Title: Vorlesungsmodul Afrika
1Vorlesungsmodul Afrika 1. Einheit
- Ziel Problemfelder aufzeigen, Forschungsansätze
beispielhaft darstellen, konkrete
Länderdarstellungen können nicht erfolgen (Siehe
dazu Literatur, insbesondere Lexika und
Einführungswerke) - Plan
- Einheit
- Politische Systeme Afrikas Eine
Bestandsaufnahme. - Strukturelle Bedingungen politischer Herrschaft
in Afrika (Geographie, Demographie, politische
Ökonomie, Politische Strukturgeschichte) - Moderne Staatlichkeit und Afrika die
vorkoloniale und koloniale Periode
2- 2. Einheit
- Dekolonisation
- Unabhängigkeitsbewegungen/ politische Akteure der
Dekolonisation - Der Staat als Institution Charakterisierung des
frühen postkolonialen Staatsapparats (Verwaltung,
Infrastruktur, Humankapital Verwaltungspersonal,
Ökonomische Strukturen....) - Der postkolonialer Staat, ca. 1960 - 1989
- Institutionelle Veränderung (Demokratie vs.
autoritäre Systeme), - ökonomische Veränderungen/ Kontinuitäten,
Schuldenkrise - Geopolitischer Kontext
3- 3. Einheit Politische Systeme Afrikas nach dem
Ende des Ost-West-Konfliktes - 3. Welle der Demokratisierung
- 3. Welle der Dekolonisation (Unabhängigkeit
Namibias, Ende des Apartheidregimes,
Unabhängigkeit Eritreas) - African Renaissance vs. Afro-Pessimism
- Staatszerfall und regionale Krisen (Liberia/
Sierra Leone, Horn von Afrika, Große Seenregion)
4Exkurs Politikwissenschaft und Afrika
- Erst mit der Dekolonisation begannen sich die
großen universalistischen sozialwissenschaftlich
en Disziplinen (allen voran Ökonomie, Soziologie
und Politikwissenschaft) mit Afrika zu
beschäftigen - Bis 1960 Primat der Ethnologie allerdings
erschienen bereits vorher einige signifikante
Analysen zu politikwissenschaftlichen
Fragestellungen (z.b. Lord Hailey 1938 An
African Survey Lord Lugard 1922 The Dual
Mandate in Tropical Africa), die sich u.a. mit
strukturellen Bedingungen von Herrschaft
auseinandersetzen - Ein Klassiker (der erst spät bzw. kaum von
PolitogInnen rezipiert wurde) ist das 1940
erschienene African Political Systems von Meyer
Fortes und Edward Evans-Pritchard.
5- Prägend war African Political Systems für die
Unterscheidung zwischen dezentral organisierten,
segmentären (akephalen) Gesellschaften ohne
Staat und zentralisierten Gesellschaften mit
staatlichen oder staatsähnlichen Strukturen - Beschäftigung von Politikwissenschaftlern
zunächst unter der Perspektive der
Modernisierungstheorie, deshalb auch
Konzentration auf den modernen Staat, während
informelle Politik oder neo-traditionelle
Politik Anthropologen überlassen wurden, wenn
diese überhaupt thematisiert wurde - 1970er Dependencia und Underdevelopment
Perspektiven (prominentester Vertreter Walter
Rodney, Immanuel Wallerstein) ? als Kritik am
Fortschrittsoptimismus der Modernisierungstheorie
6- Kritik an Dependencia/ Underdevelopment
Perspektive Nicht-in-Betrachtnehmen endogener
Faktoren sowie Primat des Ökonomischen - Als Reaktion auf Modernisierungstheorie und
neomarxistische Analysen ab den späten 1970ern
eher staatszentrierte Analysen und neue
theoretische Ansätze (neo-patrimonialer Staat,
Klientelbeziehungen, etc.) - Heute eine Vielzahl von Ansätzen, die sich nicht
leicht in eines der großen Paradigmen einordnen
lassen Breitere Rezeption afrikabezogener
Politikwissenschaften im Mainstream v.a. im
Kontext von Staatszerfalldebatten. - Auffallend Mikropolitik bzw. Politik auf
lokaler Ebene bleibt weitgehend Anthropologen
überlassen Lokalstaatlichkeit mithin
untererforscht Rechtssystem und Rechtspraktik
bleibt häufig ausgespart.
7Politische Systeme Afrikas eine Bestandsaufnahme
- Strukturellle Vielfalt vs. Fundamentale
Gemeinsamkeiten - Vielfalt insgesamt 53 Staaten, 48 Staat südlich
der Sahara (inkl. der Inselstaaten), 5 Staaten in
Nordafrika. - Afrikanische Staaten unterscheiden sich durch
eine Vielzahl von Variablen - Bevölkerung, Bevölkerungsdichte, Größe, es
gibt eine Vielzahl von relativ kleinen Staaten,
aber auch einige sehr große Flächenstaaten
8- Beispiel Seychellen 454km², Ruanda 26.338km²,
Sudan 2,376 Mio km² - Unterschiede gibt es weiter in der
- Physischen und Sozial- und Wirtschaftsgeographie
(Relief, Urbanisierungsgrad, Bevölkerungskonzentra
tion, Charakter der Wirtschaft) - Ausstattung mit Infrastruktur (Straßennetz,
Telefonnetze, Radio, Fernsehen,
Verwaltungssitze...) - der Wirtschaftsleistung,
- der Anbindung an Weltmärkte (Binnen- vs.
Küstenlage), - Klima und Vegetationszonen (Niederschlag,
Tropenkrankheiten), - Ausstattung mit natürlichen Ressourcen
- Geschichte
- Ethnischen Zusammensetzung (Vielfalt vs.
relativer Homogenität)
9Gemeinsamkeiten afrikanischer Staaten
- Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Südafrika, Gabun,
Marokko, Mauritius, Botswana) gehören die meisten
Afrikanischen Staaten zu den Low Income
Countries, die Mehrzahl davon zu den Least
Developed Countries - (Relativ kurze) Koloniale Erfahrung, präziser
die Erfahrung des Spätkolonialismus bzw.
Hochimperialismus (Unterschied zur früheren
Kolonisierung wichtiger Teile Asiens und der viel
weiter zurückliegenden Kolonisierung
Lateinamerikas) - Fundamentale Krise von Staatlichkeit (siehe
Failed States Project)
10(No Transcript)
11(No Transcript)
12Strukturelle Bedingungen von Herrschaft in Afrika
- Geschichte der Inkorporation in das Weltsystem
(Peripherisierung, hierarchische Eingliederung) - Geschichte der Fremdherrschaft
- Materielle Basis von Herrschaft (Problem der
Reproduktion von Herrschaft stellt sich
insbesondere für ressourcenintensive moderne
Nationalstaaten) - Geographische Faktoren (geringe
Bevölkerungsdichte...) ? - Kosten von Herrschaftsausübung (aus der Sicht
von Herrschenden) - Loyalität zu politischen Einheiten/ Möglichkeit
von Exit (A.O.Hirschman - Verhältnis von politischem Zentrum (Hauptstadt)
zu Hinterland
13Strukturelle Bedingungen von Herrschaft in der
vorkolonialen Periode
- Strukturelle Bedingungen von Herrschaft galten zu
einem Teil bereits für vorkoloniale politische
Einheiten - Besondere politische Geographie vorkolonialer
politischer Gebilde für gewöhnlich konzentrisch
die Herrschaftsdichte bzw. die Möglichkeit des
Zentrums, Herrschaft auszuüben, nahm mit der
Distanz vom Zentrum ab (dargestellt auf
Landkarten konzentrische Kreise) - Folge Tendenz zu Segmentierung (Abspaltung und
Neubildung von politischen Einheiten)
14- Erschwerend für Herrschaftsausübung in der
vorkolonialen Periode Schriftlosigkeit und damit
notwendigerweise geographische Begrenzung von
Herrschaftsausübung - Im Gegensatz zu Europa (und Teilen Asiens) wenig
zwischenstaatliche Konkurrenz zwischen
benachbarten politischen Einheiten, v.a. kaum
Konkurrenz um Territorium (Land war bis ins
20.Jh. in den meisten Teilen Afrikas -
reichlich vorhanden) - Territorialer Aspekt von Herrschaft daher
zweitrangig (im Vordergrund Herrschaft über und
Kontrolle von Menschen) eine Folge nuancierte
Vorstellungen über Besitz/ Kontrolle über Land
mit verschiedenen Stakeholdern aber keinem
Souverän
15Beispiele vorkolonialer Staaten
- Mali, Ghana, Hausa-Staaten (wesentliche
strukturelle Bedingung Kontrolle über
Fernhandel/ Transsahara-Handel in den
Hausa-Städten charismatische islamische Führer) - Dahomey, Oyo, Benin (strukturelle Bedingung
Transatlantischer Sklavenhandel) - Ngoni Königreiche im südlichen Afrika
- Königreiche der Großen Seenregion (Ruanda,
Burundi...) - Savannenkönigreiche im Kongo (Kongo, Luba...)
- Stadtstaaten der Swahiliküste (strukturelle
Bedingung Fernhandel über indischen Ozean)
16In welcher Weise sind vorkoloniale politische
Systeme für das gegenwärtige Afrika relevant?
- Häufig Basis politischer (ethnonationaler)
Identität - Andauernde Relevanz für lokale, teilweise auch
regionale Verwaltungsstrukturen (v.a. lokale
Verwaltungseinheiten schließen häufig an
vorkoloniale Einheiten an) - Nach wie vor eine Quelle von politischer
Legitimität (egal ob wirklich oder nur
imaginiert) - Mechanismen und Strukturen vorkolonialer
Herrschaft sind (wenn auch in veränderter Form
und in verändertem Kontext) für das postkoloniale
Afrika relevant (Big men Politik,
Patronagesysteme) - Kenntnis über das vorkoloniale Afrika ist
überdies notwendig, um die mit der Durchsetzung
von moderner Staatlichkeit einhergehenden
Veränderungen zu verstehen
17Transformation staatlicher Herrschaft durch den
Kolonialismus
- Transformation von Grenzräumen/-Zonen (Frontiers)
zu starreren, wenn auch nach wie vor
durchlässigen Grenzen (boundaries) - Verdichtung der Herrschaft nach innen
- Notwendigkeit der Kapitalakkumulation, zunächst
um den kolonialen Verwaltungsapparat bzw. die für
die Ausübung von Herrschaft notwendige
Infrastruktur (Wege, Straßen, Eisenbahnen,
Verwaltungs- und Schulgebäude) zu finanzierung
(durch Einführung von Steuern, Cash Crops,
Ausbeutung natürlicher Ressourcen,
Zwangsarbeit...) - Veränderte Legitimationsbasis von Herrschaft
Entwicklung, Wohlfahrt der Bevölkerung
zukunftsorientiert Output-orientiert, wobei
die Wohlfahrt relativ abstrakt (als
gesellschaftliche Entwicklung) gefasst wurde
18- Grenzen kolonialer Herrschaftsausübung
- Relativ wenig Ressourcen (allgemein skeptische
Einstellung gegenüber Kolonien in den
Mutterländern vor 1900, Demokratisierung in
Europa setzte Quersubventionierungen kolonialer
Unternehmungen enge Grenzen Investitionen
hauptsächlich vor 1914 und in manchen
Territorien in der Zwischenkriegszeit
Weltwirtschaftskrise und 2. Weltkrieg erhöht die
Notwendigkeit, Kolonien auf eigene finanzielle
Beine zu stellen - Relativ geringe Humanressourcen Beispiele
- Deutsch Ostafrika um 1913 70 Beamte
- Nigeria (etwa gleich groß wie D.O.) hatte weniger
als 200 Man eurpäisches Verwaltungspersonal - Ruanda (Teil D.O.) 10 Verwaltungsoffiziere,
- Burundi 6
- Kongo dagegen 756 zivile Beamte, 482 Militärs
19Implikationen der strukturellen Begrenzung
kolonialer Herrschaft
- Langsame Durchstaatlichung (manche Regionen
wurden erst in den 1930er Jahren befriedet,
andere nur sehr prekär) - Notwendigkeit, lokale Herrschaftsträger in das
System kolonialer Herrschaft zu integrieren
(klassisch indirect rule) dabei
Bürokratisierung traditioneller
Herrschaftseliten - Notwendigkeit, prekäre Oberhoheit durch
ostentative Polizeiaktionen symbolisch
abzusichern (institutionalisierter Terror -
brutale Niederschlagung von Aufständen,
bekanntestes Bsp. Herero-Aufstand) - Notwendigkeit, die finanzielle Tragfähigkeit der
Kolonien möglichst früh zu gewährleisten
(Steuereinhebung, Cash Crops, Zwangsanbau und
Zwangsarbeit, etc.)
20- Notwendigkeit der schnellen Amortisierung von
Investitionskosten resultierte in der
Priorisierung von Investitionen, die unmittelbar
wirtschaftlich verwertbar bzw. notwendig waren
(Eisenbahnen und Straßenlinien zwischen wichtigen
Zentren landwirtschaftlicher Produktion/
Abbaugebieten von natürlichen Ressourcen sowie
zur Küste) ? extrem ungleiche regionale
Entwicklung (Bsp. Mozambique Entwicklung entlang
von Korridoren zwischen angrenzenden Staaten
und der Küste während Nord-Südverbindungen
unterentwickelt blieben)
21Rechtsstatus afrikanischer Kolonien während des
Kolonialismus
- Verschiedene Praktiken Protektorate,
Siedlerstaaten, Kolonien, Kronländer, Teil des
Staatsgebiets (Algerien und Dakar bzw. Senegal in
bezug auf Frankreich) nach dem 1.Weltkrieg
Mandatsgebiete des Völkerbundes/ 2. Weltkrieg
Treuhandgebiete der UN - Kein Staatsbürgerschaftsstatus für
Kolonialisierte Subjecthood (vgl. Mahmood
Mamdani Unterscheidung zwischen Natives,
Settlers und colonial aliens (Inder etc.).
Daher auch keine entsprechende Rechtsentwicklung
wie in Mutterländern - Kolonialstaaten Reine Verwaltungsstaaten