Title: Kein Folientitel
1Neuronale Korrelate von Bindung im fMRT Eine
Pilotstudie Anna Buchheim1, Susanne Erk2, Henrik
Walter2 Universität Ulm, Abteilung Psychotherapie
und Psychosomatische Medizin 1 Abteilung
Psychiatrie 2
3
2
4
- Einführung
- Die Bindungstheorie von Bowlby (1969) stellt ein
etabliertes entwicklungspsychologisches Modell
zur Verfügung, um die Qualität und Repräsentanz
von zwischenmenschlichen Bindungen zu
beschreiben. Reale Erfahrungen mit wichtigen
Bindungspersonen konstituieren die Ausgestaltung
einer inneren Repräsentation von Bindung und
deren Affektregulation bzw. -dysregulation. Die
Bindungsrepräsentation von Erwachsenen kann -
neben dem traditionell verwendeten Adult
Attachment Interview (AAI, George et al. 1985) -
mit dem jüngst entwickelten projektiven
Verfahren, dem sog. Adult Attachment Projective
(AAP, George et al. 1999) reliabel und valide
erfaßt werden. Das AAP-Set besteht aus 8
bindungsrelevanten Bildern, zu denen jeweils nach
einer vorgegebenen Instruktion eine Geschichte
erzählt wird. Die Methode fokussiert auf die
strukturelle Organisation der sprachlichen
Darstellung von bindungsrelevanten Themen. Die
Narrative werden wörtlich transkribiert und nach
einer diskursanalytischen Auswertemethodik einer
der organisierten Bindungskategorien (sicher,
distanziert, verstrickt) , bzw. zu der
desorganisierten Kategorie (ungelöstes
Trauma) zugeordnet. Die Skalen des AAP-Systems
gliedern sich in Inhalt (Sychrony, Agency,
Connectedness), Diskurs (Coherence) und
Abwehrprozesse (Deactivation, Cognitive
Disconnection, Seggregated System). Die
Übereinstimmung zwischen dem AAI und dem AAP
beträgt bei 4 Kategorien k . 84 (George et al.
1999 n 75). - Bisher wurde keine Studie zu neuronalen
Korrelaten von Bindung bei Erwachsenen
durchgeführt. Das Zusammenspiel von affektiven
und bindungsbezogenen Parametern mit der fMRT
wurde ebenfalls nicht untersucht. - Eine Untersuchung zur Emotionalität bei
Borderline-Patientinnen mit der funktionellen
Magnetresonanztomographie wurde erstmals von
Herpertz et al. (2001) durchgeführt. Sie konnten
bei Patientinnen (n6) eine signifikant höhere
beidseitige Aktivierung der Amygdala im Vergleich
zu einer gesunden weiblichen Kontrollgruppe
(n6) nachweisen. - Die erste fMRT-Studie zur Hirnaktivität während
des Sprechens im Scanner on-line wurde von
Kircher et al. (2001) bei männlichen
Schizophrenen (n6) im Vergleich zu Gesunden
(n6) durchgeführt. Hier wurden 7 Rorschachtafeln
präsentiert, zu denen jeweils frei assoziiert
werden sollte. Die 3-min-Narrative wurden
transkribiert und mit demThought and Lexical
Index von Liddle (1998) ausgewertet. Es ergab
sich eine negative Korrelation zwischen der
Schwere der Formalen Denkstörung und dem Grad der
Aktivierung im temporalen Kortex
- Ergebnisse
- Experiment A Die mittlere Rededauer der 5
Probandinnen über die 8 AAP-Bilder betrug x 86
sec, 4 (s. Abb. 4). Die mittlere Anzahl der
gesprochenen Wörter betrug x 137 8. Dieses
Ergebnis ist vergleichbar mit AAP-Narrativen von
Gesunden unter normalen Bedingungen (nicht im
Scanner durchgeführt). - Experiment B Signifikante Aktivierung der
Amygdala beidseits für die Bedingung Negative
Bilder gt Neutrale Bilder (rechts Z 4. 27,
links Z 3.83, P 0.001 uncorrected) (s. Abb.
5). Eine Aktivierung der rechten Amygdala findet
sich auch für die Bedingung Positive Bilder gt
Neutrale Bilder (Z 3.81, P 0.001 uncorrected).
Abb. 2. Beispiele für positive, negative und
neutrale Bilder aus dem International Affective
Picture System
R
L
Abb. 3. Snapshot Digitale Aufnahme des
Bindungsnarrativs zur weiteren diskursanalystische
n Auswertung nach dem AAP-Klassifikationsschema
Man sieht ein Bett und ein Kind liegt darin. Das
Kind streckt die Arme nach einer Person aus, die
am Bettrand am Bettende hockt. Es ist
wahrscheinlich die Mutter. Und die Mutter trägt
ein Kleid und Hausschuhe und streckt ihre Arme
auch dem Kind entgegen. Sie werden sich gleich
umarmen. Wahrscheinlich ist die Mutter gerade zum
Gute-Nacht-Sagen gekommen und das Kind freut sich
sehr darüber, weil die Mutter vielleicht lange
nicht mehr da war. Und ahm endlich, beschäftigt,
wie sie vorher war, ihre Aufgaben erledigt hat
und jetzt zu dem Kind kommt und es
freudestrahlend in den Arm nimmt. Sie werden sich
umarmen, sie wird das Kind über den Kopf
streicheln und es zurücklegen ins Bett und dann
wird wahrscheinlich gleich geschlafen. Sie wird
rausgehen, das Licht ausmachen und sich mit ihren
Hausarbeiten beschäftigen. Das Kind wird beruhigt
schenll einschlafen. (Dauer 139 Wörter, 1 min,
14 sec)
- Ein Kind steht in einer Zimmerecke und hält die
Hände abwehrend vor den Körper, den Kopf nach
unten zur Seite geneigt. Man könnte annehmen, das
Kind hat Angst, es wird bedroht. Es wehrt sich,
es kann sich aber nicht richtig wehren, es ist
noch viel zu klein. Es wird von was Großem,
Gefährlichem bedroht. Vielleicht von Personen,
vielleicht aber auch von einem wilden Tier. Ahm,
jedenfalls fühlt er sich in die Ecke gedrängt und
kann eigentlich nicht viel tun, außer eben die
Hände so etwas abwehrend oder schützend vor den
Körper zu halten und zur Seite zu schauen.
Vielleicht hat es auch einfach Angst vor
körperlicher Gewalt. Es wird eine zeitlang dort
stehen bleiben und äh, es wird bei bei der
bedrohenden Person oder dem Tier vielleicht so
etwas wie Mitleid oder Mitgefühl auslösen und die
Gefahr wird sich abwenden. Und das Kind wird ganz
unglaublich erleichtert sein und kann endlich
raus aus seiner Ecke und sich anderen Dingen
widmen. (Dauer 1 min, 24 sec)
Abb. 5. Ergebnisse Experiment B Signifikante
Aktivierung der Amygdala beidseits für die
Bedingung Negative Bilder gt Neutrale Bilder
Abb. 1. AAP-Bilder Bett und Kind in der
Ecke mit jeweiligem Beispiel-Narrativ
Abb. 4. Ergebnis Experiment A Mittlere Rededauer
der 5 Vpn über 8 AAP-Bilder
Ziel der Studie Ziel der Studie ist die
Untersuchung neuronaler Korrelate von
Bindungsmustern bei gesunden Probandinnen und
Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitss
törung. Mit der funktionellen Magnetresonanztomogr
aphie (fMRT) soll die regionale neuronale
Aktivität des Gehirns, die sich während des
Sprechens über bindungstypische Geschichten zeigt
(Experiment A), und die allgemeine emotionale
Reagibilität in Bezug auf affektiv negative und
positive Stimuli (Experiment B) mit zwei
Paradigmen untersucht werden Experiment A Den
Probandinnen werden im Scanner in vorgegebener
Reihenfolge nacheinander 8 Bilder mit
spezifischen Bindungsszenen (s. Abb. 1). des
Adult Attachment Projective (George et al. 1999)
gezeigt, die das Bindungssystem graduell
aktivieren Die Stimulationszeit pro Bild beträgt
120 Sekunden mit einer Erholungspause von 90 sec.
Die Aufgabe der Probandinnen besteht darin, zu
den Bildern eine Geschichte zu konstruieren. Die
verbalen Äußerungen werden über ein
MR-kompatibles Mikrofon digital aufgenommen und
weiterverarbeitet (s. Abb. 3). Experiment B Den
Probandinnen werden im Scanner insgesamt 60
Bilder mit einer bestimmten emotionalen Valenz
(positiv, negativ bzw. neutral, s. Abb. 2)
dargeboten (International Affective Picture
System, Lang et al. 1997), die bereits für Valenz
und Arousal validiert sind. Die Aufgabe der
Probandinnen besteht darin, das Bild zu
betrachten und auf sich wirken zu lassen. Die
erhobenen Daten werden mit der Software
Statistical Parametric Mapping (SPM99, Wellcome
Department of Cognitive Neurology, London)
aufbereitet und statistisch ausgewertet. In einer
Pilotstudie wurde an 5 gesunden Probandinnen das
experimentelle Paradigma erprobt. Besondere
Fragestellungen waren hierbei 1) die Akzeptanz
der Untersuchungsbedingung durch die
Probandinnen, 2) die Auswertbarkeit der
Bindungsnarrative unter der Scanner-Bedingung, 3)
das Auftreten von Kopfbewegungen durch den
Sprechakt sowie 4) die ausreichende affektive
Stimulation durch Experiment B.
- Schlußfolgerung
- 1. Die Probandinnen haben die Experimente in der
hier dargestellten Form gut akzeptiert. Die
Untersuchung wurde insgesamt als nicht
beängstigend oder belastend erlebt. - 2. Auch unter Scannerbedingungen sind die
erzeugten Bindungsnarrative mit dem
AAP-Klassifikationssytem auswertbar Die
mittlere Rededauer zeigt, dass die vorgegebene
Zeit für das jeweilige Narrativ genutzt wird und
dass keine Abbrüche im Experiment A auftraten.
Die Durchführung des Bindungsexperimens ist
demnach auch ohne Intervention bzw.
Aufforderung zum Weiterreden möglich, wenn die
Instruktion vorher an zwei neutralen
Trainingsbildern trainiert und die Instruktion
vor jedem Bild im Scanner erneut gezeigt wird. - 3. Die Bewegungsparameter können mit der
Auswertesoftware erfasst und entsprechend
berücksichtigt werden. - 4. Mit Experiment B konnte eine ausreichende
emotionale Stimulation erreicht werden, wie eine
erste Auswertung bei kleiner Stichprobengröße
(n5) zeigt.
Literatur Bowlby J (1969) Attachment and Loss.
Vol. 1 Attachment. Basic Books, New York George
C, Kaplan N, Main M (1985) The Adult Attachment
Interview. Unveröffentlichtes Manuskript, 1.
Ausgabe, University of California,
Berkeley George C, West M, Pettem O (1999) The
Adult Attachment Projective. In Attachment
Disorganization. Solomon J, George C (eds)
Guilford, New York Herpertz SC, Dietrich
TM,Wenning B, et al. (2001) Evidence of abnormal
amygdala functioning in borderline personality
disorder A functional MRI study. Biological
Psychiatry. 50(4)292-8 Kircher T, Liddle PF,
Brammer MJ et al. (2001) Neural Correlates of
Formal Thought Disorder in Schizophrenia. Arch
Gen Psychiatry 58 769-774 Lang P et al. (1999)
International Affective Picture System (IAPS)
Digitized photographs, instruction manual and
affective ratings. Gainesville, Florida Liddle PF
(1998) The Thought and Language Index. University
of British Columbia, Vancouver