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Proseminar zu

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Proseminar zu Zeit und Tempus In der Wissenschaft wird man nicht dadurch erleuchtet, da man herausfindet, wie man an Dinge glauben kann, die keinen Sinn ... – PowerPoint PPT presentation

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Title: Proseminar zu


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Proseminar zu Zeit und Tempus
In der Wissenschaft wird man nicht dadurch
erleuchtet, daß man herausfindet, wie man an
Dinge glauben kann, die keinen Sinn ergeben,
sondern in dem man Dinge ausfindig macht, die man
nicht versteht, und diese anhand von Experimenten
erklärt. Robert B. Laughlin (Nobelpreisträger
für Physik 1999) in Abschied von der
Weltformel, Piper Verlag GmbH München 2007.
Titel der Originalausgabe A Different Universe
- Reinventing Physics from the Bottom Down
2
Experimente mit Sprache
Alle Sprachen dieser Welt sind Zeichensysteme,
d.h. sie haben eine stoffliche oder formale
Seite, die wir Zeichen nennen und eine
inhaltliche Seite, die wir Bedeutung nennen.
Diese Unterscheidung ist grundsätzlich und
beeinflußt maßgeblich die Form von Experimenten
an Sprachen, weil jedes Experiment sich auf beide
Seiten auswirken kann und meistens auch tut. Aus
dieser wesentlichen Eigenschaft von Sprachen
ergeben sich Schwierigkeiten
  1. Die Kenntnis der Zeichen einer Sprache reicht
    nicht aus so verstehen wir bis heute nicht die
    Sprache der Etrusker, obwohl uns diese sehr viel
    Text in griechischer Schrift hinterlassen haben,
    den wir zwar entziffern können, aber nicht
    verstehen, denn uns fehlt die zugehörige
    Bedeutung der Zeichen.
  2. Wenn wir also Experimente mit Sprache machen,
    dann können wir nur die stoffliche Seite, d.h.
    die Zeichen experimentell verwenden, aber die
    Veränderung von Zeichen führt meistens auch zur
    Veränderung der Bedeutung.
  3. Jede wissenschaftliche Beschreibung bedient sich
    letztlich einer natürlichen Sprache, das ist auch
    in der Linguistik so, aber nur in der Linguistik
    sind das Objekt der Beschreibung und das Mittel
    der Beschreibung identisch.

3
  • Jedes wissenschaftliche Experiment setzt
    irgendeine Form von gezielter Veränderung
  • des untersuchten Objekts voraus, das ist auch in
    der Linguistik so
  • Man führt das Experiment durch,
  • dann mißt man die Veränderungen und bewertet sie
    als
  • entweder wesentlich (signifikant) oder
    unerheblich (insignifikant).
  • Ist die Veränderung ohne Aussagekraft, dann ist
    das Experiment gescheitert.
  • Ist die Veränderung nicht wesentlich, aber auch
    nicht unerheblich,
  • dann ändert man das Experiment und beginnt
    wieder oben.
  • Ist die Veränderung wesentlich oder zumindest
    auffällig, dann
  • versucht man das Experiment einzuordnen.
  • Am folgenden deutschen Beispiel werde ich das
    Vorgehen demonstrieren
  • Annahme Mann ist ein maskulines Nomen des
    Deutschen.
  • Folgerung dann ist der Artikel der auch
    maskulin, denn es heißt der Mann, die Frau und
    das Kind.
  • Diese Folgerung ist aber voreilig, wie das
    folgende Experiment zeigt
  • Ausgangszeichen Ich kenne die Frau, die nebenan
    wohnt.
  • Veränderung Ich bringe der Frau, die nebenan
    wohnt, .
  • Das Experiment ist wesentlich, d.h. die Annahme
    von oben ist entweder falsch oder muß präzisiert
    werden. Diese Form des Experiments nennen die
    Linguisten Austauschmethode.

4
Die Austauschmethode
  • Verwendete Begriffe
  • Austauschmethode (von mir hierbenutzter Begriff)
  • Austauschprobe
  • Ersetzungsmethode (von mir auch benutzter
    Begriff)
  • Kommutationsmethode
  • Kommutationsprobe
  • Alle Begriffe werden für den selben Sachverhalt
    benutzt.
  • Mit der Austauschmethode werden in der
    Linguistik
  • Eigenschaften festgestellt und klassifiziert
    (z.B. maskulin feminin Neutrum)
  • Klassen definiert und auf Konsistenz geprüft
    (z.B. Lautarten, Wortarten, Satzarten, )
  • Regeln formuliert (z.B. Der Artikel richtet sich
    im Französischen nach Genus, Numerus und Anlaut
    des auf den Artikel folgenden Wortes , sowie
    nach vorausgehenden Präpositionen.)
  • Richtigkeit von Regeln geprüft (z.B. der
    Subjonctif ist ein Modus des Französischen)
  • Achtung Regeln kann man erst formulieren und
    prüfen, wenn man über Klassen und Eigenschaften
    verfügt.

5
Was kann man gegeneinander austauschen ?
Wissenschaftlicher Gegenstand der Linguistik sind
menschliche Sprachen. Daraus folgt, daß die
linguistische Austauschmethode nur auf
sprachliche Gegenstände (Objekte) angewendet
werden kann. Sprachliche Objekte sind Phoneme
(Sprachlaute) oder Grapheme (Schriftzeichen) und
daraus gebildete Kombinationen von Phonemen oder
Graphemen wie Morpheme (Wörter), Syntagmen
(Satzteile), Sätze und Texte.
  • Phoneme kann man nur gegen andere Phoneme oder
    Phonem-Kombinationen austauschen, denn sie sind
    die kleinsten Einheiten von Sprachen (das Gleiche
    gilt für die Grapheme).
  • Bei diesem Austausch ändert sich die Bedeutung
    des sprachlichen Objekts oder es wird nicht
    sprachlich, weil es keine Bedeutung hat.
  • Beispiele
  • Austausch von /u/ zu /a/ in /hund/ führt zu
    /hand/, die Bedeutung ändert sich.
  • Austausch von /u/ zu /e/ führt zu /hend/, der
    Stern davor zeigt an, daß /hend/ kein
    sprachliches Objekt der deutschen Sprache ist,
    weil es keine Bedeutung im Deutschen hat..

6
  • Innerhalb von Morphemen kann man nur Phoneme
    austauschen, denn Morpheme sind die kleinsten
    bedeutungstragenden Einheiten einer Sprache.
  • Man kann aber Morpheme gegen andere Morpheme,
  • gegen Syntagmen
  • gegen Sätze austauschen.
  • (Beispiel für Morphem gegen Satz Das ist nicht
    nett. wird zu Was du getan hast, ist nicht
    nett.)
  • Hierbei ändert sich in der Regel immer die
    Bedeutung oder das Objekt fällt wie /hend/
    weiter oben aus dem Objektbereich heraus.
  • Beispiel Je veux que tu viennes. wird zu Je
    veux que tu viens.
  • Der Stern zeigt an, daß der Satz Je veux que tu
    viens. kein sprachliches Objekt des
    Französischen ist, weil es sich um einen falschen
    Satz handelt, der aber verständlich ist.
  • Ich arbeite zunächst mit Beispielen aus dem
    Bereich Indicatif Subjonctif, weil der
    linguistische Sachverhalt einfacher ist als bei
    den Tempora.

Was für Morpheme gilt, gilt auch für Syntagmen
und Sätze, deshalb Morpheme - Syntagmen
Sätze kann man immer gegen andere Morpheme,
andere Syntagmen und andere Sätze austauschen,
dabei ändert sich entweder die Bedeutung oder das
Objekt wird falsch oder sinnlos, d.h. es fällt
aus dem Objektbereich heraus.
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Was kann bei einem Austausch passieren? Eine
vollständige Übersicht
Mon ami est arrivé ce matin. Ausganssatz Ausganssatz
1 Mon copain est arrivé ce matin. Satz ist richtig, gleiche Bedeutung
2 Mon père est arrivé ce matin. Satz ist richtig, andere Bedeutung
3 Mon ami a arrivé ce matin. Satz ist falsch, gleiche Bedeutung
4 Ma copine est arrivé ce matin. Satz ist falsch, andere Bedeutung
5 Mon ami est arrivé demain matin. Satz ist richtig, aber sinnlos, also keine Bedeutung
  1. ist für den Linguisten relativ uninteressant, sie
    zeigt ihm an, daß ami und copain oft, wenn nicht
    immer gegeneinander ausgetauscht werden können.
    Lediglich die Grenzbereiche der Bedeutung und Art
    und Häufigkeit der Verwendung sind von Interesse.
    Ami und copain sind Synonyme (bedeutungs-gleiche
    Wörter).
  2. ist von sehr großem linguistischem Interesse,
    denn père und ami sind inhaltliche Konkurrenten
    in dem Ausgangstext, haben aber formal ähnliche
    Eigenschaften.
  3. ist als Beweismittel für syntaktische
    Eigenschaften unentbehrlich, so kann man z.B.
    sehr leicht nachweisen, daß der indicatif und der
    subjonctif im Französischen bedeutungsgleich
    sind.
  4. ist nur der Vollständigkeit halber aufgeführt,
    sie ist wissenschaftlich problematisch, weil sich
    zwei Eigenschaften gleichzeitig ändern, das ist
    wie mit einer Gleichung und zwei Unbekannten.
  5. ist der klassische Gegenbeweis gegen eine
    linguistische Regel, in dem man eine erlaubte
    Ersetzung findet, die aber zu einem sinnlosen
    Text führt.

8
Anwendung der Austauschmethode beim Subjonctif
  • In der Grammatik von Hartmut Kleineidam finden
    wir auf Seite 226 ein Beispiel für die
    Austauschbarkeit von indicatif und subjonctif und
    damit den Nachweis einer Bedeutungsänderung beim
    Wechsel von indicatif zu subjonctif.

Dites leur que Guy viendra ce soir. (indicatif)
Dites à Guy qu il vienne ce soir. (subjonctif)
Leider ist das Beispiel nicht nur ausgesucht,
sondern auch methodisch falsch, denn wie man
leicht erkennen kann, wurde an drei Stellen
zugleich ausgetauscht, nämlich im Hauptsatz das
Dativobjekt und im que-Satz der Modus und das
Subjekt. Man kann also überhaupt nicht sagen,
woran der Bedeutungswandel festzumachen ist.
Jedenfalls ist die Behauptung , daß es am Modus
liegt zumindest sehr gewagt. Der große
französische Grammatiker Gaston Mauger, z.B.
macht den Gebrauch des subjonctif von der Form
dis oder dites abhängig, was aber auch nicht
stimmen kann, wie das obige Beispiel zeigt, dazu
kann man aber ein passenderes Beispiel
konstruieren
Dites à Guy que il viendra ce soir. (indicatif)
Dites à Guy que il vienne ce soir. (subjonctif)
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Dites à Guy que il1 viendra ce soir. (indicatif)
Dites à Guy que il2 vienne ce soir. (subjonctif)
Formal ist der Unterschied in diesen beiden
Sätzen ausschließlich im Wechsel von indicatif zu
subjonctif begründet, d.h. wir müssen annehmen,
daß diesem formalen Unterschied auch ein
Bedeutungsunterschied folgt. Dem ist aber nicht
so, wie eine einfache Ãœberlegung zeigt Wer ist
eigentlich il in den beiden Sätzen ? Im ersten
Satz verweist il1 auf eine männliche Person,
die aber nicht Guy sein kann, im zweiten Satz
verweist il2 ausschließlich auf Guy. Wenn
wir also das il2 z.B. durch elle ersetzen,
dann muß der zweite Satz falsch werden Dites à
Guy quelle vienne.
  • So ist es dann auch. Im ersten Satz können wir an
    Stelle des il1 jedes beliebige einzahlige
    Subjekt einsetzen, immer bleibt der Satz formal
    richtig, im zweiten Fall können wir nichts
    anderes als il einsetzen, sonst wird der Satz
    falsch. Tauschen wir dagegen im zweiten Satz das
    à Guy gegen à Colette aus, dann müssen wir
    auch das il2 gegen ein elle austauschen, der
    folgende Satz ist also wieder richtig
  • Dites à Colette quelle vienne.
  • Die Bedeutungsänderung ist also nicht auf den
    Wechsel von indicatif zu subjonctif
    zurückzuführen. Sie tritt nur ein, wenn das
    Dativobjekt ( à Guy/à Colette) des Hauptsatzes
    und das Subjekt (il/elle) des Nebensatzes
    identisch sind, d.h. es muß einen anderen Grund
    geben und deshalb
  • ist die Regel bei Kleineidam falsch !

10
Ockhams Rasiermesser
  • Ockhams Rasiermesser besagt im Prinzip
  • Alles, was in einer Theorie überflüssig ist, hat
    dort nichts zu suchen.

Dann bleibt die Frage zu klären, ob es eventuell
andere also nicht linguistische Gründe gibt, eine
solche inhaltliche Einteilung beim Subjonctif
vorzunehmen? z.B. überzeugende didaktische
Gründe Schon immer hat man in der Didaktik
versucht sinnvolle, aber schwer erlernbare
Zusammenhänge durch einfachen Unsinn erlernbar
zu machen, sogenannte Eselsbrücken wie den
Pronomenwimpel der französischen
Personalpronomen oder das Haus des Nikolaus für
die Liste der Verben, die das passé composé mit
être bilden oder Hic, haec, hoc der Lehrer mit
dem Stock für die lateinischen
Demonstrativpronomen usw. Wir müssen also die
Frage klären, ob es hilfreich ist, einen
subjonctif nach Verben der Willensäußerung
anzunehmen? Die Antwort kann nur nein lauten,
denn diese Regelformulierung hat in keinster
Weise die Form einer Eselsbrücke. Sie sieht nicht
wie einfacher Unsinn aus, sondern wie eine
ernstgemeinte Erklärung und wird auch von sehr
vielen Lernern als auch Lehrern genauso
verstanden, aber wenn ernstgemeint, dann gilt in
diesem Fall das Rasiermesser von Ockham, also
abrasieren.
11
Konzeption einer didaktischen Grammatik
12
  • Gesamtfranzösisch wird hier wörtlich genommen,
    dazu zählt alles, was man als Französisch
    bezeichnen kann. Vom ersten französischen Text,
    den Straßburger Eiden bis heute, vom Pariser
    Französisch bis zum Französisch von Haiti. Aus
    diesem Französisch muß man zwangsläufig
    auswählen, weil niemand alle diese verschiedenen
    Arten Französisch beherrscht. Die Aufnahme von
    Gesamtfranzösisch verdeutlicht, daß jeder
    Unterricht auswählen muß, bzw. in der
    Vergangenheit getan hat, meistens aber ohne
    anzugeben, welches Französisch unterrichtet wurde
    bzw. wird. In den Richtlinien steht meistens der
    Begriff modernes gesprochenes und geschriebenes
    Französisch.
  • Tatsächlich wird die Auswahl aber durch Lernziele
    bestimmt, die in der Regel aber ungenannt
    bleiben.

Lernziele sind Angaben zu Redemitteln, d.h.
Fähigkeiten sich schriftlich oder mündlich in
bestimmten Situationen oder zu bestimmten Themen
sprachlich zu behaupten, ohne auffällig zu sein.
Auffällig ist man in der Regel bei einer nicht
angepaßten Aussprache, bei pragmatischen,
semantischen und syntaktischen Fehlern.
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  • Redemittel müssen zunächst die vier
    Grundfertigkeiten, sprechen und verstehen, sowie
    schreiben und lesen abdecken. Einige
    Grundredemittel, wie z.B. Aussagen machen, Fragen
    stellen, fluchen, jemanden zitieren, bitten,
    einladen, überreden, Modalrahmen verwenden etc.
    können in fast allen Situationen und Themen
    vorkommen und sollten als Grundkanon in jedem
    Lehrbuch vorkommen. Weitere Redemittel ergeben
    sich aus der Wahl der Situationen und Themen.
  • Situationen in denen man sich sprachlich
    behaupten muß, schwanken sehr stark von Lehrbuch
    zu Lehrbuch. Lediglich in der Erwachsenenbildung
    finden wir ernsthafte Ãœberlegungen zur
    Antizipation möglicher Situationen, in die die
    Lernenden kommen können, diese müssen dann aber
    auch für die Lerner einsichtig sein.
  • Themen sollten eigentlich inhaltlich definiert
    und nicht durch irgendwelche beliebige Texte
    repräsentiert sein. Es ist zwar richtig, daß
    bestimmte Themen an sich den Lernern und Lehrern
    gefallen können, leider sind die Themen in den
    meisten Lehrbüchern von einer Banalität und
    Schlichtheit, um nicht zu sagen blöder gehts
    nicht. Sie sind nicht Thema sondern
    Transportmittel für eine grammatische Struktur.

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  • Unterrichtsnorm In der Linguistik unterscheiden
    wir zwei Arten von Normen, nämlich die
    deskriptive oder beschreibende Norm und die
    präskriptive oder vorschreibende Norm, wobei
    den Nichtlinguisten nur die präskriptive Norm,
    also das sogenannte richtige Französisch
    bekannt ist. Leider hat diese vorschreibende Norm
    keinerlei empirische Grundlage und entspricht
    sehr oft nicht der tatsächlichen Sprache. In der
    geschriebenen Sprache gibt es noch große
    Ãœbereinstimmungen zwischen Vorschrift und realer
    Beobachtung, aber auch hier gibt es Abweichungen.
    Diese werden in Frankreich seit 1901 regelmäßig
    durch die Actes de Tolérances in der Form
    beseitigt, daß beides für richtig erklärt wird.

In der gesprochenen Sprache sind die Unterschiede
so groß, daß man so etwas wie eine
Unterrichtsnorm braucht. Die gesprochene Sprache
des Unterrichts sollte so sein, daß das
unterrichtete Französisch nicht auffällig ist,
d.h. sie muß klare gesprochene Strukturen haben,
darf aber keine regionale oder soziale
Abweichungen zur gesprochenen Sprache der
Gebildeten haben.
Verstöße gegen die Norm der gesprochenen Sprache
finden wir durchgängig in allen Lehrbüchern Que
fait Paul? statt richtig Quest-ce quil fait,
Paul? oder Qui est-ce? statt Qui cest?
oder Nous partons. statt On y va. oder Je
ne sais pas. statt Je sais pas. oder Tu as
compris? statt Tas compris? oder Zut !
statt Merde !. Noch niemals habe ich einen
Franzosen Zut! sagen hören, das Wort existiert
nur in Lehrbüchern. Diese Art zu sprechen
verleiht dem Sprecher einen wunderschönen
Hahnenkamm oder comme ça se dit en Français, Il
ou elle est assis(e) plus haut que son cul. Die
Unterrichtnorm bestimmt eine weitgehend
sanktionsfreie Sprache, sie wird durch den
tatsächlichen und frequenten Gebrauch der meisten
gebildeten Franzosen gestützt, und deshalb ist
sie unauffällig.
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  • Der Lernstoff setzt sich aus den folgenden
    linguistischen Teilbereichen zusammen

Die Pragmatik beschreibt das Wie man etwas
sagt. Unter dem Begriff Unterrichtsnorm ist ein
Teil der Pragmatik schon angesprochen. Wenn man
in einer Fremdsprache spricht, sollte man
weitgehend sprechen, wie die Sprecher dieser
Sprache. Gerade im pragmatischen Bereich wird man
üblicherweise kaum unterrichtet. Deutsch bitte
wird unterrichtet als sil vous/te plaît, in
gewissen Situationen sind beide Ausdrücke
Übersetzungsäquivalente, aber leider nicht in den
meisten. Denn tatsächlich bedeutet sil vous/te
plaît so etwas wie Wenn es Ihnen/dir gefällt.
und nicht Ich bitte Sie . Also kann ich nicht
jemanden bitten etwas zu tun und sil vous/te
plaît sagen, dann muß ich je vous en prie.
wählen. Insbesondere ist sil vous/te plaît
keine Garantie für Höflichkeit, anders als
bitte.
Die Semantik ist die Lehre von den Bedeutungen
von Wörtern. Viele französische und deutsche
Wörter haben nur teilweise eine gemeinsame
Bedeutung. Es ist ein großer Fehler im
Anfangsunterricht mit Wortgleichungen zu
arbeiten, diese Wortgleichungen des
Anfangsunterrichts verfestigen sich und bleiben
dann als für alle Zeit als fossilierte Fehler bei
den Lernern erhalten, z.B. voilà als da sind
oder da kommen, obwohl es im Deutschen eine
ganz ähnliche Struktur gibt, die aber als
umgangssprachlich gilt Kuck mal.
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  • Die Syntax beschreibt in welcher Form sprachliche
    Teile einander beeinflussen. Hierzu gehören
    Satzbaupläne, verschiedene Formen von
    Kongruenzen. z.B. Genus und Numerus,
    Personalendungen der Verben und auch die
    Veränderlichkeit von Partizipien und der Gebrauch
    des subjonctif. Syntaxfehler werden von
    Muttersprachlern üblicherweise nicht gemacht,
    bzw. haben diese niemals das Gefühl solche zu
    begehen. Eine korrekte Syntax ist deshalb wie
    eine korrekte Aussprache das wechselseitige
    Erkennungszeichen von Muttersprachlern.
  • Syntax- und Aussprachefehler haben deshalb die
    unangenehme Nebenwirkung, den Sprecher als nicht
    zugehörig zur Sprachgemeinschaft zu entlarven.
    (Das Scheißausländer Syndrom hat hier seinen
    Ursprung).
  • Syntaxfehler sind das Täglichbrot von
    Sprachlehrern, auf diese stürzen sie sich, weil
    man sie leicht erkennt und auch leicht begründen
    kann. Tatsächlich führen Syntaxfehler nur selten
    zu Verständigungsproblemen, sie sollten deshalb
    vor allem im Anfangsunterricht nur korrigiert,
    aber niemals gezählt werden, andernfalls
    entwickelt sich eine ausgeprägte
    Fehlervermeidungsstrategie bei den Lernern.
    Ausprachefehler, die ebenfalls im
    Anfangsunterricht sehr häufig sind, werden doch
    auch nicht als notenrelevante Fehler gezählt.

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  • In der Morphologie werden die unterschiedlichen
    Stammformen von veränderlichen Wortarten Verben,
    Pronomen, Nomen, Determinanten, Adjektive und
    wortbildenden Vorsilben und Nachsilben
    beschrieben.
  • Neben der Lexis stellt die Morphologie einer
    Sprache die Hauptschwierigkeit dar.
  • Durch Entzerrung des Stoffes versucht man in
    Lehrbüchern diese Schwierigkeiten abzuflachen,
    der Erfolg ist hier oft teuer erkauft (siehe
    Kritik an den Themen) und der Teil der
    Wortbildung wird in der Regel vollkommen
    vergessen.

Die Lexis ist das gesamte Vokabular einer
Sprache, ihr vollständiger Wortbestand. Die
Lexik stellt allein wegen ihrer schieren Größe
ein gewaltiges Lernproblem dar. Lehrbücher
beschränken das Gesamtvokabular auf ca. 2000 bis
3000 Wörter. Diese Zahl erscheint groß, ist aber
weniger als 2 des allgemeinen Wortschatzes
moderner Sprachen, also nichts und noch einmal
nichts. Die Idee des Basic English, einen
Lerner mit 1000 geschickt kombinierten Wörtern
alles sagen lassen zu können, ist eine
Schnappsidee, weil englische Muttersprachler
leider kein Basic English gelernt haben und
deshalb mit jedem anderen ein ganz normales
English sprechen, was unser fleißige Schüler aber
nicht gelernt hat.
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Zeit und Tempus
  • Mit den Begriffen Zeit und Tempus versuche ich
    zwischen Form (Tempus) und Inhalt (Zeit) zu
    unterscheiden.
  • Diese Unterscheidung wird in Grammatiken
    üblicherweise nicht gemacht, was aber zu groben
    Fehlern und vor allem Unverständlichkeiten führt.
    In den folgenden Sätzen steht zweimal die
    Verbform wäre, die normalerweise als
    Konjunktiv Imperfekt bezeichnet wird
  • Ich wäre gerne Millionär.
  • Wenn ich Millionär wäre, ...
  • Es handelt sich in beiden Fällen um ein
    hypothetisches Millionär sein, insofern könnte
    die Bezeichnung Konjunktiv richtig sein, aber
    das Millionär sein liegt nicht in der
    Vergangenheit, sondern in der Gegenwart, deshalb
    ist die Bezeichnung Imperfekt zur Beschreibung
    des Inhalts abwegig, weil Imperfekt in die
    Vergangenheit deutet.
  • Die Bezeichnung Konjunktiv Imperfekt läßt sich
    nur dadurch rechtfertigen, daß die Form wäre aus
    der Form war ableitbar ist, es ist eine
    Bezeichnung, die erklärt, wie man wäre bilden
    kann, wenn man war kennt, aber zur Bedeutung von
    wäre trägt sie nichts bei.
  • Der grundlegende Fehler der traditionellen
    Grammatik, d.h. auch fast aller Schulgrammatiken,
    ist die Annahme, daß ein grammatischer Begriff
    gleichermaßen ein Zeichen und seine Bedeutung
    beschreiben kann.

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  • 3. Er hat mir gestern gesagt, er sei krank.
  • Die Form sei wird in den Grammatiken als
    Konjunktiv Präsens bezeichnet, diese Bezeichnung
    ist zwar richtig in bezug auf die Zeit, aber das
    Kranksein ist höchst real und in keinster Weise
    hypothetisch. Hieraus folgt, daß auch der Begriff
    Konjunktiv uneinheitlich gebraucht wird, nämlich
    einmal zur Bezeichnung einer hypothetischen
    Handlung und einmal zur Bezeichnung einer realen
    Handlung.
  • 4. Jaimerais bien être millionnaire.
    (Übersetzung von Satz 1 ins Französische)
  • 5. Si jétais millionnaire.
    (Übersetzung von Satz 2 ins Französische)
  • 6. Hier, il ma dit quil était malade.
    (Übersetzung von Satz 3 ins Französische)
  • Das deutsche wäre wird im Französischen durch
    zwei unterschiedliche Formen wiedergegeben,
    nämlich aimerais être und étais, die erste Form
    heißt conditionnel, die zweite heißt imparfait.
    Selbstverständlich ist die Bedeutung beider
    Formen identisch zum deutschen wäre, d.h. es
    handelt sich in beiden Fällen um ein
    hypothetisches gegenwärtiges Millionär sein,
    étais sieht hier zwar so aus wie das était in
    Satz 6, aber es bedeutet hier hypothetische
    Gegenwart und nicht reale Vergangenheit wie in
    Satz 6.
  • Fazit Unter Zeit verstehe ich die zeitliche
    Bedeutung einer finiten Verbform, unter
  • Tempus verstehe ich ausschließlich die äußere
    Form einer finiten Verbform.

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  • Tempus von wäre Konjunktiv Imperfekt oder
    besser Konditional
  • Zeit von wäre hypothetische Gegenwart /
    Zukunft
  • Tempus von sei Konjunktiv Präsens
  • Zeit von sei (reale) Gegenwart
  • Tempus von aimerais conditionnel
  • Zeit von aimerais hypothetische
    Gegenwart / Zukunft
  • Tempus von étais imparfait
  • Zeit von étais hypothetische Gegenwart
    / Zukunft
  • Tempus von était imparfait
  • Zeit von était (reale) Vergangenheit
  • In dieser Ãœbersicht habe ich neben Gegenwart auch
    noch Zukunft genannt, obwohl die Beispiele 1, 2,
    4 und 5 eindeutig Gegenwart sind, die Zukunft
    kommt in den Sätzen 7-10 vor.

21
7. Oh ja, eines Tages wäre ich gerne Millionär.
8. Ah oui, jaimerais bien être millionnaire, un
jour. Durch Hinzufügung eines passenden Kontextes
wird im Deutschen wie im Französischen das
Millionärsein in die Zukunft verlegt, es bleibt
aber hypothetisch.
Um die Zukunft real zu machen, muß ich im
Deutschen das Präsens wählen, im Französischen
aber das futur. 9. Oh ja, eines Tages bin ich
Millionär, ihr werdet schon sehen. 10. Ah oui, un
jour je serai millionnaire, vous verrez. Die
Verwendung des Futurs im Deutschen, wie in ihr
werdet schon sehen macht das Sehen nicht real
wie im Französischen, sondern schon möglich, d.h.
der deutsche Sprecher billigt der Zukunft nur
eine eingeschränkte Realität zu, die man auf
deutsch mit schon möglich verbalisieren kann,
der französische Sprecher hält die Zukunft für
sehr real.
  • Das hier Dargestellte bedeutet nicht, daß ein
    Deutscher einem Franzosen nicht erklären könnte,
    daß Zukunft im Prinzip unsicher ist, und daß ein
    Franzose sogar einem Deutschen erklären kann, daß
    es nächstes Jahr bestimmt wieder die Tour de
    France gibt (auf Französisch
  • Il y aura toujours..., à moins que le ciel leur
    tombe sur la tête, mais ce nest pas demain la
    veille, . (Astérix), aber es bedeutet, daß eine
    andere Sichtweise der Wirklichkeit zu
    unterschiedlichen sprachlichen Bedeutungen führen
    kann bzw. führt, deshalb gilt die folgende
    Ãœbersetzungsgleichung
  • Jte dirai pas. Sach ich dir nich.

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Die Beispiele drei und sechs belegen ein anderes
Problem zwischen den beiden Sprachen, denn in
beiden Sprachen sind die folgenden Sätze
zweideutig 11. Er hat mir gestern gesagt,
er sei krank, und deshalb ist er nicht
gekommen. 12. Er hat mir gestern zwar gesagt,
er sei krank, aber das sah nicht so schlimm
aus. In Beispiel 11 findet das Kranksein
zumindest seit Gestern statt und dauert bis zum
Jetzt, in Beispiel 12 hat das Kranksein zum
Zeitpunkt des Sagens stattgefunden, ist seitdem
aber beendet. Im Französischen wird durch die
Wahl des Tempus imparfait primär, d.h. ohne
erläuternden Kontext die Bedeutung von Satz 12
ausgedrückt, im Deutschen eher die Bedeutung von
Satz 11.
  • In den Beispielen drei und sechs (ebenso 11 und
    12) gibt es zwei verschiedene Zeitpunkte, nämlich
    den Zeitpunkt des Sagens und das Jetzt.
  • Im Französischen wird die Gleichzeitigkeit des
    Krankseins mit dem Zeitpunkt des Sagens betont,
  • im Deutschen eher die Gleichzeitigkeit des
    Krankseins mit dem Jetzt, die implizit vorhandene
    Gleichzeitigkeit des Sagens und Krankseins ist im
    Deutschen eher unbedeutend.
  • Will man im Französischen die Gleichzeitigkeit
    des Krankseins mit dem Jetzt wie im Deutschen
    ausdrücken, muß man den Kontext eindeutig
    erweitern. Allerdings erlaubt die gesprochene
    französische Sprache auch eine Klarstellung durch
    eine geänderte Tempuswahl
  • 13. Il ma dit quil était malade. (Das
    Kranksein ist gleichzeitig zum Zeitpunkt des
    Sagens)
  • 14. Il ma dit quil est malade. (Das Kranksein
    ist gleichzeitig zum Zeitpunkt des Sagens und zum
    Jetzt)
  • 15. Er hat mir gesagt, daß er krank ist.
  • Der im Beispiel 14 dargestellte Gebrauch wird oft
    in Schulen und Universitäten als fehlerhaft
    angesehen, hat sich im gesprochenen Französisch
    aber vollständig durchgesetzt, ebenso wie das
    deutsche Beispiel 15, das sich inzwischen in
    allen Medien durchgesetzt hat und außerhalb der
    Schule immer richtig ist.
  • Der Begriff Zeitpunkt des Sagens ist identisch
    zum oft gebrauchten Begriff Sprechzeitpunkt.

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Vergangenheit Jetzt Zukunft
  • Die Zeiten der Rede (des Discours)
  • Unter Jetzt verstehe ich die naive sprachliche
    Vorstellung vom Jetzt, über die jeder Mensch
    verfügt,
  • weder eine physikalische, noch eine
    philosophische Beschreibung des Jetzt könnte
    geeigneter sein als unsere primitive
    Vorstellung, denn genau diese Vorstellung
    bestimmt den sprachlichen Gebrauch der Zeiten.
  • Unter Vergangenheit verstehe ich den Zeitraum,
    der zeitlich vor dem Jetzt liegt. Die
    Vergangenheit ist immer und grundsätzlich
    vergangen und unabänderlich.
  • Unter Zukunft verstehe ich den Zeitraum, der
    zeitlich nach dem Jetzt liegt. Die Zukunft liegt
    immer und grundsätzlich vor uns.
  • Darüber hinaus bewegt sich das Jetzt für uns alle
    in Richtung Zukunft und kommt aus der
    Vergangenheit,
  • niemand kann das Jetzt auf diesem Wege aufhalten,
    niemand kann den Weg zurück in die Vergangenheit
    gehen, niemand kann einen kurzen Blick in die
    Zukunft werfen, nur um mal eben die Lottozahlen
    vom nächsten Samstag zu notieren.
  • Die Uhren und Kalender sagen uns, daß das Jetzt
    mit konstanter Geschwindigkeit in die Zukunft
    rast, unser subjektives Zeitempfinden ist damit
    nicht einverstanden, aber dieser Unterschied ist
    sprachlich nicht erheblich
  • Schatz ich fahr jetzt los, ich bin in 10 Minuten
    da. Bis gleich. (Eine Stunde später)
  • Ist was passiert? Ich warte hier auf dich und
    ....
  • Wie? Was? Warum ? (frei nach Mario Barth)

24
  • Wir Menschen haben keine sprachlichen Probleme in
    dieser Situation, wie man sieht, wir sind nur
    fassungslos über das nichtsprachliche Verhalten
    des jeweils anderen und als Außenstehende finden
    wir solche Situationen einfach nur komisch.
  • In unserer Welt ist das Jetzt offensichtlich eine
    absolute Konstante, sozusagen die Konstante
    unseres Lebens, es begleitet uns von der Geburt
    bis zum Tod, die Vergangenheit ist unsere
    Erinnerung an das Erlebte und die Zukunft sind
    unsere Pläne, unsere Hoffnung, unsere Wünsche.
  • Durch die Sprache teilen wir unser Leben mit
    anderen Menschen, d.h. immer wenn wir über die
    erlebte, erinnerte oder geplante Wirklichkeit
    sprechen, bezieht sich der Inhalt des Sprechens
    zeitlich auf das Jetzt, denn
  • Alle diese Äußerung enthalten einen zeitlichen
    Bezug zum Jetzt.
  • Diese Art Sprache wird üblicherweise als Rede
    oder Discours (Diskurs) bezeichnet.

25
  • Die beiden wichtigsten Unterschiede zwischen
    Deutsch und Französisch in der Rede habe ich oben
    schon dargestellt, ich wiederhole sie hier noch
    einmal
  • liegt eine Handlung, ein Zustand oder eine
    Eigenschaft in der Zukunft, dann steht im
    Französischen ein Tempus des Futurs, im Deutschen
    üblicherweise das Präsens.
  • im Französischen steht das Verb eines Nebensatzes
    immer im imparfait,
  • . wenn das Verb des zugehörigen Hauptsatzes
    in einer Zeitform der Vergangenheit steht,
  • . die Handlungen, Zustände oder
    Eigenschaften von Haupt- und Nebensatz
    gleichzeitig sind
  • . und die Handlung des Nebensatzes länger
    dauert als die Handlung des Hauptsatzes.

Hauptsatz Vergangenheit bis
Jetzt/Zukunft Nebensatz
26
(No Transcript)
27
Es war einmal ... und wenn ... dann leben sie
noch heute
Die Zeiten der Erzählung (des Recit) Mit der
Erfindung von Schriften wird die unmittelbare
Verbindung der Rede mit dem Jetzt aufgelöst. Bei
der mündlichen Rede ändert sich nichts (klar),
bei der schriftlichen Rede gibt es neben einem
Jetzt des Schreibens eine beliebige Menge von
Jetzt des Lesens (beliebig heißt von 1 bis zu
einer sehr großen Zahl). Diese Erweiterung hat
aber weder im Deutschen noch im Französischen
einen wichtigen Einfluß auf den Gebrauch der
Zeiten und Tempora in der Rede. Die überwiegende
Zahl aller schriftlichen Texte sind Rede, d.h.
Jetzt-gebunden und folgen dem oben aufgeführten
Schema. Der folgende Text weicht von diesem
Schema vollkommen ab

Am Morgen des 14. Juli 3145 breitete1 sich eine
fröhliche Stimmung auf dem Kommandodeck des
schweren Kreuzers Atlantis aus, das lange Warten
hatte ein Ende2, Commander H. Potter führte3
gerade die Befehlssequenz zum Eintritt in den
Hyperspace aus. Die genialen Quittungssequenzen
des BioBots gruben4 sich in das Bewußtsein der
Mannschaft, amüsierten5 und beruhigten6 die
Leute, vertrieben7 Ängste und Spannungen, denn es
blieben8 noch 10 Minuten, bis jeder in den
Kälteschlaf fallen würde. Obwohl jeder an Bord
der Atlantis die Prozedur schon x-mal erlebt
hatte, war es diesmal anders, diesmal...
28
Am Morgen des 14. Juli 3145 breitete1 sich eine
fröhliche Stimmung auf dem Kommandodeck des
schweren Kreuzers Atlantis aus, das lange Warten
hatte ein Ende2, Commander H. Potter führte3
gerade die Befehlssequenz zum Eintritt in den
Hyperspace aus. Die genialen Quittungssequenzen
des BioBots gruben4 sich in das Bewußtsein der
Mannschaft, amüsierten5 und beruhigten6 die
Leute, vertrieben7 Ängste und Spannungen, denn es
blieben8 noch 10 Minuten, bis jeder in den
Kälteschlaf fallen würde. Obwohl jeder an Bord
der Atlantis die Prozedur schon x-mal erlebt
hatte, war es diesmal anders, diesmal...
Die Handlung dieses Textes spielt im Jahr 3145,
d.h. vom Jetzt aus gesehen in einer fernen
Zukunft, trotzdem lesen wir den Text, als ob
alles schon vergangen wäre, auch die verwendeten
Zeiten, sind Zeiten der Vergangenheit. Es
handelt sich offensichtlich um einen Text, der
unsere innige Verbindung mit dem Jetzt einfach
mißachtet, aber niemand von uns vermißt das Jetzt
in diesem Text, denn in diesen Text hat der Autor
des Textes ein künstliches, ein fiktives Jetzt
eingebaut, der Text enthält eine eigene
Chronologie, d.h. eine Reihenfolge des
Geschehens, die in den Text eingebaut ist. Diese
Chronologie wird durch eine strikte zeitliche
Abfolge der rot markierten und durchnumerierten
Handlungen erreicht. Texte dieser Art werden als
Récit oder Erzählung bezeichnet. Jede Erzählung
hat genau eine erste Handlung, den Anfang, eine
letzte Handlung, das Ende und eine Vielzahl an
Handlungen zwischen Anfang und Ende, die alle
zeitlich geordnet sind. Hieraus ergibt sich für
jede Erzählung eine Kette von Handlungen, die
zeitlich aufeinanderfolgen, so daß man sie
durchnumerieren kann, wie ich es oben gemacht
habe.
29
Tempora der Handlungskette
Im Deutschen stehen alle Verben, die die
Handlungskette bilden im Imperfekt. Das deutsche
Imperfekt kennzeichnet einen deutschen Text als
Erzählung, es ist das Erzähltempus des
Deutschen. Im Französischen stehen alle Verben,
die die Handlungskette bilden im Passé simple,
das französische Passé simple kennzeichnet einen
französischen Text als Erzählung, es ist das
Erzähltempus des Französischen.
Passé simple oder Passé composé ? In mündlichen
Erzählungen wird fast immer das Passé composé
verwendet (aber nicht beim Vorlesen, z.B. von
Kindermärchen). 1942 erscheint der Roman
LEtranger von Albert Camus (Nobelpreisträger),
der vollständig im Passé composé verfaßt ist.
Diesem Vorbild sind seitdem viele weitere Autoren
gefolgt, trotzdem wird die Mehrzahl der
Erzählungen weiterhin im Passé simple
geschrieben, eine passive Kenntnis der Formen ist
deshalb zwingend nötig, wenn man französische
Literatur lesen will..
30
Die Bedrohung des Passé simple durch das Passé
composé, die schon im hohen Mittelalter beginnt,
hat dazu geführt, daß das Passé simple seit dem
19. Jahrhundert zu einer Prestigeform wird, und
Menschen, die es benutzen, auch falsch benutzen,
einen Schein von Bildung verleiht. So finden wir
auch in bedeutenden literarischen Texten des 19.
Jahrhunderts unbegründete, um nicht zu sagen
falsche Verwendungen des Passé simples. Von
diesen unbegründeten Verwendungen, hat sich
lediglich die Verwendung des Passé simple in
Enzyklopädien erhalten, in denen es von Anfang an
als praktische Kurzform des Passé composés
Eingang gefunden hatte, vergleichbar mit dem
deutschen Imperfekt in Nachrichtentexten. Wenn
jemand Französisch lernt und literarische Texte
lesen will oder muß, kommt er nicht daran vorbei
das Passé simple zu erkennen und zu verstehen,
aber ich warne jeden davor, es selbst benutzen zu
wollen, man macht sich damit nur lächerlich.
31
Das Imparfait in einer Erzählung
Obwohl jeder an Bord der Atlantis die Prozedur
schon x-mal erlebt hatte, war es diesmal anders,
diesmal...
Aber nicht jedes Verb im Imperfekt des deutschen
Texts ist auch Bestandteil der Handlungskette in
dem Text oben steht war es diesmal anders
zwar im Imperfekt, aber das anders sein folgt
nicht auf das bleiben, es ist eigentlich von
Anfang an anders.
Im Deutschen unterscheiden wir formal nicht,
zwischen einer Handlung, die nur jetzt wahr ist,
von einer Handlung, die auch jetzt wahr ist, in
beiden Fällen steht das Imperfekt, aber wir
können den Unterschied meist problemlos erkennen.
Das müssen wir auch, denn im Französischen stehen
diese Verben im Imparfait. In sehr vielen
Fällen kann man das Problem sehr leicht lösen,
indem man fragt Seit wann ist es denn
anders? und darauf die Antwort geben muß Das
kann man nicht wissen.
Im folgenden Beispiel hilft der gesunde
Menschenverstand Sarah stand auf, es war kurz
nach zehn Uhr. Als Sarah noch im Bett lag war es
auch schon kurz nach zehn Uhr, d.h. es gibt keine
Reihenfolge zwischen dem Aufstehen und dem nach
zehn Uhr sein, denn es ist vor und nach dem
Aufstehen kurz nach zehn Uhr, das Nachzehnuhrsein
umfaßt das Aufstehen, es gibt keine Reihenfolge.
32
Manchmal ändert man durch die Wahl des Tempus die
Bedeutung des französichen Textes, dann sollte
der deutsche Text aber immer zweideutig sein
Sarah goß einen Kübel kalten Wassers über ihm
aus und er lächelte. Bedeutung 1 Sarah le
doucha longuement et il ria ressuscité. -
Sarah gießt aus und dann lächelt er. Bedeutung 2
Sarah le doucha longuement et il riait
ressuscité. - Er lächelt, Sarah gießt aus,
und er lächelt immer noch. Im ersten Fall ist
das Lächeln die Folge des kalten Wassers, z.B.
weil es 35 Grad heiß ist, also zuerst ausgießen
und dann lächeln. Im zweiten Fall lächelt er vor
dem kalten Guß, dabei und danach, warum er
lächelt bleibt unklar.  
In solchen Fällen sind beide Tempora richtig im
gleichen Text, aber das ist letztlich der Sinn
der Sache. Veränderung des Zeichens führt
üblicherweise zu einer Bedeutungsveränderung. Im
Streit mit einem Lektor kann man hier nur
gewinnen, aber nur wenn man Bescheid weiß.
33
Das Plus-que-parfait und das Conditionnel in der
Erzählung
In der folgenden Handlungskette muß die Handlung
des Vergessens zunächst verschwiegen werden Ich
packte1 meinen Koffer, vergaß2 meinen Schlafanzug
und fuhr los3. Jeder Leser würde spontan sagen
Pack ihn doch ein, du hast es rechtzeitig
gemerkt. Deshalb steht im Text auch eher der
folgende Satz , packten-1 ich meine Sachen aus
und merkten, daß ich den Schlafanzug vergessen2
hatte. Dieses Verhalten der Leser belegt in sehr
schöner Weise die Akzeptanz des fiktiven Jetzt in
einer Erzählung. Also darf ich das Vergessen erst
dann in der Erzählung erwähnen, wenn es entdeckt
oder wichtig wird, dann muß ich es aber als
vergangen zum fiktiven Jetzt kennzeichnen.
Der Autor nennt das Vergessen also nicht zum
fiktiven Jetzt des Vergessens, sondern später,
damit ist das Vergessen zum Zeitpunkt des
Merkens schon Vergangenheit. Im Deutschen wie im
Französischen steht in diesen Fällen das
Plus-que-parfait bzw. das Plusquamperfekt, es
drückt aus, daß eine Handlung in der
Vergangenheit des fiktiven Jetzt liegt, d.h. das
Vergessen ist vorzeitig zum Merken. In analoger
Weise wird verfahren, wenn eine Handlung der
Handlungskette erwähnt wird, ehe sie tatsächlich
in der Erzählung vorkommt, sie also in der
Zukunft des fiktiven Jetzt liegt. In diesem Fall
ist das Ereignis nachzeitig zur seiner Erwähnung.
Im Deutschen wie im Französischen steht in diesen
Fällen das conditionnel bzw. das Konditional.
34
Rede in Erzählungen
Vergleichen wir die beiden folgenden Sätze einer
Erzählung Am nächsten Morgen stand Sarah früher
auf. Le lendemain Sarah sest levée plus
tôt. Sarah sagte ihm Morgen stehe ich früher
auf. Sarah lui a dit, demain je me lèverai plus
tôt. Die Wörter Morgen, demain bedeuten so
etwas wie Tag, der auf das reale Jetzt folgt. Am
nächsten Morgen, le lendemain aber so etwas wie
Tag nach dem letzten fiktiven Jetzt in der
Erzählung
Die wörtliche Rede in einer Erzählung ist immer
und grundsätzlich Rede innerhalb einer Erzählung,
deshalb sind in der wörtlichen Rede auch die
Tempora der Rede zwingend vorgeschrieben, deshalb
spricht Sarah hier im Deutschen im Präsens, auf
französisch hätte sie das Futur Je me lèverai
... verwendet, wie weiter oben
dargestellt. (Viele auch wichtige und große
Autoren des 19. Jahrhunderts lassen ihre Helden
in wörtlicher Rede das Passé Simple verwenden,
ein deutlicher Hinweis darauf, daß die wirkliche
Funktion des Passé simple nicht mehr bekannt ist,
anders als im 17. und 18. Jahrhundert, bei
Molière und Voltaire findet man so etwas nur sehr
selten.)
35
Aber es kann weitere Redeteile in Erzählungen
geben, die Ãœberschrift zu diesem Kapitel deutet
das an. Viele Märchen beginnen mit Es war
einmal und einige enden trotzdem auf und wenn
sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch
heute. Diese Märchen enden auf Zeiten der Rede,
nämlich Perfekt und Präsens, und niemanden stört
das. Also wird es wohl richtig sein. Wer aber
spricht mit wem? Die Gebrüder Grimm, die diese
Märchen aufgeschrieben haben, sind schon lange
verstorben, und ihre Leser und Zuhörer sind Ihnen
vollkommen unbekannt.
In dem SciFi Text weiter oben haben wir eine
Erzählung, die in unserer realen Zukunft spielen
soll und die verwendeten Zeiten sind Zeiten der
Vergangenheit. Klar die Geschichte wird uns
erzählt, aber von wem?, einem Menschen aus der
Zukunft? Natürlich nicht, der Erzähler der
Geschichte ist genauso wenig real wie die
Geschichte selbst, es ist ein fiktiver Erzähler,
der in die Geschichte eingebaut ist, und er
erzählt die Geschichte einem fiktiven Leser, der
ebenfalls in die Geschichte eingebaut ist.
Seit mehr als 25 Jahren fragen sich alle Kinder,
wenn Peter Lustig am Ende seiner Sendung sagt
Kinder schaltet jetzt den Fernseher aus. Und 30
Sekunden später Ihr habt ja immer noch nicht
ausgeschaltet. Wieso weiß der das? Nein, liebe
Kinder, Peter Lustig weiß es nicht, er sagt das
fiktiven Kindern, er sagt das auch, wenn ihr den
Fernseher ausschaltet.
In jeder Erzählung gibt es also einen fiktiven
Erzähler und einen fiktiven Leser. Einige Autoren
lassen den fiktiven Erzähler mit dem fiktiven
Leser kommunizieren. Diese Form der Kommunikation
ist aber auch wörtliche Rede. Mit der Folge, daß
dort die Zeiten und Tempora der Rede zuständig
sind. Da wir das alle intuitiv wissen und richtig
verstehen, bemängelt niemand solche Textstellen.
36
Abgrenzung Erzählung Rede
Man könnte versucht sein zu sagen, daß Rede immer
einen Bezug zur Realität hat, Erzählungen aber in
der Regel fiktional, d.h. ausgedacht sind. Leider
ist das nicht so, auch wenn diese Erwartung
zunächst richtig ist und auch oft bestätigt wird.
Aber Theaterstücke sind weitgehend Rede und immer
fiktional, und zumindest ein Teil der Nachrichten
am 01. April eines Jahres sind wirklich fiktiv,
auch wenn wir reinfallen. Daß wir darauf
hereinfallen, liegt daran, daß wir Rede im Radio,
Fernsehen und in Tageszeitungen zunächst immer
für real halten. Aber bei zwingendem Kontext,
z.B. in einem Theaterstück oder innerhalb eines
Romans hält niemand die Rede für real. Kein
Kind macht sich später als Jugendlicher auf die
Suche nach Dornröschen, zumindest nicht dem
Dornröschen, von dem behauptet wird, daß es noch
lebt. In einem Spielfilm ist fast alles, was wir
hören Rede, alles, was wir sehen Erzählung,
trotzdem betrachten wir das Ganze als Einheit.
37
Begrifflichkeiten
In diesem Text habe ich mit den Begriffen Rede
(fr. Discours) und Erzählung (fr. Récit)
gearbeitet. Diese Begriffe werden auch anders
verwendet ich habe ganz bewußt Erzählung
gewählt, weil das Wort sowohl mündliche und
schriftliche Formen abdeckt und allgemein in
diesem Sinne verstanden wird, es ist ein
umgangssprachlicher Ausdruck, d.h. unmittelbar
einsichtig und meiner Meinung nach der beste
Begriff für den Sachverhalt. Der Begriff Récit
ist fachwissenschaftlich und schriftlich gemeint,
deshalb habe ich ihn hier mitaufgeführt. Der
Begriff Rede ist enger als das Gemeinte und
eigentlich nicht gut, er wird aber in wörtlicher
Rede genauso verwendet, deshalb habe ich ihn
beibehalten. Discours ist zumindest im
Deutschen eine Sammlung aktueller Redebeiträge zu
ausgewählten Themen, z.B. politischer Diskurs
etc. und dort der entsprechende Fachbegriff.
Diese Begrifflichkeiten hat Harald Weinrich 1982,
S.157ff als (erzählte (Récit) und besprochene
(discours) Welt) in die Linguistik des
Französischen eingeführt und ist dafür von den
Linguisten sehr gescholten worden, literarische
Kriterien etc. Inzwischen sind die Begriffe
weitgehend akzeptiert worden (z.B. in Kleineidam
1983). Ich verwende mündlich auch die Begriffe
Récit und Discours, aber ohne Grund, aus
Nachlässigkeit.
38
Erzählung oder Récit sind alle Texte, in denen
eine strikte Handlungskette existiert und ein
fiktives Jetzt durch die Handlungskette generiert
wird. In größeren Texten werden oft mehrere
Handlungsstränge nacheinander und abwechselnd
erzählt und am Ende zusammengeführt. Typische
Erzählungen/Récits sind Märchen, Epen, Romane,
Kurzgeschichten, Novellen und Spielfilme.
Rede oder Discours sind alle Texte, in denen
Handlungsketten üblicherweise nicht existieren
(Ausnahmen sind z.B. Reportagen, Beschreibungen,
Montageanleitungen u.ä.), manchmal gibt es
Anfänge von Erzählungen in der Rede, wenn etwas
verdeutlicht werden soll. Typische Rede sind
alle Gespräche, Reden (privat und öffentlich),
Diskussionen, Streit, Zeitungs- und
Zeitschriftenartikel, Kommentare, Essays,
wissenschaftliche Texte, Theaterstücke, Oper,
Operette, Musical, Sachbücher, Dokumentarfilme
und fast alles, was man im Fernsehen sehen kann,
außer Spielfilmen, Soaps und Serien.
Diese Aufzählungen sind nicht vollständig und
vielleicht auch nicht grundsätzlich richtig, aber
sie sollten eine gute Guideline sein,
Zweifelsfälle kann man meistens für sich
entscheiden, so ist das epische Theater von
Brecht Theater und kein Epos also Rede, Krimi-
und Actionserien eher Erzählungen, aber
Quasselserien, wie Golden Girls und Hört mal,
wer da hämmert eher Rede.
39
Das so genannte historische Präsens in einer
Erzählung
Die meisten Grammatiker glauben, daß sich
Erzählungen in unserer Vergangenheit abgespielt
haben und somit historisch sind, dem ist aber
nicht so. Die meisten Erzählungen haben sich
überhaupt nicht abgespielt und sind reine
Fiktion, auch sogenannte historische Romane haben
lediglich einen historischen Aufhänger, wenn
überhaupt, die Erzählung selbst ist frei
erfunden. Der Begriff ist also eher ungeeignet.
In gesprochener Sprache wechselt der Erzähler
sehr häufig in das Präsens über, um seine
Geschichte lebendiger zu gestalten Gestern
morgen war ich in der Stadt, dachte an nichts
Böses, wollte nur so ein bißchen kucken,
plötzlich hörte ich hinter mir eine Stimme Bist
Du das, Rainer?. Ich dreh mich um, wer kommt da,
der Helmut. Weißt Du wer? Der Helmut Becker,
genau der. ... usw.
Der Wechsel zum Präsens nimmt den Zuhörer mit in
die Geschichte, beteiligt ihn am Geschehen. Dies
Stilmittel ist in der gesprochenen Sprache häufig
zu finden, weil mir niemand zuhört, wenn ich
langatmig eine Geschichte erzähle, wir sind keine
professionellen Erzähler, niemand will von uns
Geschichten hören (deshalb sind die meisten Witze
als Rede konzipiert und nicht als Erzählung). In
literarischen Texten findet man dieses Stilmittel
eher selten, wenn nicht sogar sehr selten. Mir am
besten bekannt ist der Roman La Peur von
Gabriel Chevalier, wo der Autor immer dann von
diesem Stilmittel Gebrauch macht, wenn er uns an
seiner Angst in den Schützengräben des 1.
Weltkriegs teilhaben lassen will.
40
  Jétais dans lîle depuis trois
mois, A0 lorsquun jour un gamin mapporta un
cadeau de celle que je pouvais désormais
appeler mon amie Taratonga. Cétait un gâteau
de noix, quelle avait préparé elle-même à mon
intention, A1 mais ce qui me frappa
immédiatement   A2 ce fut la toile dans
laquelle le gâteau était enveloppé. Cétait
une grossière toile à sac, mais peinte de
couleurs étranges, qui me rappelaient
vaguement quelque chose A3 et, au premier
abord, je ne sus quoi.   A4 Jexaminai la toile
plus attentivement A5 et mon cœur fit un bond
prodigieux dans ma poitrine. A6 Je dus
masseoir. A7 Je pris la toile sur mes genoux
A8 et la déroulai soigneusement. Cétait un
rectangle de cinquante centimètres sur trente
et la peinture était craquelée et à demi
effacée par endroits. A9 Je restai là un
moment, fixant la toile dun œil incrédule.
Mais il ny avait pas de doute possible.
Javais devant moi un tableau de
Gauguin. A10 (Je me demandai alors   si jen
parlerais à Taratonga.)
41
Zusammenfassung
42
Merkregeln für die Praxis und den Unterricht
  • Die Verwendung des Passé composé im Récit ist auf
    die gesprochene Sprache beschränkt, erst seit
    1942 gibt es literarische Texte, die es dem Passé
    Simple vorziehen.
  • Das Imparfait hat in beiden Zeitsystemen eine
    ähnliche Bedeutung, es drückt die
    Gleichzeitigkeit zu einer oder vielen anderen
    Handlungen aus. Im Récit steht es deshalb immer,
    wenn eine Handlung nicht in die Handlungskette
    paßt, in der Rede steht es nur in Nebensätzen
    (außer bei den Imperfekt anfälligen Verben).
  • Das Conditionnel in der Rede bezeichnet eine
    hypothetische Handlung der Gegenwart, im Récit
    bezeichnet es eine reale Handlung, die später
    stattfinden soll.
  • Im Récit steht nie eine Zeit der Zukunft oder der
    Gegenwart.
  • Ein deutsches Plusquamperfekt entspricht immer
    einem französischen Plus-que-parfait.
  • Ein deutsches Konditional entspricht immer einem
    französischen Conditionnel, außer in
    Bedingungssätzen, dort steht im Si-Teil das
    Imparfait statt des Conditionnel, und das
    Plus-que-parfait statt des Conditionnel Passé.
  • Ein deutsches Perfekt entspricht immer einem
    französischen Passé Composé.
  • Ein französisches Passé Composé in der Rede
    entspricht immer einem deutschen Perfekt, im
    Récit aber immer einem deutschen Imperfekt.
  • Ein französisches Présent entspricht immer einem
    deutschen Präsens
  • Benutze selbst niemals ein Passé Simple oder
    ähnliche archaische Formen. (Ça te donne lair
    idiot.)

43
Klein-Strohmeyer Französische Sprachlehre
Vorwort Diese Französische Sprachlehre ist
nicht einfach eine Ãœberarbeitung der bisherigen
Neuen Französischen Sprachlehre des Ernst Klett
Verlages (Französische Schulgrammatik von Fritz
Strohmeyer, 2. Aufl. Leipzig Teubner, 1919, iv,
254 p.), sondern ein völlig neues Buch. Es wurde
zwar auf dem bewährten Werk von Fritz Strohmeyer
aufgebaut und in enger Zusammenarbeit mit dem
Autor nach modernen Erkenntnissen geordnet und
erweitert, ist aber vor allem in der Stoffauswahl
und in der Methodik der Darstellung völlig
neu. Maßgebend für die Beispielauswahl war nicht
nur der gute Sprachgebrauch klassischer und
moderner Autoren, sondern auch die gute
Umgangssprache von heute. Wir haben uns dabei
ebensosehr davor gehütet, Veraltetes als Norm
hinzustellen, wie auch davor, unbedingt jeder
Neuerung nachzulaufen, die noch nicht zum bon
usage geworden ist, wie ihn Ph. Martinon und M.
Grevisse beispielgebend darstellen. Getreu
diesen Leitsätzen haben wir versucht, die Regeln
nicht als Vorschriften oder Gesetze, sondern als
Erläuterung des inneren Systems der Sprache
darzubieten. Die Darstellung ist weder
historisierend noch psychologisierend, sondern
folgt der heute in der Wissenschaft gültigen
deskriptiven Methode. Wir haben allerdings die
traditionelle Terminologie meist beibehalten,
weil die Schule nicht da experimentieren sollte,
wo die Forschung noch keine allgemein
akzeptierten Bezeichnungen gewonnen hat.
Lediglich der französischen Sprache nicht gemäße
Begriffe wie Kasus u. dgl. wurden neu definiert
und benannt. Die Beispiele sind französischen
Quellen verschiedenster Art entnommen. In den
Fällen, die Besonderheiten oder .
Entwicklungstendenzen des heutigen
Sprachgebrauchs illustrieren, haben wir Belege
modernster Schriftsteller . gegeben.
Stuttgart 1956 (von mir hinzugefügt)
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(No Transcript)
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