in Volksaktien in Osteuropa
(aber nicht als coupons!) - Vorteile
- Kapitalfluss zu dynamischen Sektoren der
Volkswirtschaft - keine Spekulation, sondern wertschöpfungsbezogene
Allokation, aber auch offen für wertorientierte
Entsch. - Produziert eine Form von Grundeinkommen
- Produziert Wettbewerb ohne Verdrängung
- Arbeitnehmerbeteiligung als Sonderform möglich
- Probleme alle bekannten Kapitalismus-Probleme,
starke staatliche Regulation nötig
174. Radikaler Keynesianismus
- Keynesianismus Kapitalistischer Markt mit
starker staatlicher Regulation - Aktive Rolle des Staates in der Steuerung der
Ökonomie, im klassischen Keynesianismus - Aktive Fiskalpolitik (Umverteilung)
- Kontrazyklische Zinspolitik
- Nachfragestimulation durch öffentliche
Investitionen (deficit spending) - starke staatliche Auflagen und Gesetze
- Beispiel New Deal USA 30er Jahre, führend in
kapitalistischen Industriestaaten 1945-1972
184. Radikaler Keynesianismus
- Radikalisierung des Keynesianismus als Reaktion
auf Steuerungsprobleme und Globalisierung Anfang
der 70er - Beispiel Britische Labour Party (70er Jahre)
- Nationale Wirtschaftspläne mit geplanten
Produktionsmengen für zentrale Branchen - Strategische Nationalisierung, Ziel
Preisführerschaft durch - je 1 führendes Staatsunternehmen pro Branche
- Probleme Globalisierung erfordert neue
Instrumente, um Kapitalmacht zu begrenzen und um
Finanzmärkte, Kapitalmobilität,
Produktionsverlagerung , Währung etc. zu
kontrollieren - Vorteil Indirekte, u.U. sehr effektive Steuerung
194. Radikaler Keynesianismus
- Die Überwindung des Kapitalismus bedeutet nicht
die Abschaffung von privatem Produktionseigentum,
sondern dessen Beschränkung auf jene Bereiche der
Wirtschaft, in denen es keine ökonomische oder
gesellschaftliche Macht gebären kann. Wo kein
Unternehmen stark genug ist, Preise und Umfang
des Angebots zu diktieren, wo Zulieferer und
Abnehmer sich auf gleichem Level begegnen und
starke Sozialgesetze Kostensenkung zulasten der
Beschäftigten sowie strikte Umweltauflagen
Raubbau verhindern, kann der Stachel von
Eigeninteresse und Gewinne durchaus Innovation
und technologischen Fortschritt fördern. - Sahra Wagenknecht (aus Wahnsinn und Methode,
2009)
205. Peer Economy
- Menschen lösen gemeinsam Probleme,
- indem sie sich selbstorganisiert zusammen-
- schließen, um nachgefragte Bedürfnisse zu
befriedigen - Übertragung der Freien Softwareproduktion auf die
Realwirtschaft (Brötchenfrage) - Grundprinzip Beitragen statt Tauschen
- Ökonomie Projekte, zu denen Menschen etwas
beitragen und dafür Anteil an den Ergebnissen
haben - Basis sind Gemeingüter (Commons), die man
benutzen (Besitz), aber nicht verkaufen
(Eigentum) kann - Der Aufwand wird geteilt nach Regeln, die sich
das Projekt selbst gibt (Aufwandsverteilung)
215. Peer Economy
- Beispiele Linux, Apache, BitTorrent, Wikipedia,
Familienökonomie, Communities - Informationsfreiheit und Kopierbarkeit
- Begrenzte Ressourcen , notwendige Projekte,
weniger beliebte Arbeiten (Aufwand) und
positionelle Güter werden versteigert - Zusammenschluss zu Verteilungspools (V-Pool)
- Buttom-up-Organisation durch Zusammenschluss zu
größeren Einheiten (Nachbarschaft, Gemeinde,
Region usw.) zur Verwaltung der Commons und der
Aufwandsverteilung - Breites Spektrum an Allokationsmodellen
(Flatrate, Flache Allokation, Produktionsaufwand,
Präferenzgewichtung)
22- AutorInnen Yochai Benkler, Christian Siefkes,
Sabine Nuss
23Nochmal die 5 ½ Modelle
- Solidarische Ökonomie
- Computergestützte Planwirtschafta)
Zentralplanung b) Partizipative Ökonomie - Shareholder-Sozialismus
- Radikaler Keynesianismus
- Peer Economy
24Nochmal Venezuela
- Venezuela ist nach wie vor eine kapitalistische
Ökonomie, aber mit einer massiven
anti-neoliberalen und pro-sozialistischen
Massenmobilisierung und zugespitzten sozialen
Kämpfen. - In V. gibt es Elemente unterschiedlicher
Sozialismus-Modelle (partizipative Ökonomie,
Kooperativen-Bewegung, kommunale Assoziation,
missiones als außerstaatliche Projekte,
strategische Nationalisierung, Umstellung auf
freie Software, Finanzmarktkontrolle, Anerkennung
von Hausarbeit) - nur nicht des Sozialismus des 21.
Jahrhundert à la Cockshott/Cottrell oder
Dieterich - In V. wird mit allen Mitteln gekämpft
Stimmzettel und Gewehr, Verstaatlichung und
Beschäftigungspolitik, Selbstorganisation und
Verfassung. Die Sozialismus-Debatte ist eines
davon.
25Zur Erinnerung Feministische Mindest-anforderunge
n an einen Sozialismus im 21. Jhd
- Gesellschaftlich wichtige Arbeit wird gleich
behandelt und gleich gewertet, egal ob sie
mehrheitlich (oder historisch) von Frauen oder
von Männern betrieben wird. - Arbeit mit Menschen und Arbeit mit Sachen,
Erwerbsarbeit und nicht über den Markt
vermittelte Tätigkeiten sind einander nicht
hierarchisch über- oder untergeordnet. - Patriarchat wird als ein eigenständiges,
fundamentales Unterdrückungsverhältnis erkannt,
dessen Umsturz langdauernd und eine
gemeinschaftliche Aufgabe ist. - Frauen sind in der Quantität und Qualität ihrer
gesellschaftlichen Teilhabe nicht von Männern
abhängig oder auf diese angewiesen nicht in der
Arbeit, nicht in der Organisation, nicht in der
Gesellschaft, nicht im Privatleben.
26 - Die Furcht vorm Sozialismus ist ungebrochen
27 - ebenso sein radikaler Chic
28 die Suche nach zeitgemäßen Modellen
- Keine Vision zu haben, ist wie auf den Flughafen
zu gehen ohne zu wissen, wohin ich fliegen will
() sich einfach irgendein Ticket ausstellen zu
lassen, führt einen vermutlich irgendwohin, wo es
vielleicht noch schlechter ist als hier. - Michael Albert
29 und die alten Probleme.
- Das Dumme am Sozialismus ist, dass er einem
- so viele freie Abende raubt.
- Oscar Wilde