Title: Sensibilisierung und Sensibilit
1Sensibilisierung und Sensibilität als Konzepte in
der Psychosomatik
- Dr. med. Samuel Pfeifer
- Klinik Sonnenhalde, Riehen BS
2(No Transcript)
3Entstehungsmodell
VerletzlichePersönlichkeit
Stress Sensibilisierung
Krankheitsphase
4Fliessende Übergänge (Spektrum)
Gesunde Anteile
StörungLeiden
Schwelle
5Neue Begriffe
- Subklinische Störungen
- Atypische Depression
- Maskierte Depression
- Subsyndromale Störung
- Spectrum Disorders
- Subthreshold Disorders
6Spectrum Disorders
Depression
Bulimie-Anorexie
Zwang(OCD)
SozialePhobie
Panik-Agoraphobie
Migraine -Magen-Darm
evtl auch Hyperaktivität - ADD
7Kennzeichen
- Die Kriterien für eine klassische Störung sind
nicht voll erfüllt. - Zeitlich begrenzte oder isolierte Symptome,
verbunden mit depressiven Verstimmung. - führen zu deutlichen Einschränkung in
Beziehungen, im Beruf oder anderen wichtigen
Lebensbereichen. - Es entstehen emotional aufgeladene Beziehungen
mit der Gefahr der Abhängigkeit.
8Verlaufsformen
Krankheitsphasen
Schwelle
Sensibilisierung / Vulnerabilität
Spätere Auslöser (subklinisch)
erster Auslöser (Trauma)
9Sensibilisierung bei Fibromyalgie
a) Erhöhte Erregbarkeit der Rückenmarksneuronen
nach einer Verletzung b) Vergrösserung der
Empfindungsfelder der Neuronen c) Verminderte
Schmerzschwelle d) Aufbau neuer afferenter Inputs
Quelle Staud R. (2005). The neurobiology of
chronic musculosceletal pain (including chronic
regional pain). In Wallace DJ Clauw DJ (eds.)
Fibromyalgia Other Central Pain Syndromes.
Philadelphia Lippincott Williams Wilkins. S.
45 - 62.
10Sensibilisierung für Schmerz
- Unterschiedliches individuelles Schmerzempfinden
- Nozizeptor leitet Reiz weiter
- Die Schmerzschwelle wird verschoben.
- Einflussfaktoren Bradykinin, Prostaglandin E2
und Serotonin. Steigt die Konzentration dieser
Stoffe über ein gewisses Maß an, so kommt es zu
einer Schmerzreaktion. - Aber auch, wenn die Konzentration die
Schmerzschwelle nicht überschritten wird, reicht
eine geringe Menge dieser Stoffe aus, um die
Erregbarkeit der Nozizeptoren zu steigern. ---
SENSIBILISIERUNG.
11Substanz P und Nozizeptoren
- Sensibilisierung der Nervenenden.
- Sensibilisierung der Nervenenden
- Durchlässigkeit der Gefäßwände wird erhöht
- Die gesamte chemische Umgebung des Nozizeptors
wird verändert und steigert seine Erregbarkeit. - Substanz P wirkt auf die Blutgefäße.
- Wird ein afferenter Nozizeptor stärker erregt,
setzt er Substanz P frei -- bewirkt eine starke
Erweiterung der Blutgefäße und steigert die
Durchlässigkeit der Gefäßwände. Als Folge davon
wird die örtliche Durchblutung des Gewebes
erhöht. Auch diese Vorgänge bewirken eine
Steigerung der Empfindsamkeit des Nozizeptors.
12Nozizeptive Regelkreise
13Kindling und Sensibilisierung
- Als Kindling wird in der Neurologie die
fortschreitende Zunahme neuronaler Antworten auf
eher seltene und schwache Stimulation von
Gehirnarealen bezeichnet. - Die Auswirkungen sind nicht nur lokal
feststellbar. Manches deutet darauf hin, dass
auch neuronale Veränderungen in von der
"Kindling-Region" entfernten Arealen zum Effekt
beitragen. - Die neuronale synaptische Plastizität führt zu
einer Sensibilisierung" des Gehirns für
epileptische Anfälle, auch ohne manifeste äussere
Auslöser.
14Vorgänge nach aversiven Stimuli
- Intrazellulär
- frühe Neurotransmitter- und Rezeptorenveränderung
- Translokation der Proteinkinase C
- Veränderungen der Glykogensynthese
- Vorübergehende Induktion von c-fos und c-jun
- Anatomisch und mikroskopisch
- Veränderung in der Dichte des Rückenmarks
- Anzahl und dichte der Synapsen
- Verhaltensbeobachtung
- Überdauernde Verhaltensveränderung ohne neue
aversive Erfahrungen.
15Stufen der Sensibilisierung
GENETISCHE DISPOSITION
Intrazelluläre und neurobiologische Veränderungen
Synaptische Plastizität VerschobeneNeurotransm
itter-Balance
NeuroanatomischeVeränderungen (NNR in der
Depression, Hippocampus bei PTDS)
TRAUMA
Verminderte Stresstoleranzveränderte
Stressreaktionsomatoforme Symptome
Bleibende psychischeSensibilität
16Brückenschlag zur Psyche
- Psychodynamische Konzepte und klinische
Erfahrungen können mit neurobiologischen Modellen
in Einklang gebracht werden. - Erklärung für den Verlauf endogener
Erkrankungen, die auch ohne äusseren Auslöser
auftreten können. - Modell für sub-threshold disorders in der
Psychosomatik Hilfe zum Verständnis und zur
Unterstützung der betroffenen Patienten.
17Sensibilisierung in der wiss. Literatur
- Anxiety sensitivity
- Rejection Sensitivity Interpersonal
sensitivity. -- Atypical Dep. - Sensibilisierung Fibromyalgie als Störung in
den Regelkreisen der Schmerzempfindung im Gehirn
(central sensitization syndromes) - Affective disorders and stress supersensitivity
18Transduction of psychosocial stress (R.M. Post)
19Sensibilität alsPersönlichkeitskonstrukt
20Die erhabene und beklagenswerte Familie der
übersensiblen Menschen ist das Salz der Erde
Marcel Proust
21Persönlichkeit mit leicht erregbaren
Affekten K. Leonhard
22Ich bin sensibel - positiv
- feinfühlig
- intensives Empfinden
- tiefes Wahrnehmen und Erleben
- angesprochen von der Schönheit in Natur, Kunst,
Musik, Dichtung, Film und Beziehungen - nicht unberührt vom Leid anderer Menschen
- sensitiv für das Übernatürliche
23Sensibilität für Musik
- Konrad aber wurde ganz blass, wenn er Musik
hörte. Jede Art von Musik, auch die einfachste,
berührte ihn so stark wie ein physischer Angriff.
Er erbleichte, seine Lippen bebten. Die Musik
sagte ihm etwas, das die anderen nicht
nachvollziehen konnten. Er hörte mit dem ganzen
Körper Musik, so begierig wie der Verurteilte in
seiner Zelle, der auf den Klang ferner,
vielleicht Befreiung bedeutender Schritte horcht.
Wenn man zu ihm sprach, reagierte er nicht. Die
Musik löste die Welt um ihn herum auf.
nach Sandor Marai, Die Glut, Piper
24Fragebogen Sensibilität (nach E. Aron)
- 1. Ich nehme feine Veränderungen in meiner
Umgebung wahr. - 2. Die Stimmungen anderer Menschen beeinflussen
mich. - 3. Ich reagiere eher empfindlich auf körperlichen
Schmerz. - 4. Ich habe an geschäftigen Tagen das Bedürfnis,
mich zurückzuziehen - entweder in ein dunkles
Zimmer oder an einen anderen Ort, wo ich allein
sein kann. - 5. Auf Koffein reagiere ich heftiger als viele
andere Menschen. - 6. Ich fühle mich schnell überwältigt von Dingen
wie grellen Lichtern, starken Gerüchen, rauhen
Textilien auf meiner Haut oder Sirenen (Polizei,
Krankenwagen) in meiner Nähe. - 7. Laute Geräusche bereiten mir Unbehagen.
- 8. Kunstvolle Musik bewegt mich tief.
- 9. Manchmal liegen meine Nerven derart blank,
dass ich nur noch alleine sein möchte. - 10. Ich bin ein gewissenhafter Mensch.
- 11. Ich bin schreckhaft.
- 12. Es bringt mich leicht aus der Fassung, wenn
ich in kurzer Zeit viel erledigen muß.
25Fragebogen Sensibilität II
- 13. Wenn andere Menschen sich in einer Umgebung
unwohl fühlen, weiß ich eher als manch andere,
was notwendig ist, um Wohlbefinden herzustellen
(z.B. durch eine Veränderung der Beleuchtung oder
der Sitzordnung). - 14. Ich werde ärgerlich, wenn man von mir
erwartet, zu viele Dinge gleichzeitig zu tun. - 15. Ich gebe mir grosse Mühe, Fehler zu vermeiden
oder nichts zu vergessen. - 16. Fernsehsendungen und Spielfilme mit
Gewaltszenen meide ich. - 17. Ich fühle mich unangenehm erregt, wenn sich
um mich herum viel abspielt. - 18. Hungergefühle stören nachhaltig meine
Konzentration und beeinträchtigen meine Stimmung. - 19. Veränderungen in meinem Leben treffen mich
sehr heftig. - 20. Ich bemerke und genieße feine Düfte,
Geschmäcker, Klänge oder Kunstwerke. - 21. Ich empfinde es als unangenehm, wenn ich mich
mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigen
muß. - 22. Für mich ist es sehr wichtig, mein Leben so
zu organisieren, dass ich Situationen vermeide,
in denen ich mich ärgern muß oder die mich
überwältigen. - 23. Laute Geräusche, chaotische Szenen und
ähnlich starke Reize stören mich. - 24. Wenn ich mit anderen Menschen konkurrieren
muß oder beobachtet werde, während ich eine
Aufgabe erfülle, macht mich das so nervös und
unsicher, dass ich weitaus schlechter abschneide
als ich eigentlich könnte. - 25. Als Kind haben meine Eltern und Lehrer mich
als sensibel oder schüchtern angesehen.
26Wann wird Sensibilität zur Krankheit?
Beeinträchtigung von
- Genussfähigkeit
- Beziehungsfähigkeit
- Leistungsfähigkeit
27Gemeinsame Eigenschaften
PsychosomatischeSyndrome
28Mögliche Folgekrankheiten
29Ziel Mit Grenzen leben
Überforderung Stress Life Events
Dekompensation
30Es ist auch eine Stärke, seine Schwächen
anzunehmen. (eine Patientin)
31Weiterführende Literatur
32Wissenschaftliche Literatur zum Thema
- Aron, E.N., Aron, A. (1997). Sensory-processing
sensitivity and its relation to introversion and
emotionality. Journal of Personality and Social
Psychology 73345-368. - Rossi J 3rd. - Sensitization induced by
kindling and kindling-related phenomena as a
model for multiple chemical sensitivity.
Toxicology. 1996 Jul 17111(1-3)87-100. Review. - Bell IR, Miller CS, Schwartz GE. An
olfactory-limbic model of multiple chemical
sensitivity syndrome possible relationships to
kindling and affective spectrum disorders. Biol
Psychiatry 32218-242, 1992. - Post RM, Weiss SR. Sensitization and kindling
phenomena in mood, anxiety, and
obsessive-compulsive disorders the role of
serotonergic mechanisms in illness progression.
Biol Psychiatry. 1998 44(3)193-206. - Pietrobon D. Migraine new molecular mechanisms.
Neuroscientist. 2005 11(4)373-86. - Yehuda R. Biology of posttraumatic stress
disorder. J Clin Psychiatry. 200162 Suppl
1741-46. - Simmons DA, Broderick PA. Cytokines, stressors,
and clinical depression augmented adaptation
responses underlie depression pathogenesis. Prog
Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry. 2005
Jun29(5)793-807. - Maier SF, Watkins LR Stressor controllability
and learned helplessness the roles of the dorsal
raphe nucleus, serotonin, and corticotropin-releas
ing factor. Neurosci Biobehav Rev.
200529(4-5)829 - 841. - Anisman H, Merali Z, Poulter MO, Hayley S.
Cytokines as a precipitant of depressive illness
animal and human studies. Curr Pharm Des.
200511(8)963-972. - Anisman H, Merali Z. Cytokines, stress and
depressive illness brain-immune interactions.
Ann Med. 200335(1)2-11. - Staud R. (2005). The neurobiology of chronic
musculosceletal pain (including chronic regional
pain). In Wallace DJ Clauw DJ (eds.)
Fibromyalgia Other Central Pain Syndromes.
Philadelphia Lippincott Williams Wilkins. S.
45 - 62. - Stahl S.M. (2003) Here today and not gone
tomorrow the curse of chronic pain and other
central sensitization syndromes. Journal of
Clinical Psychiatry 64863-864.