Das Lesen von Architektur als Zeichen: Grundlagen einer Architektursemiotik

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Das Lesen von Architektur als Zeichen: Grundlagen einer Architektursemiotik

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Prof. Dr. Wolfgang Wildgen (Universit t Bremen; Fachbereich 10) Das Lesen von Architektur als Zeichen: Grundlagen einer Architektursemiotik Vortrag im Bremer Zentrum ... – PowerPoint PPT presentation

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Title: Das Lesen von Architektur als Zeichen: Grundlagen einer Architektursemiotik


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Das Lesen von Architektur als Zeichen Grundlagen
einer Architektursemiotik
Prof. Dr. Wolfgang Wildgen (Universität Bremen
Fachbereich 10)
  • Vortrag im Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb)
  • Speicher XI, 21.02.2007

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Gliederung
  • Bedeutungen von Architektur (historische
    Perspektive)
  • Die Bedeutung architektonischer
    Grundformen(Elemente einer strukturalen
    Architektursemiotik)
  • Natürliche Formen als Bedeutungsträger
  • Suche nach Grundformen mit anderen natürlichen
    Bedeutungen
  • Semiotik des architektonischen Dekors
  • Die Gigli von Nola als semiotisches Konstrukt
  • Der Bremer Roland

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Bedeutungen von Architektur (historische
Perspektive)
  • Die antike Theorie der Architektur (Vitruv 1.
    vorchr. Jh.) wurde in der Renaissance von
    Palladio 16. Jh. wieder aufgenommen und in
    Bauten umgesetzt. Vitruv spricht von einem logos
    opticos (einer visuellen Sprache) und einer
    architektonischen Inszenierung, d.h. einer Syntax
    (Diathesis) .
  • Fast zur gleichen Zeit (15.-16. Jh.) wurde in
    Japan die so genannte Tee-Architektur
    (Sukiya-Stil) entwickelt, die eng an rituelle
    Prozesse und an einer Korrespondenz von Mikro-
    und Makrokosmos orientiert war. Die Architektur
    bezieht ihre Bedeutung in Analogie zum Kosmos und
    sie wirkt auf den Menschen (sagt ihm was er darf
    oder soll).
  • Verallgemeinernd kann man sagen, die Architektur
    erhält Bedeutung aus einem größeren (kosmischen)
    Zusammen-hang und sie spricht zum Menschen, sagt
    ihm was er tun soll.

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Architektur und Gedächtnis
  • Der Ursprung der antiken Gedächtnistheorie geht
    auf einen Mythos zurück, nach dem beim Einsturz
    einer Saaldecke der Überlebende Simon alle Toten
    anhand der Sitzposition im Verhältnis zur
    architektonischen Ordnung identifizieren konnte.
  • Im antiken Rhetorik-Training hatte dem
    entsprechend der Redner die Hauptinhalte seines
    Vortrages in einem vorgestellten Gebäude (mit
    Park, Nischen, Statuen, Möbeln) zu verorten und
    dann, im Geiste umhergehend, abzurufen.
  • Umgekehrt wurden die öffentlichen Gebäude so
    konzipiert, dass sie beim Abschreiten oder
    anlässlich ritueller Handlungen eine geordnete
    Folge von Erinnerungen/ Inhalten nahe legten,
    d. h. die Architektur wurde zum
    Gedächtnistheater.

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  • Bereits am Anfang der Architekturtheorie, also in
    der Antike, bestand ein klarer Bezug zwischen dem
    bildhaften und sprachlichen Gedächtnis und der
    Konzeption (öffentlicher) Bauten. Da wir die in
    der (kollektiven) Erinnerung gespeicherten Bilder
    und Wörter mit Recht als Zeichen verstehen
    können, ist also schon die antike
    Architekturtheorie Bestandteil einer
    Zeichentheorie, d. h. einer Semiotik.
  • Bei Palladio und in der Tee-Architektur Japans
    wird deutlich, dass architektonische Zeichen so
    etwas wie allgemeine Zeichen-Schemata, d. h.
    auszufüllende Konzeptfolien darstellen. Im
    Ritual, durch den Hausherrn und seine Gäste im
    Tee-Ritual, durch die Liturgie (Wörter und
    Handlungen) in Tempeln und Kirchen, durch die
    venetianischen Adeligen, die das Landgut
    verwalten, und die Gäste, die an ihren Festen
    teilnehmen, ist die Architektur jeweils als
    vorgegebenes Zeichenschema weiter auszufüllen.
  • Der ewige Wert von Kunst ist eine Folge dieser
    Offenheit. Er verweist eher auf das
    Allgemein-Menschliche und somit auf eine tiefere
    Einheit.

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Teil 1
Die Bedeutung architektonischer
Grundformen(Elemente einer strukturalen
Architektursemiotik)
7
Strukturalistischer Zeichenbegriff (Ferdinand de
Saussure)
image mentale Signifié (Signifikat) ____________________ image acoustique Signifiant (Signifikant) Typus von Objekten oder Ereignissen in einer Sprachgemeinschaft ____________________ Netzwerk sich unter-scheidender Ausdrucks-werte (Oppositionen)
Feldbeziehungen in einer Sprache (z.B. dem
Deutschen)
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Architektonische Zeichentriade
Ikon Index Symbol
Interpretant (eine Zeichenregel wird
erkannt/benützt)
(erfahrenes/ wahrge-nommenes) Gebäude als
Zeichenform
Gebäude als physikalische Entität (Referent)
SäuleFassade Komplex
Teil-Ganzes Beziehungen
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Vom sprachlichen Zeichen zur Stadt als Zeichen
Skala und Übergänge
Die Rolle des architektonischen Zeichens lässt
sich zuerst aus seiner Position auf einer Skala
von Prototypen menschlicher Zeichen bestimmen.
Die folgender Sequenz (oben Signifikant/ unten
Signifikat) illustriert die Differenzen und
Übergänge.
sprachliches Zeichen, z.B. Eigennamen gt Bild(Porträt) gt Plastik(z.B. eines Herrschers) gt Gebäude(z.B. Palast/Rathaus) gt Stadt(Freie Hansestadt)
Julius Cäsar gt Kaiser gt Kaiser als Reiter gt Herrschafts-zentrum, pol. Repräsentat. gt Handels- und Prod. zentr, Autonomie
Sequenz benachbarter Zeichentypen (nach Größe in
Raum und Zeit geordnet)
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Bewegungsraum und Betrachtungswege des
Besuchers/Betrachters
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Unterschied von Plastik und Gebäude
  • Die Architektur ist prinzipiell in ihren Maßen
    (im Vergleich zum Menschen) verschieden von der
    Plastik, d.h. ein Gebäude ist meist wesentlich
    größer (repräsentative Häuser sind um ein Fünf-
    bis Zehnfaches größer).
  • Außerdem geht man um eine Plastik herum, bei der
    Architektur geht man in diese hinein und man
    bewegt sich in ihr (oder wohnt in ihr). Der
    Lebens-Archetyp der Architektur ist der Schutz
    (urtümliche Formen sind die Laubhütte, der
    Höhleneingang). Die Architektur ist ein Zeichen,
    in dem sich der Mensch bewegt, das er bewohnt, in
    dem er handelt.
  • Beschränkungen des Zugangs zum Gebäude oder
    seinen Teilen haben eine Entsprechung in der
    Gliederung der Gesellschaft (Handlungspotential
    als soziale Kategorie).

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Orientierung und Perspektive
Es gibt mindestens zwei ausgezeichnete
Perspektiven. Eine Außen- und eine
Innenperspektive I und II.
II. Blick vom Salon in den Park (Auffahrt)
Nymphäum und Fischteich Rückseite der Villa
IBlick von der Auffahrt zum Haupteingang
Süden
Norden
Hanglage
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Sprachliche und architektonische
Orientierungssysteme
  • In den Sprachen der Welt finden wir sowohl
    subjektive (ego-zentrische) als auch absolute
    Orientierungssysteme.
  • Bei den subjektiven Systemen ist der eigene
    Körper der Basisbereich, aus dem metaphorisch
    globaler Orientierungen geschöpft werden (vgl.
    kognitive Metaphern-Modelle).
  • Bei den absoluten Systemen ist die Orientierung
    unabhängig von der Bewegung des Sprechers. Als
    Fixpunkte können die Richtungen relativ zum
    Magnetpol, solche relativ zum Polarstern, oder
    zum Sonnenauf- oder Untergang an einem Tag des
    Jahres (Sonnwende), Windrichtungen, markante
    Berge am Horizont u.ä. dienen.
  • Jedes beliebige Element der Umgebung kann
    außerdem als Orientierung dienen (die Domtürme,
    die Tore der Stadt, die längste Straße, die
    Hauptstraße u.a.). Insofern ist die Architektur
    Bestandteil versprachlichter Orientierungen (z.B.
    bei Wegbeschreibungen).
  • In ähnlicher Weise sind subjektive Perspektiven
    (des Hausbesitzers, der Bewohner, der Kunden, der
    Fremden) für das Lesen von Architektur relevant.
  • Objektive Orientierungen haben entweder
    klimatische (Helligkeit, Wärme) oder symbolische
    Bedeutungen (Nähe zu anderen prestigehaltigen
    Gebäuden, wertvoller Baugrund, Dominanz bei der
    Höhe des Gebäudes)

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Palladio Ausführung der Villa Barbaro in
Maser Verbindung von Herrschaftstrakt mit
Wirtschaftsgebäuden Seitengebäude Taubenhaus mit
Sonnenuhr
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Zwischen Tempel und Stadtpalast
Grundriss der Villa Rotonda Kreis, Quadrat,
umschriebenes Achteck
Die vier Himmelsrichtungen entsprechen (auf 2o
genau) den Diagonalen des Baus (geometrische
Idealformen)
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Ideal Konstruktionen
In der theoretischen Konstruktion ist die Kuppel
noch stärker als Halbkugel ausgeprägt. Dieser
Erhöhung sollte dann doch dem Kirchenbau
vorent-halten bleiben. Dennoch kommt es zu einer
Vermischung von Profan und Sakralbau in dieser
Periode.
Villa Rotonda. Palladio. Quattro libri dell
archittetura
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Geometrische Überlagerung der semiotischen Ebenen
des Gebäudes
  • In erster Linie finden wir im Zentrum einen
    quadratischen Block mit einem eingebetteten
    Zylinder. Es wird umgeben von dem griechischen
    Kreuz der Aufgänge und Vorhallen.
  • In zweiter Linie wird dem Ganzen anstelle einer
    Öffnung (als Hof oder Atrium) eine Kuppel
    aufgesetzt, wodurch die oben/unten-, die
    Kosmos-Mensch-Opposition verstärkt wird. Die
    Kuppel ist quasi ein künstlicher Himmel, der das
    Bauwerk vertikal schließt und gleichzeitig die
    Lichtverteilung reguliert (sie je nach Tageszeit
    beweglich macht).
  • In dritter Linie erweitern die vier Vorhallen das
    innere Quadrat zu einem Achteck. Diese Struktur
    verbindet den Bau mit dem antiken Tempel.
  • Schlussendlich steht die Villa auf dem
    natürlichen Podest eines Hügels sie ist erhaben
    (siehe die Akropolis als herausgehobener Ort).
  • Insgesamt wird ein gestuftes Zeichen geschaffen
    vom künstlich modellierten Hügel (als Erdkuppel),
    den gestuften Baukörpern von den Treppenaufgängen
    über die Vorhallen und den quadratischen
    Zentralbau bis zur krönenden Kuppel, die die Form
    der natürlichen Landschafts-Kuppel wiederholt.

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Die doppelte Opposition von raum-zeitlichen
Bedeutungen
Himmel, Kosmos
Gedächtnis Hinweis auf frühere Bauten (Tradition)
Bedeutung für die Zukunft (Nachwelt, Ruhm)
Verwurzelung in der jetzigen Landschaft
(Bodenständigkeit)
Modifiziert nach Boudon, 1992 41)
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  • Von diesen Konstruktionsformen führen viele
    Formen (quasi als Zitate) zu früheren Bauten der
    Antike und des Quattrocento, und viele spätere
    Bauten bis zur Moderne zitieren Bauformen
    Palladios. Jede Architektur ist also nur in einer
    Intertextualität früherer und späterer Formen
    vollständig zu verstehen.
  • In der fast gleichzeitigen Tee-Architektur Japans
    werden strenge Bauordnungen im Einklang mit
    kosmologischen Prinzipien realisiert (auf der
    Basis einer Fünf-Elemente Lehre
    Erde-Wasser-Feuer Metall, Holz).
  • Wie in anderen ostasiatischen Kulturen spielt
    neben der Abbildung idealer Landschaften, die
    Aufgliederung der Zugangsberechtigung und Rituale
    des sozialen Zusammen-treffens, z.B. von
    Hausherrn und seinen Gästen eine große Rolle.
    Dadurch überwiegt das dynamische Moment in der
    Architektur, d.h. erst im Ritual entfaltet sich
    die Bedeutung des Gebäudes und seiner Ordnungen.
  • Hammad, 2006 spricht in beiden Fällen, der
    Architektur Palladios und der Tee-Architektur,
    von einer essentialistischen Semiose, da die
    Bedeutung mit der Substanz gegeben wird.

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Drei semiotische Arten des Architektonischen
(nach Boudon)
Tektonik Kraftfeld
Sie entfalten die Opposition Konstruierbarkeit -
Nachahmung (Mimesis).
Rhythmus Raster
Falte, Kante
Dekor, Verkleidung
Skulptur Plastik
Wappenzeichen, Emblem
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  • Das Tektonische manifestiert sich im Tragegerüst,
    den Kraftlinien, Verbindungen eines gegliederten
    Ganzen. Es zeigt sich in der Architektur,
    betrifft aber auch die Stabilität, das
    Gleichgewicht der Kräfte in einer Plastik.
  • Das Plastische ist eher durch die Formung der
    Konturen, der Massen charakterisiert.
  • Das Ornament beruht auf der Wiederholung eines
    geometrischen oder organischen Musters.
  • Diese drei Terme bilden ein Spannungsfeld, zu
    deren Eckpunkten jede Form strebt.

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  • Zwischen dem Plastischen und dem Dekorativen
    stehen die Embleme, Wappen, aber auch die Masken
    in außereuropäischen Kulturen.
  • Zwischen dem Tektonischen und dem Ornament finden
    wir die Wiederholungen und Rhythmen in einer
    Passage oder einer Säulenhalle.
  • Zwischen dem Tektonischen und dem Plastischen
    finden wir die Falten, die konstruktiven Adern
    einer Plastik, das Relief eines Bildes.
  • Das architektonische Zeichen gliedert sich ebenso
    wie das sprachliche in verschiedene Ebenen, d.h.
    man muss tektonische, plastische und dekorative
    Zeichen und deren Bedeutungen unterscheiden.

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Natürliche Formen als Bedeutungsträger (Antoni
Gaudi )
  • Antoni Gaudi (1852-1926) geht vom Prinzip aus,
    dass das Schöne und Wahre in der Architektur
    nicht vom Menschen erfunden wird, sondern durch
    Beobachtung und Nachahmung der Natur vom Menschen
    gefunden wird.
  • Bei der Abstraktion setzt Gaudi ebenso wie Vitruv
    und Palladio auf die Geometrie. Allerdings steht
    die Geometrie der belebten Natur im Zentrum.
  • Gaudi beschäftigt sich deshalb experimentell mit
    konvexen und konkaven Flächen, mit Konoïden,
    hyperbolischen und parabolischen Flächen und
    deren Überschneidungen.
  • Da die mathematische Beherrschung dieser neuen
    Formen noch ungenügend war, hat Gaudi
    insbesondere die Statik und Dynamik solcher
    Konstruktionen anhand seiner umgedrehten, mit
    Gewichten behängten Seilmodelle getestet.

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Die Kathedrale Sagrada Familia in Barcelona
(1883-heute)
Innenausbau um 2002
Zustand des Baus um 1980
25
Säulenkonstruktion der Sagrada Familia
Der Baum als Vorbild
Säulenreihe
Konstruktionszeichnung
26
Sinoidale Bauformen Links Casa Battlo Barcelona
Die neben der Kathedrale als erstes fertig
gestellte Schule, die während des Baus als
Bauhütte genutzt wurde, kann als konoïde und
sinoïdale Konstruktion auf dem Computer simuliert
werden. Damit hat Gaudi eine Tradition eröffnet,
die zu vielen modernen Bauten führt, insbesondere
seitdem diese mit den Hilfsmitteln des
computergesteuerten Designs geplant werden.
27
Ich zeige zuerst die Idee einer Dachkonstruktion
in Analogie zur sphärischen Schalengeometrie
(Entwurf von Jorn Utzon (1957). Der Bau konnte
erst nach längeren Experimenten zur Statik einer
technisch realisierbaren Konstruktion ausgeführt
werden (Bauende 1973).
Modell einer sphärischen Schalengeometrie
Opernhaus, Sydney, 1957-1973
28
Suche nach Grundformen mit anderen natürlichen
Bedeutungen
Inzwischen gibt es eine große Zahl ähnlicher
Bauten, die zumindest in ihrer äußeren Gestalt
natürliche Formen nachahmen oder auf diese
verweisen. Die konsequente Durchdringung der
Konstruktion mit einer solchen Idee zeichnet aber
immer noch die Bauten Gaudis aus, da er auch die
Außenfassade, die Innenarchitektur und das
Mobiliar nach den gleichen Prinzipien gestaltet
hat. Eine wesentliche Rolle spielen in der Suche
nach neuen Formen, die Materialien und
Verarbeitungstechniken. Man denke nur an die
Eisenkonstruktionen des späten 19. Jhs.
(Prototyp Eifelturm), die Betonkonstruktionen
(Le Corbusier, Kirche von Ronchamps), gespannte
Zeltkonstruktion (Olympiastadium München) oder in
Bremen an das Universum.
Behnisch und Partner, 1967-1972
29
Guggenheim Museum Bilbao
Universum in Bremen
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Teil 2
Semiotik des architektonischen Dekors
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Semiotik des architektonischen Dekors
  • Die Schmuckformen des Bauwerks werden von Lipp
    (1906) als Bildkunst der technischen Kunst des
    Bauwerks entgegengesetzt. Er sagt
  • Es gibt kein Mittleres zwischen technischer und
    Bildkunst. (...) das dekorative Bildkunstwerk
    kann nichts sein als ein Kompromiss zwischen
    diesen beiden grundsätzlich verschiedenen
    Welten. (ibidem 602)
  • In Hinblick auf das Modell von Boudon ist der
    Dekor emblematisch, narrativ aber auch rhythmisch
    bedeutsam (vgl. Folie 20).
  • In semiotischen Begriffen liegt ein Verzahnung
    von mindestens zwei Zeichenebenen vor.

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Die Gigli von Nola als semiotisches Konstrukt
Einmal im Jahr wird in verschiedenen Stadtteilen
Nolas an riesigen, schlanken Holzgerüsten
gearbeitet. Sie bestehen aus siebenstöckigen
Konstruktionen, welche die Häuser überragen und
mit den Kirchtürmen konkurrieren. Im Kern
enthalten sie einen Mast aus mehreren
zusammengefügten Baumstämmen, der in eine
Balkenkonstruktion auf der Basis zuerst von
Quadraten und dann (in der Höhe) von Dreiecken
eingefügt ist. Eine breite Basiskonstruktion
enthält die zur Stabilisierung des hohen Turmes
notwendigen Sitzplätze für passive Teilnehmer und
die Führung für die Rundhölzer, welche auf den
Schultern der Trägermannschaften ruhen werden.
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Semiotische Bedeutungsschichtung
  • Die semiotische Struktur der Gigli besteht aus
  • dem Symbol des Baumes (er gehört in den Kontext
    einer Naturreligion),
  • der geometrisch regulären Stützkonstruktion (sie
    abstrahiert das Natursymbol zur formalen
    Konstruktion, quasi die Natur zur Kosmologie),
  • der christlichen Verbrämung und Ausfüllung (sie
    dekoriert die Basisstruktur mit Figuren einer
    kulturellen Tradition, an deren vorläufigem Ende
    das Christentum steht).
  • Die christliche Verbrämung verbirgt (negiert)
    gleichzeitig die heidnische Urbedeutung des
    Brauchs dies ist eine modale Bedeutung.

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Der Bremer Roland
  • Die eigentliche Geschichte, d.h. die
    urkundliche Erfassung von Rolandfiguren, beginnt
    1342. Ab 1404 (in Bremen) wurden zerstörte
    Rolande durch neue, z.B. hölzerne durch
    steinerne, ersetzt, so dass das 15. Jahrhundert
    als die eigentliche Blütezeit angesehen werden
    kann.
  • Nach der Konsolidierung des Rats 1404 (siehe
    oben) wurde ein neuer Roland vor das ebenfalls in
    dieser Zeit (1405-1407) gebaute gotische Rathaus
    gestellt.
  • Der Name und die Insignien des Rolands enthalten
    Verweise auf frühere Zeichenstrukturen Der Name
    Roland (als Rodlan Rothlandus),
    Hruodlandus taucht in Urkunden, auf Münzen und
    in der fränkischen Geschichtsschreibung für einen
    Würdenträger im Reich Karl d. Großen zwischen 772
    und 836 auf. (Die Sage macht ihn zum Neffen Karls
    d. Großen.) Dies ist wohl die historische Wurzel
    der Rolandslegende

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Kollossalstatue des Bremer Rolands mit Schild und
Baldachin
Ansicht der Bremer Innenstadt von 1588 Mit
gotischen Rathaus (vor der Erneuerung) und Roland
36
  • Der zweite Schritt der Umwandlung der
    Rolandsfigur erfolgte in der Literatur. Das
    altfranzösische Chanson de Roland, ein früher
    Typus mittelalterlicher Heldenepik, entstand
    zwischen 1100 und 1125. Bereits 1135 wurde es
    durch den Pfaffen Konrad ins Mittelhochdeutsche
    übertragen.
  • Die Heidelberger Handschrift (Codex Palatinus
    Germanicus 112) enthält 39 Federzeichnungen. Auf
    fol. 5v steht Roland als Schwertträger zur
    Rechten Karls des Großen (aber ohne Rüstung, da
    er sich im Rat befindet). Diese Funktion als
    rechte Hand des Kaisers, die auch mit der
    Bedeutung des Rechtes auf Blutsgerichtbarkeit
    verquickt werden konnte, scheint der Kern der
    Roland-Symbolik in den Freien Reichsstädten
    gewesen zu sein.
  • Eine literarische Variation entwickelte im 15.
    Jahrhundert Matteo Maria Boiardo (1440-1494) mit
    dem Verliebten Roland (Orlando inamorato), der
    als Vorbild für das Ritterepos der Renaissance
    diente.

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Der Tod Rolands am Pass von Roncevalles war
bereits im Mittelalter als Kampf gegen die
Sarazenen umgedeutet worden (in Wirklichkeit
kämpfte Roland gegen die Basken), 1827 nimmt der
Kampf der Griechen gegen die Türken diese Stelle
ein (indirekt der Deutschlands gegen Napoleon).
Die Figur des Rolands dient aber als
Kristallisationspunkt für immer neue
Interpretationen, d.h. das steinerne Zeichen ist
zwar ein feststehender, scheinbar
unveränderlicher Zeichenkörper, aber seine
Bedeutung verändert sich laufend (in einem Feld,
das durch den Kampf um die Selbstständigkeit der
Stadt definiert ist).
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Parallele, stützende Zeichen
  • Das Siegel von 1366. Es zeigt den Kaiser zur
    Rechten mit seinen Insignien und eine Figur mit
    Schwert und Bremer Schlüssel, dem Wahrzeichen der
    Stadt (Auf dem Siegel von 1230 sitzen sich noch
    Kaiser Karl und Bischof Willehad, gest. 789, mit
    Bischofsstab gegenüber und halten den Dom in den
    Händen).
  • Im ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts
    entstanden in der Ratskanzlei eine Serie von
    Urkunden, mit denen die Stadt sich auf angeblich
    von Karl d. Großen verliehene Rechte berief, die
    von den Königen Heinrich V (1111), Wilhelm von
    Holland (1252) und Wenzel (1396) bestätigt worden
    wären.
  • Die Konstruktion einer direkt auf Karl d. Großen
    zurückverweisenden Kaiserwürde wurde von Kaiser
    Karl IV (dem ersten Karl seit den Karolingern,
    1346-1378) wiederbelebt. Das kaiserliche Wappen
    auf dem Schild des Rolands ebenso wie die Figuren
    des Kaisers und der Kurfürsten am gotischen
    Rathaus verstärken diese Konstruktion eines
    erneuerten Kaisertums, in dessen Schutz sich die
    Hansestadt stellt.

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  • Der Bremer Roland wurde vor das Rathaus in
    Sichtlinie zum Dom und an die Grenze zur
    Marktmauer gestellt. Die Ortsveränderung war
    sicher ein demonstrativer Akt er stellt den
    Roland (durch die turmartige Rückseite und den
    Baldachin vergrößert) an den Kreuzungspunkt
    mehrerer Kraftlinien Rathaus Dom (als
    Zeichen der Opposition) Rathaus umfriedeter
    Markt (als Zeichen der Verbindung und des
    Schutzes).
  • Neben den figürlichen Zeichen enthält der Roland
    auf seinem Schild auch einen Text. Dieser
    verweist direkt auf den in den erstellten
    Urkunden manifestierten politischen Anspruch
    Vryheit (Freiheit) karl und mennich vorst
    (Karl und mancher Fürst) sind dabei die
    Schlüsselbegriffe.

40
  • Insgesamt ist der Bremer Roland, wie andere
    Rolande des norddeutschen Raumes, eine politische
    Inszenierung, die aus einem Zeichenfundus
    schöpft, der sowohl Bildnissee, Dokumente, als
    auch Geschichten enthält. Der zentrale Ort, die
    Größe und die Ausführung in Stein führen dazu,
    dass das komplizierte semiotische Netzwerk, das
    nur für Spezialisten bruchstückhaft durchschaubar
    ist, in eine öffentliche, leicht lesbare Form
    gebracht wird. Von das aus stabilisiert es die
    verzweigten Bedeutungsnetze und ist gleichzeitig
    Ausgangspunkt für immer neue Bedeutungsschöpfungen
    es ist quasi ein städtischer Bedeutungsknoten,
    der aber in den architektonischen und urbanen
    Kontext integriert ist.

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Architektonischer Dekor als Bildersprache
  • Die Bildersprache hat wie die Schrift Bedingungen
    der Lesbarkeit sie setzt die Kenntnis eines dem
    Bild nicht immanenten Codes voraus. Geht diesen
    Schlüssel verloren, so wird sie unlesbar, wie
    alte Schriften, deren Nachfolgesprachen nicht
    oder nur bruchstückhaft bekannt sind.
  • Da durch den Dreißigjährigen Krieg die Kultur der
    Spätrenaissance brutal beendet wurde, ist die
    Lesbarkeit der Bremer Fassade nur durch ein
    aufwändiges Studium der Quellen (Emblembücher,
    Drucke und zeitgleiche Gebäudedekorationen und
    Plastiken) möglich (vgl. Gramatzki, 1994). Hier
    liegt der Aufgabenbereich einer kunsthistorischen
    Ikonographie oder einer diachronen Architektur-
    und Kunst-Semiotik.

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  • An die Stelle des Marktes vor dem Rathaus treten
    auswechselbare Handlungsszenarien
  • Die alltägliche touristische Vorführung des
    Platzes, der Weihnachtsmarkt, der Kleine
    Freimarkt.
  • Die organisierten Versammlungen von
    Demonstra-tionen zu Videoprojektionen und
    Konzerten bis zu den Meisterfeiern des SV Werder
    Bremen. Im Innern des Rathauses finden Empfänge,
    das Schaffermahl statt.
  • Eine spektakuläre Variation der Fassade rund um
    den Marktplatz haben Video-Projektionen
    demonstriert. Dabei diente etwa die
    Rathausfassade als Struktur-vorlage, der neue
    Profile und Farben aufgeprägt wurden (anlässlich
    der 600 Jahr-Feier des Rolands 2004. Dies
    demonstriert augenfällig den dynamischen
    Charakter jeder repräsentativen Stadtarchitektur.

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Weshalb eine semiotische Analyse von Architektur?
  • Die Architektur hat wie der Maschinenbau
    natürlich eine mechanisch-technische Seite, die
    von Ingenieuren nach den Erkenntnissen der
    Naturwissenschaften zu lösen ist.
  • Sie ist aber auch für den Menschen, wird in
    menschlichen Kontexte eingebettet, erhält darin
    Sinn für die Menschen Insofern hat sie einen
    kommunikativen Aspekt.
  • Die semiotische Analyse kann den kommunikativen
    Aspekt in einer systematischen Weise erfassen,
    welche eine Integration mit ingenieurwissenschaftl
    ichen Aspekten ermöglicht. Dazu muss die Semiotik
    über das Subjektiv-Interpretative hinausgehen und
    Gesetzmäßigkeiten aufdecken. Wie dies zu
    geschehen hat, sollte dieser Vortrag exemplarisch
    zeigen.

44
  • Literatur (Auswahl)
  • Bentmann, Richard und Michael Müller, 1970. Die
    Villa als Herrschaftsar-chitektur. Versuch einer
    kunst- und sozialgeschichtlichen Analyse,
    Suhrkamp, Frankfurt am Main.
  • Boudon, Pierre, 1992. Le paradigme de
    larchitecture, Les Éditions Balzac, Candiac
    (Québec).
  • Giralt-Miracle, Daniel (Hg.), 2002. Gaudí. La
    búsqueda de la forma. Espacio, geometria y
    construcción, Ajutement de Barcelona , Barcelona.
  • Hammad, Manar, 2006. Lire lespace. Comprendre
    larchitecture, Geuthner (PULIM), Paris.
  • Palladio, Andrea, 2002. Bildatlas zum Gesamtwerk
    (hg. von Guido Beltramini und Pino Guidolotti),
    Hirmer, München.
  • Vitruv, 1987. Zehn Bücher über Architektur
    (Latein-Deutsch von Curt Fensterbusch),
    Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt.
  • Wildgen, Wolfgang, 1998. Das kosmische
    Gedächtnis. Kosmologie, Semiotik und
    Gedächtnistheorie im Werke von Giordano Bruno
    (1548-1600),Lang Verlag, Frankfurt (Einleitung)
  • Wildgen, Wolfgang, 2003.Semiotische Analysen der
    Stadt Bremen ein Beitrag zur Architektur- und
    Stadtsemiotik (vorläufige Fassung
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