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UNESCO-Vorlesung WS 2006-07

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UNESCO-Vorlesung WS 2006-07 Prof. Dr. Hans J rg Sandk hler Deutsche Abteilung Wissenskulturen, Transkulturalit t, Menschenrechte des europ ischen UNESCO ... – PowerPoint PPT presentation

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Title: UNESCO-Vorlesung WS 2006-07


1
UNESCO-Vorlesung WS 2006-07 Prof. Dr. Hans
Jörg Sandkühler Deutsche Abteilung
Wissenskulturen, Transkulturalität,
Menschenrechte des europäischen
UNESCO-Lehrstuhls für Philosophie
(Paris) www.unesco-phil.uni-bremen.de Geschichte
und Theorie des modernen Staates Vom
Nationalstaat zur transnationalen Rechtsordnung
und zu Vereinten Nationen
2
Thema der Vorlesung Der Staat der europäischen
Neuzeit entsteht im 15. und 16. Jahrhundert in
zentralistischen oder dezentralisierten
Ordnungsstrukturen (Frankreich vs. Deutschland,
Italien) als Territorial- und Nationalstaat mit
Souveränen, die als absolutistische Herrscher
von den Gesetzen entbunden sind. Der bald
beginnende Kampf der bürgerlichen Gesellschaft um
den Rechtsstaat geht einher mit dem Kampf um
Grund- und Menschenrechte Die zunächst als
Abwehrrechte gegen den Staat begründeten
Ansprüche gegen staatliche Bevormundung bzw.
Unterdrückung entwickeln sich mit den
unterschiedlichen Vertragstheorien zunehmend zur
Konzeption Freiheit gesichert durch Recht, Recht
gesichert durch den Staat und damit zu einer
problematischen Struktur. Seit dem beginnenden
19. Jahrhundert setzen der Liberalismus auf
Entstaatlichung und der Sozialismus/Kommunismus
auf das Absterben des Staates. Zugleich
entwickeln sich im internationalen Staatensystem
und Recht neue Formen transnationaler
Konfliktbewältigung, im 20. Jahrhundert zunächst
u.a. als Völkerbund und dann nach den
Unrechtserfahrungen des Zweiten Weltkrieges und
des Holocaust als Vereinte Nationen und deren
Unterorganisationen wie die UNESCO. In diesem
Prozeß entstehen transnationale Bündnissysteme
wie NATO, Europäische Gemeinschaft, ASEAN u.a.
Die Vorlesung ist (philosophisch begründeten)
Staatskonzeptionen und der Frage nach Rechts- und
Sozialstaatsfunktionen unter den Bedingungen
nationalstaatlicher Souveränitätsabtretung
gewidmet.

3
Gliederung der Vorlesungsthemen   1. Was ist der
Staat? Perspektiven auf den Staat I Theoretische
Perspektiven auf den Staat Praktische
Perspektiven auf den Staat Unrechtserfahrungen Be
ispiele staatlichen Unrechts Menschenrechtsverle
tzungen (i) Verbrechen gegen die
Menschlichkeit (ii) Der Krieg gegen den
Terrorismus (iii) Völkerrechtswidrige
Aggressionskriege (iv) Unzulässige Abwägung von
Menschenrechten und Sicherheit (v) Folter (v)
Armut (vii) Privatisierung des Staates und
Korruption Der Status und die Aufgabe der
UNESCO-Vorlesung

4
Staatstheorie und Staat Definitionen Staatsformen
Entstehung des modernen Staatsbegriffs
Perspektiven auf den Staat II Perspektive 1
Skepsis gegenüber einer philosophischen Theorie
des Staates Perspektive 2 Herrschaft und
Unterdrückung Franz Oppenheimer Der Staat Die
soziologische Staatsidee Perspektive 3 Der Staat
als Form des Politischen DOLF STERNBERGER Von
den drei Wurzeln der Politik Perspektive 4 Der
Staat als rechtlich verfaßte Gemeinschaft REINHOLD
ZIPPELIUS Definition des modernen
Staates Perspektive 5 Staat und
Kapitalismus Stefan Breuer Der
Staat Transnationale, internationale und
supranationale Verflechtungen
5
2. Staat und Recht Paradigmenwechsel vom
Staatsdenken zum Verfassungsdenken Demokratie
Demokratieprinzip und Verfassunggebung 3. Staat
und Verfassung Das Grundgesetz und die
Grundrechte Staatliche Gewalt und Rechtsbindung
durch Grundrechte Art. 1 GG - Menschenwürde 4.
Pluralismus und Relativismus Gründe für den
Staat als Rechtsstaat 5. Die Rechtfertigung des
Staates durch soziale und Rechtsfunktionen Koordin
ation durch eine wirksame rechtliche
Normenordnung Koordination durch eine homogene
Normenordnung 6. Abschied vom Staat?
6
7. Etappen der Geschichte der modernen
Staatstheorie Niccolò Machiavelli Il Principe
(1513) Jean Bodin Les six livres de la
république (1576) Johannes Althusius (1557-1638),
Hugo Grotius (1583-1645), Samuel Pufendorf
(1632-1694) Thomas Hobbes Leviathan, or the
Matter, Forme, and Power of a Commonwealth,
Ecclesiastical and Civil (1651) John Locke  Two
Treatises on Government (1690) Charles-Louis de
Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu De
lesprit des lois ou rapport que les lois doivent
avoir avec la constitution de chaque
gouvernement, les mœurs, le climat, la religion,
le commerce etc. (1748) Jean-Jacques Rousseau 
Du contrat social  ou, principes du droit
politique (1754) Alexander Hamilton, James
Madison, John Jay The Federalist Papers An das
Volk des Staates New York (1787/88) Wilhelm von
Humboldt Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der
Wirksamkeit des Staats zu bestimmen
(1792) Immanuel Kant  Die Metaphysik der Sitten
(Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre)
(1797), Zum ewigen Frieden (1795) 7.1
7
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling System des
transzendentalen Idealismus (1800) Das Recht als
zweite Natur und die Staatskritik Georg Wilhelm
Friedrich Hegel Grundlinien der Philosophie des
Rechts (1821) Recht, Staat und bürgerliche
Gesellschaft Von Marx bis Lenin und zum
Marxismus Staatslehre ohne Staat? Hans Kelsen
Hauptprobleme der Staatsrechtslehre (1911)
Sozialismus und Staat. Eine Untersuchung der
politischen Theorie des Marxismus (1920) Reine
Rechtslehre. Einleitung in die rechtswissenschaftl
iche Problematik (1934) Hermann Heller
Staatslehre (1934) Carl Schmitt Der Begriff des
Politischen (1928), Der Hüter der Verfassung
(1931), Legalität und Legitimität (1932), Staat,
Bewegung, Volk Die Dreigliederung der
politischen Einheit (1933), Der Führer schützt
das Recht (1934) Ernst Cassirer The Myth of the
State (1946) Franz Neumann Demokratischer und
autoritärer Staat (Aufsätze 1937-1954)
8
Perspektiven auf den Staat I
Theoretische Perspektiven auf den Staat
Der Staat wird in der Theoriegeschichte und
aktuell von verschiedenen wissenschaftlichen
Disziplinen vor allem Rechts- und
Staatswissenschaft, Politikwissenschaft,
Soziologie, Philosophie, Theologie in
unterschiedlichen Perspektiven thematisiert. Der
wichtigste Unterschied ist der zwischen
deskriptiven und normativen Theorien -
Deskriptive Theorien sind ihrem Anspruch nach
wertfreie Theorien, die auf der Grundlage
der empirischen Untersuchung faktischer Staaten
entstehen    - Normative Theorien sind durch
Werturteile geprägte, kritische oder aber
Zustände verteidigende Theorien, die als
Konstruktionen dessen entstehen, was der Staat
sein soll.
9
Wesentliche Unterschiede zwischen den Theorien
bestehen auch in den Rechtfertigungen des
Staates, den Fragen nach dem Grund des Staates,
und in den Grundtypen staatstheoretischer
Legitimation - aus dem faktischen bzw.
historiographisch konstruierten Anfangszustand, -
aus dem gewollten Endzustand,   - aus dem
Willensursprung bzw. aus dem Zweck. Die
Soziologin grenzt sich vom Philosophen ab, denn
der interessiert sich nur für den Staat, wie er
sein soll (Oppenheimer) Praktische
Perspektiven auf den Staat Unrechtserfahrungen St
aat und Recht, gesellschaftliche Wirklichkeit und
Verfassung, Demokratie und Abbau des Rechtsstaats
dies sind brisante Themen, gegen deren
wissenschaftliche Behandlung sich viele aufgrund
negativer Erfahrungen mit dem Staat und des
Wissens um weltweite Probleme mit dem
Rechtsstaat, dem Sozialtaat und der Demokratie
sperren. Von Abu Ghreib bis Guantánamo, von Hartz
IV bis zu schlechten Studienbedingungen die
Liste des Negativen ist schier unerschöpflich.
Wie soll man in der Staatstheorie, in der
Rechtswissenschaft und in der Rechtsphilosophie
damit umgehen?
10
Der Status und die Aufgabe der UNESCO-Vorlesung Oh
ne Berücksichtigung der tatsächlichen Situation
von Staat und Recht bzw. Unrecht wäre eine
Vorlesung zur Geschichte und Theorie des modernen
Staates empirisch blind und dementsprechend
begrifflich leer. Eine Vorlesung an der
Universität Bremen ist deren Leitzielen
verpflichtet, in denen es u.a. heißt Lehrende
und Lernende der Universität Bremen orientieren
sich an den Grundwerten der Demokratie,
Menschenrechte und sozialen Gerechtigkeit. Und
eine UNESCO-Vorlesung an der Universität Bremen
ist mit den Zielen der Vereinten Nationen und der
UNESCO dem Übereinkommen über den Schutz und die
Förderung der Vielfalt kultureller
Ausdrucksformen (2005) verpflichtet, d.h. sie
steht ein für die volle Verwirklichung der in
der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und
in anderen allgemein anerkannten Übereinkünften
verkündeten Menschenrechte und Grundfreiheiten
.... In dieser Perspektive hat die Vorlesung
den Status einer Einführung in die normative
Theorie des Staates und des Rechts und die
Aufgabe, im Blick auf die geschichtliche
Entwicklung der Staatstheorien zu erklären, was
der Staat sein soll und sein kann. Hieraus ergibt
sich ihre kritische Funktion Von Kritik ist
hier in zweifacher Bedeutung die Rede (i) geht
es entsprechend dem philosophischen Begriff von
Kritik darum, die Bedingungen der Möglichkeit
(Kant) des Staates zu analysieren und (ii) geht
es um die praktische Kritik an Deformationen des
Staates und seiner normativ begründeten
Funktionen.
11
Was ist die Grundlage der Kritik? Die Ethik? Aber
welche? Also eine Ethik? Gegen die Annahme, Ethik
könne nicht nur in der Theorie, sondern auch mit
praktischer Wirkung die gar die einzige
Grundlage einer Staatskritik sein, sprechen zwei
Gründe (i) Der erste Grund ergibt sich daraus,
daß Menschen nicht uneingeschränkt gut sind und
nach Maßstäben des Guten handeln. Mit den Worten,
die Kant in seiner Idee zu einer allgemeinen
Geschichte in weltbürgerlicher Absicht gibt aus
so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht
ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.
Kant hat hieraus nicht zuletzt in seiner
staats- und völkerrechtlichen Schrift zum ewigen
Frieden (1795) eine Konsequenz gezogen, die
auch für diese Vorlesung der Wegweiser ist Was
die Natur in dieser Absicht beziehungsweise auf
den Zweck, den dem Menschen seine eigene Vernunft
zur Pflicht macht, mithin zu Begünstigung seiner
moralischen Absicht thue, und wie sie die Gewähr
leiste, daß dasjenige, was der Mensch nach
Freiheitsgesetzen thun sollte, aber nicht thut,
dieser Freiheit unbeschadet auch durch einen
Zwang der Natur, daß er es thun werde, gesichert
sei, und zwar nach allen drei Verhältnissen des
öffentlichen Rechts, des Staats-, Völker- und
weltbürgerlichen Rechts. Wenn ich von der Natur
sage sie will, daß dieses oder jenes geschehe,
so heißt das nicht soviel als sie legt uns eine
Pflicht auf, es zu thun (denn das kann nur die
zwangsfreie praktische Vernunft), sondern sie
thut es selbst, wir mögen wollen oder nicht
....

12
1. Wenn ein Volk auch nicht durch innere
Mißhelligkeit genöthigt würde, sich unter den
Zwang öffentlicher Gesetze zu begeben, so würde
es doch der Krieg von außen thun, indem nach der
vorher erwähnten Naturanstalt ein jedes Volk ein
anderes es drängende Volk zum Nachbar vor sich
findet, gegen das es sich innerlich zu einem
Staat bilden muß, um /VIII366/ als Macht gegen
diesen gerüstet zu sein. Nun ist die
republikanische Verfassung die einzige, welche
dem Recht der Menschen vollkommen angemessen,
aber auch die schwerste zu stiften, vielmehr noch
zu erhalten ist, dermaßen daß viele behaupten, es
müsse ein Staat von Engeln sein, weil Menschen
mit ihren selbstsüchtigen Neigungen einer
Verfassung von so sublimer Form nicht fähig
wären. Aber nun kommt die Natur dem verehrten,
aber zur Praxis ohnmächtigen allgemeinen, in der
Vernunft gegründeten Willen und zwar gerade durch
jene selbstsüchtige Neigungen zu Hülfe, so daß es
nur auf eine gute Organisation des Staats ankommt
(die allerdings im Vermögen der Menschen ist),
jener ihre Kräfte so gegen einander zu richten,
daß eine die anderen in ihrer zerstörenden
Wirkung aufhält, oder diese aufhebt so daß der
Erfolg für die Vernunft so ausfällt, als wenn
beide gar nicht da wären, und so der Mensch, wenn
gleich nicht ein moralisch-guter Mensch, dennoch
ein guter Bürger zu sein gezwungen wird. Das
Problem der Staatserrichtung ist, so hart wie es
auch klingt, selbst für ein Volk von Teufeln
(wenn sie nur Verstand haben) auflösbar und
lautet so Eine Menge von vernünftigen Wesen,
die insgesammt allgemeine Gesetze für ihre
Erhaltung verlangen, deren jedes aber ingeheim
sich davon auszunehmen geneigt ist, so zu ordnen
und ihre Verfassung einzurichten, daß, obgleich
sie in ihren Privatgesinnungen einander entgegen
streben, diese einander doch so aufhalten, daß in
ihrem öffentlichen Verhalten der Erfolg eben
derselbe ist, als ob sie keine solche böse
Gesinnungen hätten. Ein solches Problem muß
auflöslich sein. Denn es ist nicht die moralische
Besserung der Menschen, sondern nur der Mechanism
der Natur, von dem die Aufgabe zu wissen
verlangt, wie man ihn an Menschen benutzen könne,
um den Widerstreit ihrer unfriedlichen
Gesinnungen in einem Volk so zu richten, daß sie
sich unter Zwangsgesetze zu begeben einander
selbst nöthigen und so den Friedenszustand, in
welchem Gesetze Kraft haben, herbeiführen müssen.

13
(ii) Der zweite Grund ergibt sich daraus, daß de
facto moderne Gesellschaften durch einen
Pluralismus von moralischen Einstellungen,
Bedürfnissen, Interessen und Kulturen
charakterisiert sind. Eine allgemeine, in der
Praxis durchsetzbare Verpflichtung auf die eine
Ethik gehört nicht zu den Merkmalen moderner
Gesellschaften. Bedeutet dies die Ohnmacht
ethischer Normen im Verhältnis zu Staat und
Recht? Otfried Höffe schreibt hierzu in seinen
Philosophischen Versuchen zur Rechts- und
Staatsethik Die moralische Beurteilung wird
an die Rechts- und Staatsverhältnisse nicht von
außen herangetragen. Sie ist ihnen vielmehr in
gewisser Weise immanent. Denn ob wir politische
Kritik üben, ob wir gegen Unrecht protestieren
oder aber eine legitime Rechts- und Staatsordnung
frei anerkennen in all diesen Fällen werfen wir
die Frage auf, ob die gegebenen politischen
Verhältnisse auch gut und richtig seien. Und
diese Frage nach dem Guten und Richtigen
beschränken wir nicht auf die Angemessenheit an
beliebige Ziele oder Zwecke. Wir geben uns auch
nicht mit dem Wohlergehen von Minderheiten oder
Mehrheiten zufrieden. Wir beanspruchen ein
darüber hinausgehendes, ein moralisches Gutsein.
Die moralische Beurteilung von Recht und Staat
kann in unterschiedlicher Radikalität erfolgen.
Entsprechend gibt es verschiedene Stufen einer
Rechts- und Staatsethik.
14
Die aus theoretischen (anthropologischen) und
praktischen Gründen zu ziehende Schlußfolgerung
lautet, daß nicht (private) Ethiken und (private)
Moralvorstellungen die in der gesellschaftlichen
Praxis wirksame Grundlage der Kritik von Staat
und Recht sein kann, sondern dies vom Recht
geleistet werden muß. Es muß dann allerdings
gesagt werden, von welchem Recht. Die Rede kann
hier nicht von Recht schlechthin sein, sondern
vom Recht, das nach dem Maßstab der
Menschenwürde, der Gleichheit, Freiheit und
Gerechtigkeit genügt. Das Recht, das Grundlage
der Staatskritik ist, muß selbst permanent im
Lichte dieses Maßstabs der Kritik unterzogen
werden. Um zu vermeiden, daß diese Argumentation
zirkulär wird, führe ich zwei Prämissen ein
15
Prämisse 1 Die Basis einer Staats- und
Rechtskritik kann aus pragmatischen Gründen nicht
aus einer bestimmten materialen wertethischen
Begründung gewonnen werden sie wäre nicht
konsensfähig , sondern nur im Rahmen einer
formalen Rechtskonzeption. Wenn der Pluralismus
und das Recht auf Dissens auch die Antworten auf
die Frage nach dem richtigen Recht dominieren,
dann ist zu fragen, welche Begründungen des
Rechts und Legitimationen des Staates Chancen
einer möglichst breiten Anerkennung eröffnen. Die
moderne Demokratie verlangt nach formalen, den
Weltinterpretationen gegenüber neutralen
Prinzipien der Gerechtigkeit, der Gleichheit und
der Allgemeinheit des Rechts. Prämisse 2 Die
formale Rechtskonzeption ist verwirklicht im
System der aus den Menschenrechten entwickelten
bzw. zu entwickelnden Grundrechte. Die
Legitimation des Staates und die Gesetzgebung aus
richtigem Recht ist ohne die Tieferlegung der
Begründung der Grundrechte durch die
Menschenrechte nicht möglich. Die einzige heute
denkbare materiale Grundlage der Grundnorm
Verfassung und der in ihr positivierten
Grundrechte besteht in der Gesamtheit der
positivierten Menschenrechte. Die Verfassung muß
sich mit der Entwicklung des positiven
Menschenrechte-Rechts weiterentwickeln. So wird
sie zur letzten Grundlage der Kritik an Zuständen
in Staat und Recht.

1
16
(No Transcript)
17
l. Zur Begründung des säkularen
Verfassungsstaates aus den Quellen praktischer
Vernunft Der politische Liberalismus (den ich in
der speziellen Form eines Kantischen
Republikanismus verteidige) versteht sich als
eine nichtreligiöse und nachmetaphysische
Rechtfertigung der normativen Grundlagen des
demokratischen Verfassungsstaates. Diese Theorie
steht in der Tradition eines Vernunftrechts, das
auf die starken kosmologischen oder
heilsgeschichtlichen Annahmen der klassischen und
religiösen Naturrechtslehren verzichtet. Die
Geschichte der christlichen Theologie im
Mittelalter, insbesondere die spanische
Spätscholastik gehören natürlich zur Genealogie
der Menschenrechte. Aber die Legitimationsgrundlag
en der weltanschaulich neutralen Staatsgewalt
stammen am Ende aus den profanen Quellen der
Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts. Erst
sehr viel später bewältigen Theologie und Kirche
die geistigen Herausforderungen des
revolutionären Verfassungsstaates. ... Die
nachkantische Begründung liberaler
Verfassungsprinzipien hat sich im 20. Jahrhundert
weniger mit den Nachwehen des objektiven
Naturrechts (sowie der materialen Wertethik)
auseinandersetzen müssen als mit historistischen
und empiristischen Formen der Kritik. Nach /19/
meiner Auffassung genügen schwache Annahmen über
den normativen Gehalt der kommunikativen
Verfassung soziokultureller Lebensformen, um
gegen den Kontextualismus einen
nicht-defaitistischen Vernunftbegriff und gegen
den Rechtspositivismus einen nicht-dezisionistisch
en Begriff der Rechtsgeltung zu verteidigen.
18
  • Die zentrale Aufgabe besteht darin zu erklären,
  •  warum der demokratische Prozess als ein
    Verfahren legitimer Rechtsetzung gilt, und
  • warum sich Demokratie und Menschenrechte im
    Prozess der Verfassungsgebung
    gleichursprünglich miteinander verschränken.
  • Die Erklärung besteht in dem Nachweis,
  • dass der demokratische Prozess in dem Maße, wie
    er Bedingungen einer inklusiven und diskursiven
    Meinungs- und Willensbildung erfüllt, eine
    Vermutung auf die rationale Akzeptabilität der
    Ergebnisse begründet, und
  • dass die rechtliche Institutionalisierung eines
    solchen Verfahrens demokratischer Rechtsetzung
    die gleichzeitige Gewährleistung sowohl der
    liberalen wie der politischen Grundrechte
    erfordert.
  • Der Bezugspunkt dieser Begründungsstrategie ist
    die Verfassung, die sich die assoziierten Bürger
    selber geben, und nicht die Domestizierung einer
    bestehenden Staatsgewalt. Diese soll auf dem Wege
    der demokratischen Ver- /20/ fassungsgebung erst
    erzeugt werden. Eine konstituierte (und nicht
    nur konstitutionell gezähmte) Staatsgewalt ist
    bis in ihren innersten Kern hinein verrechtlicht,
    so dass das Recht die politische Gewalt ohne Rest
    durchdringt. Es gibt im Verfassungsstaat kein
    Herrschaftssubjekt, das von einer vorrechtlichen
    Substanz zehrte. ...
  • Wenn man ... das demokratische Verfahren nicht
    (wie Hans Kelsen oder Niklas Luhmann)
    positivistisch versteht, sondern als eine Methode
    zur Erzeugung von Legitimität aus Legalität
    begreift, entsteht kein Geltungsdefizit, das
    durch Sittlichkeit" ausgefüllt werden müsste.
  • Habermas, J./ J. Ratzinger, 2005, Dialektik der
    Säkularisierung. Über Vernunft und Religion. Mit
    einem Vorw. hrsg. v. F. Schuller, Freiburg/ Brsg.
    Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für
    politische Bildung, Bonn 2005, S. 18-20.

19
Transformation der Menschenrechte in positives
Recht Als moralische Rechte können
Menschenrechte zwar eingefordert werden, und es
ist auch möglich, ihre Verletzung moralisch zu
verurteilen, derartige Durchsetzungsinstrumente
bestehen aber ... treffend bemerkt hat, aus
einem sehr ätherischen Material. Niemand wäre
vor Gewaltthätigkeit gegen einander sicher.
Wenn es ein moralisches, also gegenüber jedem
begründbares Recht zum Beispiel auf Leben gibt,
dann muß es auch ein gegenüber jedem begründbares
Recht darauf geben, daß eine gemeinsame Instanz
geschaffen wird, die jenes Recht durchsetzt.
Andernfalls wäre die Anerkennung moralischer
Rechte keine ernsthafte Anerkennung, was ihrem
fundamentalen und vorrangigen Charakter
widerspräche. Die zur Durchsetzung der
Menschenrechte einzurichtende gemeinsame Instanz
ist der Staat. Es gibt also ein Menschenrecht auf
den Staat. Durch die Einrichtung eines Staates
als Durchsetzungsinstanz werden die moralischen
Rechte, die die einzelnen gegeneinander haben, in
inhaltsgleiche Rechte des positiven Rechts
transformiert. Zusätzlich entstehen als neue
Rechte die Rechte der einzelnen gegen den Staat
auf Abwehr, Schutz und Verfahren. (R. Alexy)
20
Der Staat Definitionen Allgemein kann Staat
als der gesellschaftliche Gesamt-Apparat
bezeichnet werden, die über eine
institutionalisierte Zentralgewalt mit
funktionsfähigem Apparat von ausreichender
Stabilität und territorialer Erstreckung verfügt
und die in einer durch Interessenkonflikte
strukturierten Gesellschaft das Gewaltmonopol
ausübt. Der Pluralismus der Erwartungen
gegenüber dem Staat und der faktischen
Staatsformen und -funktionen ist die Ursache
dafür, daß ein einheitlicher und allgemein
konsentierter Staatsbegriff nicht existiert. Die
klassische Bestimmung Max Webers, der Staat sei
ein auf das Mittel der legitimen ...
Gewaltsamkeit gestütztes Herrschaftsverhältnis
von Menschen über Menschen ist zu einseitig auf
das Merkmal der Gewalt abgestellt, als daß sie
die heute feststellbaren Staatsfunktionen
erfassen könnte. Eine dynamischere und dem Staat
in seiner historischen Entwicklung und
Veränderbarkeit angemessenere Definition findet
sich bei H. Heller Der Staat ist ein durch
repräsentativ aktualisiertes Zusammenhandeln von
Menschen dauernd sich erneuerndes
Herrschaftsgefüge, das die gesellschaftlichen
Akte auf einem bestimmten Gebiet in letzter
Instanz ordnet.
21
Def. 1 Staat (von lat. status, Stand, Zustand
engl. state, franz. état, ital. stato), Terminus
der Politikwissenschaft und der politischen
Philosophie ... zur Bezeichnung einer
politischen Herrschaftsordnung und ihrer
konkreten, territorial und historisch
abgegrenzten Ausformungen. (1) Der Terminus gtS.lt
bezieht sich auf die allgemeine Form rechtlich
geordneter, gebietsbezogener politischer
Herrschaft als Versuch, dem Zusammenleben der
Menschen eine dauerhafte, gerechte und friedliche
Ordnung zu geben. Ein vereinfachter, die
geschichtliche und kulturelle Gebundenheit
staatlicher Herrschaftsorganisation beiseite
lassender S.sbegriff reiht die drei gtElementelt
S.svolk, S.sgebiet und S.sgewalt aneinander. Im
engeren Sinne bezeichnet der Terminus gtS.lt den
Nationalstaat der europäischen Neuzeit, der sich
in einer vielgestaltigen Entwicklung seit dem
Zerbrechen des mittelalterlichen Universalismus
von Kaiser und Papst, dem Hundertjährigen Krieg
Englands und Frankreichs, der italienischen
Renaissance, der Reformation und den
konfessionellen Bürgerkriegen bis zu den
bürgerlichen Revolutionen herausgebildet hat,
gekennzeichnet durch Souveränität nach innen und
außen, territoriale Ausschließlichkeit der
Herrschaftsausübung und eine selbständige
positive Rechtsordnung.
22
Def. 2 Staat. 1. Eine unabhängige, politisch
organisierte Gemeinschaft, näher bestimmt als die
selbständige, politische Organisatìon einer
solchen Gemeinschaft, die über ein eigenes
Rechtssystem und eine zentrale Regierungsmacht
verfügt und die die Souveränität über ein
bestimmtes Gebiet (Territorium) innehat. 2. Das
System politischer Institutionen, das durch seine
Autoritätsstruktur die souveräne oder letztlich
entscheidende Macht in einer Gesellschaft ausübt.
3. Ein konzentrierter (zentralisierter)
institutioneller Apparat, der in größerem oder
kleinerem Maß die Verhältnisse zwischen den
Individuen und den Gruppen in einer Gesellschaft
beherrscht. Inhaltlich läßt sich diese Bestimmung
in verschiedener Weise verstehen Als ein
notwendiges, aber grundsätzlich begrenztes
Machtinstrument. eine Rechtsordnung
sicherzustellen, die die Freiheit der Individuen
(Liberalismus) schützt als ein Macht- oder
Unterdrückungsapparat, der für die bestehende
Kluft zwischen Herrschenden und Beherrschten in
einer Gesellschaft verantwortlich ist (die
negative Einschätzung des S. wird etwa im
Anarchismus vertreten) oder den Interessen der
ökonomisch herrschenden Klasse dient (vgl.
Marxismus).
23
Def. 3 The modern state has been defined in
different ways by anthropologists, sociologists,
political scientists, historians and lawyers, as
well as by philosophers. There is much overlap
between the definitions and broad agreement on
the main features which a political organization
must exhibit in order to belong to the class the
state (1) There is a population which
reproduces itself and whose members are socially
related. (2) There is territory. (3) There is a
single government, which (a) is a distinct body
of rule, supported by a judicial, administrative
and military machine (b) is the ultimate
prescriber and enforcer of law for all those
within its jurisdiction (c) claims exclusive
control of the use of force within the territory
and has preponderant control of its use (d)
claims authority for its existence and actions
and is generally accepted as authoritative. (4)
The state is legally and politically independent
from other states, and recognized by other states
as an independent or sovereign state.
24
Def. 4 ÉTAT pol. Si létymologie renvoie au
latin status (de stare), le sens du mot renvoie
au grec pólis (cité) et au latin Civitas. Le mot
Etat n'apparaît qu'au xviè siècle chez Guichardin
et Machiavel. Il désigne alors une physionomie
historique du politique. L'Etat ne se confond
donc pas avec la catégorie entière du politique.
L'idée d'Etat n'apparaîtra qu'avec la volonté
de distinguer les rapports de gouvernants à
gouvernés, c'est-à-dire d'autorité à obéissance,
des rapports privés de chef à sujets. La notion
d'Etat implique, comme telle, lidée d'un Pouvoir
qui transcende les volontés particulières de ceux
qui commandent. Le concept d'Etat, qui naît
avec la Modernité et qui correspond,
historiquement, à la transformation politique de
lEurope, implique que lon dissocie la réalité
politique qui représente de tous les autres
phénomènes communautaires qui, tels le clan, la
tribu on même la nation, sont naturels. En
conséquence, on ne peut réduire lEtat aux
éléments qui - territoire, réalité ethnique et
même nation - sont assurément subsumés par son
concept, mais ne le constituent pas en son
essence. Toutefois, LEtat n'est pas une entité
purement formelle il a bel et bien une réalité,
que nous ressentons d'ailleurs quotidiennement
lorsque, par exemple, nous accusons l'Etat d'être
injuste ou trop exigeant. Mais cette réalité est
celle d'une idée. L'Etat, qui procède de
linstitutionnalisation du Pouvoir conformément à
des exigences rationnelles d'ordre, est d'abord
et fondamentalement une réalité pensée la
réalité de lEtat est d'ordre conceptuel. Elle
requiert, en son existence même, un artifice
intellectuel. L'Etat n'est donc pas un donnée de
la nature il est une construction de lesprit.
C'est pourquoi ce ne sont pas des éléments de
fait mais seulement des éléments de droit qui en
déterminent l'essence.
25
Staatsformen Klassische Einteilung (nach Platon
und Aristoteles)
26
Staatsformen Moderne Einteilung (seit
Machiavelli)
 
 
 
 
27
Perspektiven auf den Staat II Perspektive 1
Skepsis gegenüber einer philosophischen Theorie
des Staates STAAT. I. Eine philosophische
Analyse des Staates ist heute nicht möglich, ohne
zuvor die Bedingungen ihrer Möglichkeit zu nennen
- so sehr sind sowohl Gegenstand als auch Methode
in Zweifel geraten. I.I Die erste und zugleich
grundlegende Frage bezieht sich auf die
Möglichkeit, den Staat überhaupt als Phänomen
oder Problem unter einem spezifisch
philosophischen Blickwinkel zu betrachten. Sie
gründet in den bekannten Selbstzweifeln der
neueren Philosophie, ob ihr heute neben den
positiven Natur-, Sozial- und
Geisteswissenschaften noch ein legitimer Raum
bleibt. Der Versuch, diese Zweifel aufzulösen,
müßte schließlich zu einer Kritik der der Skepsis
zugrunde liegenden nominalistischen Metaphysik
führen. Es muß der Hinweis genügen, daß die
philosophische Staatslehre nur als praktische
Philosophie entwickelt werden kann, die eine
realistische Metaphysik voraussetzt. Unter
praktischer Philosophie wird hier im Gegensatz zu
einer quasi naturwissenschaftlichen, statistische
Gesetzmäßigkeiten erforschenden Betrachtung des
menschlichen Handelns (Praxis) die Reflexion des
Menschen auf sich selbst als Handelnden
verstanden.
28
Perspektive 2 Herrschaft und Unterdrückung Franz
Oppenheimer Der Staat Ältere staatsphilosophisch
e Systeme haben den Versuch einer solchen
umfassenden Abstraktion gemacht und sind zu dem
noch heute vielfach gelehrten Ergebnis gelangt,
daß das Wesen des Staates das einer Schutzanstalt
sei der Grenzschutz nach außen, der Rechtsschutz
nach innen sei seine ratio fiendi et essendi.
... Und in der Tat hat die Anschauung einen
richtigen Kern aber sie ist nicht vollständig.
Sie hat einen wichtigen, allen Staaten
gemeinsamen Charakterzug übersehen jeder Staat
der Vergangenheit und Geschichte, dem dieser Name
unbestritten zukommt, jeder Staat vor allem, der
in seiner Entwicklung zu höheren Stufen der
Macht, der Größe und des Reichtums
weltgeschichtlich bedeutsam geworden ist, war
oder ist ein Klassenstaat, d. h. eine Hierarchie
von einander über- und untergeordneten Schichten
oder Klassen mit verschiedenem Recht und
verschiedenem Einkommen. Unsere Erörterung wird
zeigen, daß dieser Zug der wichtigste, /13/ der
entscheidende, der primäre Charakter des Staates
ist, aus dem allein seine Entstehung und sein
Wesen erkannt werden kann sie wird es nämlich
klar machen, daß die Schutzfunktion des Staates
nach innen und außen verstanden werden muß als
sekundäre, von der Oberklasse im Interesse ihrer
Herrschafts- und Einkunftsrechte übernommene
Pflicht. Der Staat entsteht nicht im Interesse
der Schutzfunktion, sondern es entsteht umgekehrt
die Schutzfunktion im Interesse des schon
bestehenden Staates.
29
Perspektive 3 Der Staat als Form des
Politischen DOLF STERNBERGER Von den drei
Wurzeln der Politik Wir haben es in unserer Welt
und Sprache nicht mit einem einzigen Begriff des
Politischen, nicht mit einem einzigen
Bedeutungsstrang, einer einzigen Tradition der
Theorie, einer einzigen Klasse von Phänomenen zu
tun, sondern mit deren dreien. Politik erwächst
nach Begriff und Erscheinung aus drei getrennten
Wurzeln der aristotelischen oder
anthropologischen, der machiavellistischen oder
dämonologischen, der augustinischen auch
leninischen oder eschatologischen. Aus der
ersten resultiert die Lehre vom Staat und der
Staatsverfassung und von der Politik als
derjenigen gemeinschaftlichen Tätigkeit, die auf
Glückseligkeit in der organisierten
menschlichen Gesellschaft gerichtet ist. Aus der
zweiten resultiert die Lehre von den Kunstmitteln
der Herrschaft, ihrer Gewinnung und Erhaltung,
einschließlich der Mittel der Gewalt und des
Krieges. Aus der dritten Wurzel erwachsen die
Lehren von der großen Veränderung und ihrer
Vorbereitung ....

30
Von den drei Wurzeln der Politik Aus Park Körner
Digitale Schulbücher
31
Perspektive 4 Der Staat als rechtlich verfaßte
Gemeinschaft REINHOLD ZIPPELIUS Definition des
modernen Staates 1. Staaten als rechtlich
verfasste Gemeinschaften mit oberster
Regelungsmacht ... Die staatliche
Rechtsgemeinschaft ist eine Gemeinschaft, deren
Zusammenleben durch garantiertes Recht geordnet
ist, d.h. durch Normen, deren Befolgung durch
rechtlich organisierte Erzwingungsverfahren
gewährleistet ist. Durch die zuverlässige
Rechtsgewährleistung wird eine wesentliche
Aufgabe des St erfüllt Rechtsfrieden und
Rechtssicherheit zu sichern. Um ihre
Befriedungsfunktion zu erfüllen, muss die
staatliche Gemeinschaft das Recht wirksam
durchsetzen und hierbei insbesondere das Monopol
legitimer physischer Gewaltsamkeit (Max Weber)
gegen nichtstaatliche (kriminelle oder
politische) Gewalttätigkeiten behaupten. ... 2.
Das Staatsvolk Unverzichtbares Element jedes St
ist ein St-Volk, verstanden als die Gesamtheit
der unter der Regelungsmacht dieses St stehenden
Menschen. Zu ihnen gehören im Territorial-St.
alle im St-Gebiet befindlichen Menschen, ohne
Rücksicht auf ihre St-Angehörigkeit. ... Der
Begriff des St-Volkes im soeben genannten Sinne
deckt sich nicht ganz mit der Gesamtheit der
St-Bürger (St-Angehörigen). Nur den mündigen
St-Bürgern (nicht auch den Ausländern und den
Staatenlosen) kommt in der Demokratie auch die
Rolle zu, die obersten Organe zu bestellen,
möglicherweise auch Volksentscheide zu treffen
und auf diese Weise Quelle und Legitimationsbasis
aller St-Gewalt zu sein .... 3. Das
Staatsgebiet Im Personenverbands-St (etwa der
Völkerwanderungszeit) hat die Einheit des
Herrschaftsverbandes personale Bezüge
(Zugehörigkeit zu einem Stammesverband).
Demgegenüber ist im Territorial-St ein fest
umgrenztes Gebiet Grundlage der Einheit des
Herrschaftsverbandes Wer immer sich auf dem
Territorium befindet, unterliegt der
territorialen Regelungsgewalt. Der moderne Staat
ist also Gebietskörperschaft. Juristisch
gesehen ist das St-Gebiet jener Bereich, auf dem
die Regelungsmacht eines staatlichen
Herrschaftsverbandes wirksam ausgeübt werden
kann.
32
Perspektive 5 Staat und Kapitalismus Stefan
Breuer Der Staat Es ist ... für die
gegenwärtige Identifikation von Staat und
Wirtschaft kennzeichnend, dass der Staat in eine
Dienstfunktion gegenüber dem industriell-wirtschaf
tlichen Prozeß gerät. Es wächst zwar die Weite
seiner Aufgaben, aber in gleichem Maße wächst die
Schwäche seiner eigenen Entscheidungsmacht. Bei
seiner Regulierungs- und Steuerungsfunktion ist
er nicht in der Position des lthöheren Drittengt,
der selbst die Zügel in der Hand hält, sondern
Träger einer Komplementärfunktion für den
industriell-wirtschaftlichen Prozeß. Er setzt
nicht seinerseits die für die Entwicklung und
Regulierung des wirtschaftlichen Prozesses
maßgeblichen Daten, sondern handelt re-aktiv auf
die aus dem wirtschaftlichen Prozeß ihm gegenüber
autonom sich ergebenden Daten und Tendenzen.
Subjekt des sogenannten globalen
Steuerungsprozesses ist nicht der Staat, sondern
der industriell-wirtschaftliche Prozeß selbst
der Staat ist ihm gegenüber ltErfüllungsgehilfegt,
leistet die ltAusfallbürgschaftengt, um sein
immanentes, auf Wachstum, Produktivität und
Ertrag ausgerichtetes Funktionieren zu
gewährleisten ....
33
  • Staat und Recht
  • Man kann nicht über den Staat reden, ohne über
    das Recht zu sprechen. Die Situation ist paradox.
    In der Moderne hat die Durchsetzung von
    Subjektivität und Individualrechten
    Interessenkollisionen bewirkt und deshalb eine
    Verrechtlichung von Lebensbeziehungen der
    Menschen, die zuvor als durch Konformität in
    Moral und Sittlichkeit geregelt galten. Das
    Paradox läßt sich auf die einfache Formel
    bringen
  • Je mehr Freiheit, desto mehr Recht je mehr
    Recht, desto mehr Staat je mehr Staat, desto
    weniger Freiheit je weniger Freiheit, desto
    größer der Bedarf an Recht und Staat, und Recht
    usf.
  • Die Grundrechte und Menschenrechte sind
    Ausgestaltungen des Rechts auf Rechte, sie kommen
    jedem Individuum von Natur aus zu. Will man
    naturalistische oder metaphysische
    Mißverständnisse vermeiden, so kann von Natur
    aus nur bedeuten vor ihrer Positivierung durch
    den Staat. Vor bezeichnet nicht die Genesis
    (Enstehung) dieser Rechte in der Zeit, sondern
    ist Merkmal der Geltungsbegründung Rechte kommen
    den Menschen als Menschen zu und werden nicht vom
    Staat gewährt der Staat hat vielmehr die
    Funktion, den Individuen als Rechtspersonen
    Menschenwürde, Gleichheit, Freiheit und
    Gerechtigkeit als Menschen- und Grundrechte zu
    garantieren, die Rechte zu schützen und für
    Bedingungen ihrer Verwirklichung zu sorgen.


34
1. Die Ideale der Gleichheit, Freiheit und
Gerechtigkeit wurden in der Moderne auf der Basis
der Trennung von Gesellschaft und Staat
entwickelt. In diesem Prozeß spielt die Trennung
von Staat und Religion eine wichtige Rolle (ein
aktuell diskutiertes Thema Der Islam ist
Religion und Staat). Die Idee der Rechte, die
jedem Individuum von (Vernunft-) Natur aus
zukommen, ist die Idee der Sicherung der Freiheit
durch Recht gegen staatliche Bevormundung bzw.
Unterdrückung. Gleichwohl wird ihre
Verwirklichung dem Staat als Recht erzwingender
Institution überantwortet. Die Grundrechte sind
in ihrer Beschränkung auf politische, vom Staat
gewährte Bürgerrechte eine problematische
Antwort auf die gleichbleibende Grundfrage des
Verhältnisses zwischen individueller Freiheit und
politischer Ordnung.
35
2. Angesichts der widersprüchlichen
Wechselbedingtheit von Rechtsidee und
Rechtsdurchsetzung, von Recht und Staat, haben
die meisten Rechtsphilosophien in der Moderne die
Strategie verfolgt, Gründe des richtigen Rechts
in substantiellen Voraussetzungen zu finden im
Menschen als Kreatur Gottes, in der Natur und
Vernunft des Menschen. Aus dieser Strategie gehen
der normative Status und die doppelt kritische
Funktion der Rechts- und Staatstheorie hervor a)
Recht als Kritik (Zähmung) des Staats b) Staat
als Kritik (Unterbindung) individueller Willkür.
Zunehmend kritisch und normativ, wird die Rechts-
und Staatsphilosophie zum Spiegel schwindenden
Vertrauens in verwirklichte Gerechtigkeit und
somit in die Geltung des Rechts ein wesentlicher
Grund hierfür ist, daß in Kompensation der
Pluralität der Interessen und subjektiven
Rechts-Verständnisse Institutionen des Rechts,
der Herrschaft und des Staats eine Ordnung
garantieren müssen, die zunehmend als abstrakt
und der Lebenswelt fremd wahrgenommen werden.
Ständige Ausbreitung des Rechts,
Auseinandertreten von Moral und Recht, zunehmende
Verflechtung von Recht und Politik kennzeichnen
diesen historischen Prozeß. Die ständige
Ausbreitung staatlicher Herrschaft ist aber
zugleich verbunden mit Bemühungen, sie auf dem
Rechtswege wieder einzuschränken. Beides ist die
Funktion von Recht heute. Auf der einen Seite ist
es ein Herrschaftsinstrument. ... Auf der
anderen Seite dient es der Einschränkung
staatlicher Macht.
36
Transformation der Menschenrechte in positives
Recht Als moralische Rechte können Menschenrechte
zwar eingefordert werden, und es ist auch
möglich, ihre Verletzung moralisch zu
verurteilen, derartige Durchsetzungsinstrumente
bestehen aber ... treffend bemerkt hat, aus
einem sehr ätherischen Material. Niemand wäre
vor Gewaltthätigkeit gegen einander sicher.
Wenn es ein moralisches, also gegenüber jedem
begründbares Recht zum Beispiel auf Leben gibt,
dann muß es auch ein gegenüber jedem begründbares
Recht darauf geben, daß eine gemeinsame Instanz
geschaffen wird, die jenes Recht durchsetzt.
Andernfalls wäre die Anerkennung moralischer
Rechte keine ernsthafte Anerkennung, was ihrem
fundamentalen und vorrangigen Charakter
widerspräche. Die zur Durchsetzung der
Menschenrechte einzurichtende gemeinsame Instanz
ist der Staat. Es gibt also ein Menschenrecht auf
den Staat. Durch die Einrichtung eines Staates
als Durchsetzungsinstanz werden die moralischen
Rechte, die die einzelnen gegeneinander haben, in
inhaltsgleiche Rechte des positiven Rechts
transformiert. Zusätzlich entstehen als neue
Rechte die Rechte der einzelnen gegen den Staat
auf Abwehr, Schutz und Verfahren. (R. Alexy)
37
Staat, Grund- und Menschenrechte
  • 1215 England. Magna Charta Libertatum
  • 1679 Habeas-Corpus-Gesetz
  • 1689 England. Bill of Rights
  • Die angemaßte Macht, durch königliche Autorität
    ohne Zustimmung des Parlaments Gesetze oder die
    Ausführung von Gesetzen auszusetzen, ist
    ungesetzlich.
  • Die angemaßte Macht, durch königliche Autorität
    Gesetze oder die Ausführung von Gesetzen
    aufzuheben, wie sie in der Vergangenheit angemaßt
    und ausgeübt wurde, ist ungesetzlich.

 
 


38
  • 1776 Virginia. Bill of Rights
  • Alle Menschen sind von Natur aus in gleicher
    Weise frei und unabhängig und besitzen bestimmte
    angeborene Rechte, welche sie ihrer
    Nachkommenschaft durch keinen Vertrag rauben oder
    entziehen können, wenn sie eine staatliche
    Verbindung eingehen, und zwar den Genuß des
    Lebens und der Freiheit, die Mittel zum Erwerb
    und Besitz von Eigentum und das Erstreben und
    Erlangen von Glück und Sicherheit. Alle Macht
    ruht im Volke und leitet sich folglich von ihm
    her die Beamten sind nur seine Bevollmächtigten
    und Diener und ihm jederzeit verantwortlich.
  • 1789 Frankreich. Erklärung der Menschen- und
    Bürgerrechte
  • 1791 Verfassung der Vereinigten Staaten

39
(No Transcript)
40
Der Staat als Bedroher und Beschützer der
Menschenrechte Menschenrechte wurden erkämpft
gegen staatliche Allmacht und Übermacht. Vom
Ursprung der Menschenrechtsidee her ist der Staat
gewissermaßen ihr natürlicher Gegner. Traurige
Beispiele der Gegenwart belegen weltweit, daß
dieses Konzept noch nicht überholt ist. Zugleich
hat die Analyse aber gezeigt, daß Staaten und
Staatengemeinschaften auch die unentbehrlichen
und allein wirkmächtigen Beschützer der
Menschenrechte sind. Sie sind es um so mehr, je
mehr die Inhalte der Menschenrechte auf
staatliche Leistungen gerichtet sind. Wirksamen
Schutz wird es letzten Endes nicht gegen, sondern
nur in Übereinstimmung mit der jeweils
betroffenen staatlichen Gewalt geben. Er
schwindet oder wächst mit der gesamten
Rechtskultur eines Volkes. Denninger, E., 1994,
Menschenrechte zwischen Universalitätsanspruch
und staatlicher Souveränität. In ders.,
Menschenrechte und Grundgesetz, Weinheim, S. 99.
41
  • Freiheitsanspruch und Freiheitssicherung
  • Die Doppeldeutigkeit des Staates gründet in der
    Problematik der Differenz, oft auch
    Gegensätzlichkeit von Freiheitsanspruch und
    Freiheitssicherung Damit die Individuen ihre
    Rechte genießen und ihre Interessen fördern
    können, brauchen sie den Staat. Er schützt die
    Freiheit eines jeden und schränkt sie zugleich so
    ein, daß sie die gleichartige Freiheit jedes
    anderen nicht beeinträchtigt. Andererseits
    Insofern der Staat zur Erfüllung dieser Aufgabe
    mit Macht und Zwangsmitteln ausgestattet ist, muß
    diese Macht des Staates ihrerseits so beschränkt
    werden, daß sie die Freiheit der Individuen nicht
    bedroht. Auf eine knappe Formel gebracht Der
    Rechtszustand, der Freiheit gewährleistet, macht
    sich nicht von selbst, er bedarf auch der
    Instanz, die das Recht gegebenenfalls festlegt,
    es konkret ausspricht und seine Befolgung
    gegenüber Widerstrebenden sichert. Recht fordert
    den Staat als Institution seiner eigenen
    Gewährleistung.
  • Die Debatten über Funktionen und Grenzen des
    Staates seit dem ausgehenden 18. Jh. pendeln
    zwischen Positionen, die
  • von den Freiheitsrechten und Schutzbedürfnissen
    des Individuums ausgehen und die Staatsfunktionen
    minimieren oder aber
  • die Notwendigkeit des Staates angesichts einer
    antagonistischen bürgerlichen Gesellschaft aus
    dem kollektiven Interesse an einer rechtlich
    verfaßten Gemeinschaft begründen und
    Staatsfunktionen maximieren.


42
Paradigmenwechsel vom Staatsdenken zum
Verfassungsdenken Staats-, rechts- und
demokratietheoretisch ist heute von einem Befund
auszugehen, der folgenreich ist für den Status
und die Funktion von Staat und Recht es gibt
nicht nur in Deutschland einen
Paradigmenwechsel vom Staatsdenken zum
Verfassungsdenken. Mit der Konzeption des
Sozialstaats, der planender, verteilender,
gestaltender, individuelles wie soziales Leben
erst ermöglichender Staat geworden ist, erweisen
sich die Lösung aus bisheriger Staatsfixiertheit
, die Orientierung an der auf Staat und
Gesellschaft bezogenen Verfassung und an der
Demokratie als Lebensform als Momente eines
Übergangs vom Bezugspunkt Staat auf den
Bezugspunkt Verfassung. War in der deutschen
Rechts- und Staatstradition die Verfassung primär
Staatsverfassung im Dienste der nachträglichen
Rechtsbindung der als immer schon bestehend
gedachten Staatsmacht, so reagiert das nun im
Zentrum stehende Verfassungsdenken auf die in
der modernen interessenpluralistischen
Gesellschaft offensichtliche Tatsache, daß
politische Macht und gesamtgesellschaftliche
Entscheidungsfähigkeit nicht einfach
vorausgesetzt, sondern in komplexen Prozessen der
politischen Einheitsbildung erst gebildet werden
müssen. Entsprechend kann Demokratie nicht mehr
allein als bloßes Staatsorganisationsprinzip
verstanden werden Demokratie ist vielmehr das
gesamte gesellschaftliche Leben umfassend das
die verfassungsmäßige Ordnung primär bestimmende
Prinzip. Die Bindung der Gesetzgebung an die
Verfassung galt in den Vereinigten Staaten schon
1803 in Deutschland wurde sie erst mit dem
Grundgesetz 1949 eingeführt dieser
Paradigmenwechsel ist nichts Selbstverständliches.
 

43
  • Nicht jede Konzeption von Staat und Recht erfüllt
    in gleicher Weise die Funktionen,
  • den Staat von der Verfassung her zu begründen
    (und nicht umgekehrt),
  • die Autonomie des Rechts gegenüber politischer
    Herrschaft
  • rational zu begründen,
  • den Steuerungs- und Integrationserfordernissen
    einer pluralistischen
  • Gesellschaft angemessen zu sein und
  • Demokratie als Form der Gestaltung aller
    Bereiche des Sozialstaats
  • und der Gesellschaft zu begründen und zu
    verwirklichen.


44
Demokratie Daß sich Staatsverfassung und
Gesellschaftsverfassung nicht trennen lassen,
kann am Beispiel der Grundrechte verdeutlicht
werden. Sie enthalten ... eine objektive
Wertordnung, die als verfassungsrechtliche
Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts
gilt. Jedenfalls verpflichten sie die
Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die
Rechtsprechung dazu, auch im Bereich der
Gesellschaft für die Verwirklichung der
Grundentscheidungen zu sorgen, die der
Verfassungsgeber durch Normierung der Grundrechte
getroffen hat. Hierbei geht es nicht um das
Problem der Drittwirkung. Vielmehr ist der Staat
selbst als primärer Adressat der
Grundrechtsartikel verpflichtet, diese Bindungen
der Staatsgewalt auch bei der rechtlichen
Regelung, Überwachung und Lenkung der
Gesellschaft zu beachten. Was aber für die
Grundrechte gilt, trifft auch auf die
Grundprinzipien der Sozialstaatlichkeit, der
Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie zu. Auch
sie sind verfassungsrechtliche Grundentscheidungen
für alle Bereiche des Rechts. ... das moderne
Demokratieprinzip beinhaltet auch eine
Entscheidung gegen jede Unterdrückung,
insbesondere gegen eine Unterdrückung der unteren
Gesellschaftsschichten. Ihr hat der Staat auch
außerhalb seiner eigenen Organisation
entgegenzuwirken, soweit sein Einfluß reicht.
Daher folgt aus dem Demokratieprinzip unmittelbar
das Gebot der Demokratisierung aller
Gesellschaftsbereiche, in denen es Macht und
damit die Möglichkeit ihres Mißbrauchs zur
Unterdrückung gibt.
45
  • Demokratie ist so Norberto Bobbio als
    Ensemble von fundamentalen Regeln zu verstehen,
    die festlegen, wer zur Teilnahme an den
    kollektiven Entscheidungen berechtigt ist und mit
    welchen Verfahren diese Entscheidungen getroffen
    werden. .... Was nun die Subjekte betrifft, die
    dazu berufen sind, kollektive Entscheidungen zu
    treffen (oder an ihnen mitzuwirken), so ist ein
    demokratisches Regime dadurch gekennzeichnet, daß
    diese Entscheidungsmacht (die, wenn sie durch das
    Gesetz autorisiert ist, zu einem Recht wird)
    einer sehr hohen Anzahl der Gruppenmitglieder
    zukommt.
  • Doch selbst eine minimale Definition von
    Demokratie muß zwei weitere Elemente enthalten
  • Die zur Entscheidung (oder zur Wahl derjenigen,
    die dann entscheiden sollen) Aufgerufenen müssen
    vor reale Alternativen gestellt sein und in die
    Lage versetzt werden, sich für eine von ihnen zu
    entscheiden. Damit nun diese Bedingung
    verwirklicht werden kann, müssen den zur
    Entscheidung Berufenen die sogenannten
    Freiheitsrechte garantiert sein Meinungs- und
    Ausdrucksfreiheit, Versammlungs- und
    Vereinigungsfreiheit. Dies ist der Kontext, der
    anzeigt, warum auf den Anspruch nicht verzichtet
    werden darf, die Urteilsfähigkeit der Menschen zu
    fördern.
  • (2) Demokratie kann nur in der Form des
    Rechtsstaats existieren, d.h. eines Staates, der
    seine Gewalt nicht nur sub lege ausübt, sondern
    sie innerhalb von Grenzen ausübt, die durch die
    verfassungsmäßige Anerkennung der sogenannten
    unverletzlichen Rechte des Individuums gezogen
    sind.

46
 
47
Einwände gegen das Modell der direkten
Demokratie 1.     Die Zahl der Gesellschaftsmitgli
eder ist für einen unmittelbaren
Meinungsaustausch zu groß. 2.     Der Zeitaufwand
ist sehr hoch. 3.     Der Kenntnisstand des
Normalbürgers reicht zur Beurteilung der
Problemlage oft nicht aus Experten. 4.     Die
Menschen handeln nicht immer rational. 5.     Die
Direkte Demokratie setzt ein gleichbleibend
großes Interesse der Bürger
voraus. 6.     Kleine, radikale und von daher
aktive Gruppen gewinnen überproportional
an Bedeutung. 7.     Gefahr der Diktatur der
Mehrheit (Erziehungsdiktatur). Aus Park Körner
Digitale Schulbücher
48
Hierarchie der Rechtsnormen Achtung und Schutz
der menschlichen Würde Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte Nachfolgende Menschenrechtspakte Sp
eziellere Konventionen, z.B. gegen Folter, zum
Schutz der Frauen, zum Schutz der
Kinder... Nationale Verfassungen Allgemeine
Grundrechtenormen Spezielle Normen
49
Jus cogens A peremptory norm (also called jus
cogens, Latin for "compelling law") is a
fundamental principle of international law
considered to have acceptance among the
international community of states as a whole.
Unlike ordinary customary law that has
traditionally required consent and allows the
alteration of its obligations between states
through treaties, peremptory norms cannot be
violated by any state. Under the Vienna
Convention on the Law of Treaties (1960, 1980),
any treaty in violation of a peremptory norm is
null and void. The treaty allows for the
emergence of new peremptory norms, but does not
itself specify any peremptory norms (see Art. 53
of the Vienna Convention). The number of
peremptory norms is considered limited but not
exclusively catalogued. They are not listed or
defined by any authoritative body, but arise out
of case law and changing social and political
attitudes. Generally included are prohibitions on
waging aggressive war, crimes against humanity,
war crimes, piracy, genocide, slavery, and
torture. Article 53Treaties conflicting with a
peremptory norm of general international law (jus
cogens) A treaty is void if, at the time of its
conclusion, it conflicts with a peremptory norm
of general international law. For the purposes of
the present Convention, a peremptory norm of
general international law is a norm accepted and
recognized by the international community of
States as a whole as a norm from which no
derogation is permitted and which can be modified
only by a subsequent norm of general
international law having the same
character.   Article 64 Emergence of a new
peremptory norm of general international law (jus
cogens) Erga omnes Verpflichtungen erga omnes
gelten ausnahmslos gegen der gesamten
internationalen Gemeinschaft
50
Die rechtslogische Struktur der Verfassung die
Grundrechte und die Hierarchie der Normen (am
Beispiel des Grundgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland) Um die Bindungswirkung der
Grundrechte für alle staatliche Gewalt und für
alles individuelle Verhalten unter den heute
gegebenen Bedingungen zu begründen, leiten
Interpretationen, die nicht naturrechtlich,
sondern vorrangig gesellschaftsgeschichtlich
argumentieren, den Grundrechtskatalog des GG und
die rechtslogische Struktur der Verfassung von
gesellschafts- und staatshistorischen Unrechts-
und Leidenserfahrungen aus 1. die in der
Kriegs-und Nachkriegsnot des Ersten Weltkriegs
erlebte Unsicherheit der bürgerlichen Existenz,
das Ohnmachtserlebnis im Hinblick auf die
elementaren Daseinsbedingungen, der Verlust an
individuell beherrschten Lebensraum. ... 2.
das Bewußtsein von den menschheitsbedrohenden
Risiken des technischen Fortschritts, von der
akuten Gefahr der Selbstzerstörung der species
Mensch durch ausbeutende oder gar durch
militärische Vernichtung der natürlichen
Daseinsgrundlagen 3. Wirklichkeit und
Wiederholungsmöglichkeit einer kollektiven und
individuellen sittlichen Rebarbarisierung in
einem für unvorstellbar gehaltenen Ausmaß die
Erfahrung der nationalsozialistischen
Vernichtungslager und der menschenverachtenden
Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkrieges 4.
schließlich der in Deutschland nach 1945 nur
mühsam und hindernisreich in Gang gekommene
Prozeß einer aktivbürgerlich demokratischen
Bewußtseinsbildung, mithin die Vorstellung, daß
grundrechtlich geschützte Freiheit auch zur
Hervorbringung eines auf Bürgeraktivität
gegründeten demokratischen Staates genutzt werden
kann und genutzt werden soll.

51
Staatliche Gewalt und Rechtsbindung durch
Grundrechte Menschenwürde CHARTA DER VEREINTEN
NATIONEN (1945) Wir, die Völker der Vereinten
Nationen fest entschlossen, künftige
Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu
bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten
unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,
unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen,
an Würde und Wert der menschlichen
Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von
Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß
oder klein, erneut zu bekräftigen, Bedingungen zu
schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die
Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und
anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden
können, den sozialen Fortschritt und einen
besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu
fördern, ...
52
Internationaler Pakt über Bürgerliche und
Politische Rechte (1966, 1976) Die
Vertragsstaaten dieses Paktes, In der Erwägung,
daß nach den in der Charta der Vereinten Nationen
verkündeten Grundsätzen die Anerkennung der allen
Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft
innewohnenden Würde und der Gleichheit und
Unveräußerlichkeit ihrer Rechte die Grundlage von
Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt
bildet, In der Erkenntnis, daß sich diese Rechte
aus der dem Menschen innewohnenden Würde
herleiten, In der Erkenntnis, daß nach der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das
Ideal vom freien Menschen, der bürgerliche und
politische Freiheit genießt und frei von Furcht
und Not lebt, nur verwirklicht werden kann, wenn
Verhältnisse geschaffen werden, in denen jeder
seine bürgerlichen und politischen Rechte ebenso
wie seine wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Rechte genießen kann, In der
Erwägung, daß die Charta der Vereinten Nationen
die Staaten verpflichtet, die allgemeine und
wirksame Achtung der Rechte und Freiheiten des
Menschen zu fördern, ...
53
Verfassung der Europäischen Union,
Verfassungsvertrag vom 29. Oktober 2004, Teil II,
Die Charta der Grundrechte der Union, Titel I,
Art. II-61 Menschliche Würde. In der Präambel
heißt es In dem Bewusstsein ihres
geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet
sich die Union auf die unteilbaren und
universellen Werte der Würde des Menschen, der
Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität.
In der Erklärung betreffend die Erläuterungen
zur Charta der Grundrechte heißt es hierzu Die
Würde des Menschen ist nicht nur ein Grundrecht
an sich, sondern bildet das eigentliche Fundament
der Grundrechte. ... In seinem Urteil vom 9.
Oktober 2001 ... bestätigte der Gerichtshof,
dass das Grundrecht auf Menschenwürde Teil des
Unionsrechts ist. Daraus ergibt sich
insbesondere, dass keines der in dieser Charta
festgelegten Rechte dazu verwendet werden darf,
die Würde eines anderen Menschen zu verletzen,
und dass die Würde des Menschen zum Wesensgehalt
der in dieser Charta festgelegten Rechte gehört.
Sie darf daher auch bei Einschränkungen eines
Rechtes nicht angetastet werden.
54
In diesem Horizont des internationalen Rechts
entfaltet das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland das Prinzip Menschenwürde als
Basisnorm der Grundrechte. (1) Die Würde des
Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum
zu unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit
in der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte
binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und
Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
55
Art. 2 (1) Recht auf die freie Entfaltung der
Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte
anderer verletzt und nicht gegen die
verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz
verstößt. / Art. 2 (2) das Recht auf Leben und
körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der
Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf
nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen
werden. / Art. 3 Gleichheit vor dem Gesetz
gleich Gleichberechtigung der Geschlechter
negative und positive Nichtdiskriminierung wegen
Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat
und Herkunft, Glaubens, religiöser oder
politischer Anschauungen. / Art. 4
Unverletztlichkeit der Freiheit des Glaubens, des
Gewissens und Freiheit des religiösen und
weltanschaulichen Bekenntnisses Recht auf
ungestörte Religionsausübung Kriegsdienstverweige
rung aus Gewissensgründen (vgl. aber
Einschränkungen in Art 12a). / Art. 5 Recht der
freien Meinungsäußerung und -verbreitung in Wort,
Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten
und auf ungehinderte Information Medienfreiheit,
Zensurverbot. Freiheit von Kunst und
Wissenschaft, Forschung und Lehre. / Art. 6
Schutz von Ehe und Familie Rech
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