Title: Portionierte Armut, Blackbox Reichtum Eine Medien-Studie
1Portionierte Armut, Blackbox Reichtum Eine
Medien-Studie
- Präsentation
- Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt
2Gliederung
- Methode, Fragen und Zahlen
- Resümee
- Die Medien
Berliner Zeitung Tagesspiegel Süddeutsche
Zeitung Frankfurter Allgemeine Der Spiegel Die
Zeit
IV. ReflexionenSpekulationen
20. April 2013
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
2
3I. Methode, Fragen und Zahlen
Die untersuchten Medien
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
3
4I. Methode, Fragen und Zahlen
- Zeitraum Frühjahr 2008 bis Ende 2012
- (vom 3. zum 4. Armuts- und Reichtumsbericht der
Bundesregierung) -
- Kommentare in den vier Tageszeitungen Ressorts
Wirtschaft und Politik - Alle Textformen in Spiegel und Zeit
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
4
5I. Methode, Fragen und Zahlen
- Wie beschreibt, begründet und bewertet
Journalismus Armut, Reichtum und die soziale
Kluft? - Methode der diskursiven Öffnung
- wie oft Thema oft, regelmäßig, selten?
- welche Aspekte angesprochen, welche nicht?
- wie werden Aspekte erklärt und bewertet?
- Im Hintergrund die Kommunikationsbegriffe
- von Habermas und Luhmann
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
5
6I. Methode, Fragen und Zahlen
Jahr Berliner Zeitung Tages-spiegel SZ FAZ Spiegel Zeit
05/2008 6 5 19 39 28 41
2009 6 6 22 54 22 52
2010 20 28 30 48 19 66
2011 33 34 29 24 24 49
2012 47 46 35 37 36 69
112 119 135 202 129 277
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
6
7I. Methode, Fragen und Zahlen
Jahr Berliner Zeitung Tages-spiegel SZ FAZ Spiegel Zeit
05/2008 - 2012 112 119 135 202 129 277
974
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
7
8II. Resümee Bestimmende Trends
- Der blinde Fleck des Journalismus ist die stumme
Macht des Reichtums. - Die Armut wird mit Sorge registriert und zugleich
in Problemgruppen portioniert. - Wirtschaft ist, wie sie ist. Bildung und Arbeit
als Lösung, die Politik als Sündenbock. - Die Entwicklung von Armut und Reichtum wird nicht
im Zusammenhang gesehen.
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
8
9II. Resümee Bestimmende Trends
- 5. Rein quantitativ Die soziale Kluft ist kein
Problem von besonderer Brisanz. - 6. Chancengleichheit und Sozialpflichtigkeit des
Eigentums stehen im Museum alter Ideale. - 7. Meinungsvielfalt als Stärke und Schwäche.
- 8. Diskursiv schwach, sprachlich bedenkenlos.
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
9
10II. Resümee Bestimmende Trends
- Der blinde Fleck des Journalismus ist die stumme
Macht des Reichtums.
- Reichtum als eigenständiges Thema nicht existent
- Reichtum nur aufgerufen als Gegenpart
- zu Armut
- Zunahme von leistungslosem Reichtum ein Thema am
Rande siehe Kapital- und Erben-Gesellschaft - Kritik an Gier von Managern und
Finanzmarkt-Akteuren sehr prominent vertreten
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
10
11II. Resümee Bestimmende Trends
- Der blinde Fleck des Journalismus ist die stumme
Macht des Reichtums.
- das scheue Reh - die Frage der Macht wird, wenn
überhaupt, indirekt erwähnt und als gegeben
akzeptiert - Reichtum und seine vielfältigen Privilegien
(Einfluss auf alle Lebensbereiche, Zugänge) ist
kein Thema
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
11
12II. Resümee Bestimmende Trends
- Der blinde Fleck des Journalismus ist die stumme
Macht des Reichtums.
- z.B. Befunde von Hartmann kein Thema Einfluss
auf Herkunft von Politikern - ev. negative volkswirtschaftliche Folgen von
privatem Reichtum (Spekulationsmasse,
Verhinderung real-wirtschaftlicher
Investitionen) nur in Ausnahmen ein Thema
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
12
13II. Resümee Bestimmende Trends
- 2. Die Armut wird mit Sorge registriert und
zugleich in Problemgruppen portioniert.
- Armut prominentes eigenständiges Thema
- aber nicht in gesellschaftlicher Dimension,
Brisanz verringert, Zusammenhänge teilweise
zerrissen - Kinder-, Alters-, Hartz-IV-Armut
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
13
14II. Resümee Bestimmende Trends
- 2. Die Armut wird mit Sorge registriert und
zugleich in Problemgruppen portioniert.
- Frauen nur arm als (alleinerziehende) Mütter
- Ursachen Sachzwänge Globalisierung,
Fehlverhalten der Betroffenen, von Politik zu
verantwortende Ungerechtigkeiten
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
14
15II. Resümee Bestimmende Trends
- 3. Wirtschaft ist, wie sie ist. Bildung und
Arbeit als Lösung, die Politik als Sündenbock.
- Keine Forderungen an Unternehmer und ihre
Verbände sie sind Sachzwängen ausgeliefert - Individuen müssen sich anpassen, auch via Bildung
- Bildung und Arbeit werden als Erlösung von
Armut/materieller Not nicht in Frage gestellt - Was nicht funktioniert, muss Politik klären und
lösen (Überforderung)
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
15
16II. Resümee Bestimmende Trends
- 4. Die Entwicklung von Armut und Reichtum wird
nicht im Zusammenhang gesehen.
- Zunahme von privater Armut und privatem Reichtum
werden nicht auf Zusammenhänge überprüft - Zusammenhang von privater und öffentlicher Armut
wird nicht thematisiert - siehe Verstärker-Funktion
- Zusammenhang von öffentlicher Armut und privatem
Reichtum wird nicht geprüft
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
16
17II. Resümee Bestimmende Trends
- 4. Die Entwicklung von Armut und Reichtum wird
nicht im Zusammenhang gesehen.
- Staatsverschuldung wird selten als öffentliche
Armut definiert - Sind Strukturen der Gesellschaft im Prinzip auf
Gerechtigkeit ausgerichtet oder nicht? - Keine Frage
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
17
18II. Resümee Bestimmende Trends
- 5. Rein quantitativ Die soziale Kluft ist kein
Problem von besonderer Brisanz.
- Untersuchungs-Thema nicht häufig vertreten
- Aber keine Vergleiche angestellt mit anderen
Medien oder anderen Themen - Hinweis Thema hat hohe Bedeutung bei
demoskopischen Umfragen also ev. hohes Interesse
bei potenziellem Publikum
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
18
19II. Resümee Bestimmende Trends
- 5. Rein quantitativ Die soziale Kluft ist kein
Problem von besonderer Brisanz.
- Meist Politik, auch Verbände bieten aktuelle
Anlässe - Vermutung Themenspektrum wird nicht als
eigenständiges bedeutendes zustandsaktuelles
Thema gesehen wie vor einiger Zeit
beispielsweise Christian Wulff (!) - Ausnahme Vorbild Die Zeit
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
19
20II. Resümee Bestimmende Trends
- 6. Chancengleichheit und Sozialpflichtigkeit des
Eigentums stehen im Museum alter Ideale.
- Bezug auf verfassungsrechtliche und normative
Vorgaben ist Ausnahme - Messung der Realität an Verfassungstext
- kein Thema
- Am ehesten ein Aspekt in Verbindung Entwicklung
Ost- und Westdeutschland
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
20
21II. Resümee Bestimmende Trends
- 7. Meinungsvielfalt als Stärke und Schwäche.
- oft Meinungsvielfalt eindeutig positiv
- verschiedene Meinungen beziehen sich nicht
aufeinander Defizit an Orientierung und Qualität - 1. Beispiel Mindestlohn ist gerecht. Mindestlohn
gefährdet Arbeitsplätze. - 2. Beispiel Sozialtransfer ist zu hoch und
untergräbt Motivation der Empfänger.
Sozialtransfer ist ungerecht niedrig.
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
21
22II. Resümee Bestimmende Trends
- 8. Diskursiv schwach, sprachlich bedenkenlos.
- meist Verwendung von inhaltlichen Versatzstücke
aus dem politischen Raum - Jeder Journalist entscheidet sich für eine
Deutungswelt - Wer für mehr soziale Gerechtigkeit plädiert,
argumentiert nicht wirtschaftlich
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
22
23II. Resümee Bestimmende Trends
- 8. Diskursiv schwach, sprachlich bedenkenlos.
- Wer sich um die wirtschaftliche
Wettbewerbsfähigkeit sorgt, argumentiert nicht
moralisch und nicht normativ - keine Sprachkritik, Übernahme von Stereotypen
(sozial Schwache, bildungsferne Schichten)
Ausnahme SZ
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
23
24III. Zum Charakter der Medien
- Redaktion hat sich positioniert
- das Soziale ist wichtig
- keine Schuldzuweisung an Arme
- Reichtum kein gutes Haar
- Kritik an Prekarisierung
- meist kommentiert Jugendkrawalle in Tottenham
2011
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
24
25III. Zum Charakter der Medien
- Breites Spektrum an Meinungen
- Zwei Redaktionen
- Staatsschulden von hoher Bedeutung
- Einerseits gute informierende Texte
- Jedoch In Einzelfällen erschütterndes Niveau
- meistkommentiert Treberhilfe-Skandal 2010
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
25
26III. Zum Charakter der Medien
- zwei Kommentarwelten,
- kein interner Diskurs
- personenabhängige Positionen
- In SZ steckt eine FAZ und eine Gegen-FAZ
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
26
27III. Zum Charakter der Medien
- Frankfurter Allgemeine Zeitung
- Soziale Ungleichheit kein Problem
- Staatsverschuldung im Mittelpunkt
- Lage der Mittelschichten als
- eigentliche soziale Frage
- Reichtum Folge von persönlicher Leistung
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
27
28III. Zum Charakter der Medien
- Frankfurter Allgemeine Zeitung
- Armut Folge persönlicher Nicht-Leistung
- Kapitel- und Erbengesellschaft, leistungslose
Einkommen von Reichen nur selten ein Thema - Verächtlicher Blick auf die Politik
- Untersuchung Ute Volkmann, 2006
- Medien als Konflikt-Verstärker
- Kommentatoren als Sprecher der Redaktion und
ihres Publikums
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
28
29III. Zum Charakter der Medien
- Themenfeld wird punktuell bearbeitet
- gegenüber Sozialtransfer-Empfängern eher
Misstrauen - Reiche und Wohlhabende werden tendenziell
hofiert, ihre Interessen vertreten - Armut und Reichtum in ihrer gesell-schaftlichen
Dimension nie ein Thema
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
29
30III. Zum Charakter der Medien
- sehr prominent die Gier der Manager und die der
Finanzmärkte - Reichtum als Lifestyle siehe auch Serie
- keine Anforderungen an Unternehmer
- hohe Anforderungen an Politik
- despektierlicher Blick auf die Politik
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
30
31III. Zum Charakter der Medien
- Themenspektrum
- prominent vertreten
- Kontexte, Perspektiven, keine
- griffigen Empörungsformeln
- Ökonomie als Feld der Gesellschaftspolitik Wo
schadet Wirtschaft, wo nützt sie? - Trotzdem Armut und Reichtum als strukturelle
gesellschaftliche Probleme unterbelichtet
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
31
32IV. ReflexionenSpekulationen
- These 1 Der große Unterschied Wer arbeitet,
hat keine Zeit, Geld zu verdienen. - Armut als politisierte öffentliche Angelegenheit
Sozialtransfer aus Steuer-Geldern, Penner in
Fußgängerzone - Reichtum als entpolitisierte private
Angelegenheit - Armut der öffentlichen Resonanz ausgeliefert
- Reichtum kann negative Reaktionen abwehren,
positive Resonanz organisieren
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
32
33IV. ReflexionenSpekulationen
- These 1 Der große Unterschied Wer arbeitet,
hat keine Zeit, Geld zu verdienen. - folgenschwere Umdeutungen Wohlstand als Erfolg
(Leitbild), Ergebnis entscheidend, nicht Leistung - Folge kommunikative Schräglage zulasten von Armut
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
33
34IV. ReflexionenSpekulationen
- These 2 Bedingungen journalistischen Arbeitens
- bei Armut und Reichtum im Grundsatz
unterschiedliche Bedingungen - Thema Armut z.B. viele Daten, leichte Zugänge,
Armut braucht Öffentlichkeit, keine Sanktionen,
klare Abgrenzung, geringe Reputation - Thema Reichtum z.B. schwere Zugänge,
unzureichende Daten, seltene Berichterstattung,
hohe Sanktionen, hohe Reputation
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
34
35IV. ReflexionenSpekulationen
- These 3 Herkunft der Journalisten
- bei Kommentierung hohe redaktionelle Autonomie
- Herkunft, Habitus von Bedeutung
- weitgehend aus oberen Mittelschichten, neun
Prozent aus Arbeiterhaushalten siehe
Untersuchungen Weischenberg, Lueg
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
35
36IV. ReflexionenSpekulationen
- These 4 Ungenutzte Chancen der Pressefreiheit
- selbst zu verantwortende Abhängigkeit von
Ereignissen bedeutender Akteure - keine eigenständige Setzung als zustandsaktueller
bedeutender Themenbereich - Beispiele Aktion UmFairteilen, Initiative
Vermögende für eine Vermögensabgabe - Gegenbeispiele Christian Wulff,
Staatsverschuldung, Mindestlöhne
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
36
37IV. ReflexionenSpekulationen
- These 5 Neuigkeiten als Alibi und Wiederholung
als Normalität - Arm/Reichsoziale Gerechtigkeit langweilig, da
altbekannt - Druck des Publikums und/oder selbstverursacht
immer Neues, nichts Langweiliges - Thema Reichtum so selten, deshalb immer originell
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
37
38IV. ReflexionenSpekulationen
- These 6 Lehren aus Finanz-Krise
- neue Qualität der Zusammenarbeit von Politik- und
Wirtschaftsressort jetzige Arbeitsteilung
überholt - minoritäres Gegenwissen systematisch
berücksichtigen siehe als Beispiel Befunde
Hartmann - Politisierung der Ökonomie
- Vorbild Die Zeit?
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
38
39IV. ReflexionenSpekulationen
- These 7 Das große Thema Umverteilung
- - ein Kommunikationsdesaster?
- diffus Wer ist reich?
- strategisch entscheidende Schicht Qualifizierte
Arbeitnehmer mit Brutto-Jahreseinkommen zwischen
40 bis 70 000 Euro - zwischen welchen Schichten verlaufen die
Konflikte?
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
39
40IV. ReflexionenSpekulationen
- These 8 Weitere Beispiele der
- De-Thematisierung von Reichtum
- Vermehrung der Reichen ab einem HH-Einkommen
von 3000 Euro netto - Befunde OBS-Studie Begriff Gerechtigkeit selten
- Reichtum als Normalisierung in Friedenszeiten
siehe Position Köcher/Allensbach
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
40
41IV. ReflexionenSpekulationen
- These 9 Die entscheidende Frage - einfach
vergessen - Gesellschaft im Prinzip auf Gerechtigkeit
ausgerichtet? - Gesellschaft im Prinzip auf Ungerechtigkeit
ausgerichtet? - diese Grundsatzfrage treibt niemand um
- Anschluss-Kommunikation gehemmt, da Sachverhalte
diffus
Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
41
42Portionierte Armut, Blackbox Reichtum Eine
Medien-Studie
Wir haben die Arbeit anderer Leute kritisiert
- Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt
kritisieren Sie unsere.