Title: Informationsflut
1 Qualitätssicherung wissenschaftlicher Information
en in Datenbanken
Dr. C. Behles
Ombudsmann des Bundesinstituts für Arzneimittel
und Medizinprodukte (BfArM)
2Wissenschaftliche Information - Kriterien zu
Qualität und Verwertbarkeit
vollständig?
relevant?
Fehlinformation/ Fälschung?
gefundene Arbeiten
entstanden auf der Grundlage unabhängiger
Forschung?
geeignet als Entscheidungs-hilfe?
Eingang in die Praxis?
3Systematische Arbeit mit der Literatur
Informationsflut, verfügbare Lesezeit
- Informationsquellen
- Lehrbücher meist überholt
- Fachzeitschriften desorganisiert
2 Mio. Artikel in 10000 Fachzeitschriften 9000
randomisierte Studien/Jahr Für Aktualität zu
lesen 19 Artikel/Tag an 365 Tagen/Jahr
Olkin, 1995 Davidoff, 1995
Arbeitszeit
Sackett, 1996
4 Vergleich Datenbankrecherche/Experte
Recherchen zu Adjuvante Therapie beim
Nierenzellkarzinom (1996)
5Vergleich der Ergebnisse von Medline-Suche und
Handsuche
Recherchen zu RCT und CCT in deutschen
Fachzeitschr. (1948-1998)
Handsuche Gesamtzahl der Studien, die über die
manuelle Suche identifiziert worden sind.
Medline Anzahl der Studien, die von den manuell
identifizierten in Medline enthalten sind
- Von bisher 6844 Studien waren nur 3986 (58) in
Medline enthalten - Von diesen 3986 Studien werden bei einer
Medline-Recherche erfahrungsgemäß nicht annähernd
100 gefunden (Haynes) - Daher kann eine Medline-Recherche allein nicht
Grundlage der Erstellung von unverzerrten
Übersichtsarbeiten sein
6 Übersichtsarbeiten
7Übersichtsarbeiten Vorteile
- Erfassung aller für die Fragestellung relevanten
Literatur - Methodisch einwandfreie Synthese
- Aufarbeitung der Synthese und Verbreitung
- Verdichtung einzelner Artikel aus der
Primärliteratur - Diskussion unter Berücksichtigung der gesamten
relevanten Literatur
8Übersichtsarbeiten Problemfelder
- Erfassung aller für die Fragestellung relevanten
Literatur - Methodisch einwandfreie Synthese
- Aufarbeitung der Synthese und Verbreitung
- Verdichtung einzelner Artikel aus der
Primärliteratur - Unvermeidbar Selektionsfehler
9Accessibility
- The level of is related to several factors
- selective publication of statistically
significant results - the timing of publication
- the type of publication
- the language of publication
- multiple publications
- selective citation of references
- coverage by database and indexes
10Übersichtsarbeiten Bias
- Publikationsbias
- Nicht-Veröffentlichung von Studien mit
nichtsignifikanten Therapievergleichen durch
Wissenschaftler und Zeitschriften - systematische Überschätzung des Gesamteffekts
aufgrund der fehlenden Berücksichtigung von
Studien mit nichtsignifikanten Resultaten, also
kleinen Effekten - Retrieval-Bias
- Keine sichere Methode vorhanden, um
veröffentlichte Studien aufzufinden - Berücksichtigung von oft nur 50 der für eine
Therapie relevanten Studien - Nichtberücksichtigung von Datenbanken
- Verbesserung Studienregister Indizierung und
Suchtechniken in Datenbanken
11(No Transcript)
12Übersichtsarbeiten Bias
- English/Non-English Language Bias
- Systematische Unterschiede in den Publikationen
von klinischen Studien im englisch vs.
nicht-englisch-sprachigen Raum - Qualität Nein (Moher et al. 1996)
- Signifikanz der Ergebnisse Ja (Egger et al.
1997) - Weitere
- Reporting Bias,
- non-honest Bias (Besprechung folgt später)
13Forderungen an eine Evidence Based Medicine
- Klinische Entscheidungen auf der Basis der besten
verfügbaren Evidenz - Systematische Identifikation von Evidenz (unter
Einbezug medizinischer Datenbanken) - Beurteilung der gefundenen Evidenz anhand
klinisch-epidemiologischer Prinzipien (critical
appraisal) - Prüfung der Anwendbarkeit der gefundenen
wissenschaftlichen Evidenz im Rahmen des
gegebenen klinischen Problems - Evaluation des Erfolgs der medizinischen Maßnahme
- Kontinuierliche Prüfung der Adäquanz der
ärztlichen Leistung bezüglich des neuesten
wissenschaftlichen Wissenstands(Aus- und
Fortbildung)
14Die Cochrane Collaboration
Preparing, maintaining and disseminating
systematic reviews of the effects of health care
Internationals Netzwerk von z.Zt über 5000
Wissenschaftlern
15Die Cochrane Collaboration
- 1972 Archie Cochrane Effectiveness and
Efficiency Random Reflections on Health
Services - 1974 Pilot - Projekt Effective Care during
Pregnancy and Childbirth. 600 systematische
Reviews (I. Chalmers et al. 1989) - 1992 Gründung des UK Cochrane Centers
- 1993 Gründung der Cochrane Collaboration
16Organisationsstruktur der Cochrane Collaboration
- Cochrane Zentren organisatorisches Rückrat
(z.Zt. 16) - ReviewgruppenVorbereiten, Erstellen und
Aktualisieren von Reviews - Methods Working Groupsz.B. Statistical Methods
Informatics Applicability of Reviews, u.a. - Steering GroupUA Urheberrechte
Preisgestaltung, Grundsatzfragen der Begutachtung
17Was ist neu oder anders?
- Systematisierung und Standardisierung,
Transparenz (Leitlinien für Übersichtsarbeiten) - Titelregistrierung und Protokoll
- Permanente Aktualisierung
- Integration eines Kommentar- und
Kritikprozesses - Internationale Kooperation, Networking
(Globalisierung)
18Evidence Based Medicine und Cochrane Collaboration
- Levels of Evidence
- I. wenigstens ein systematisches Review auf der
Basis methodisch hochwertiger RCTs - II. wenigstens ein ausreichend großer methodisch
hochwertiger RCT - III. methodisch hochwertige Studien ohne
Randomisierung (Kohorten-, Fall-Kontrolle-Studie) - IV. mehr als eine methodisch hochwertige,
nichtexperimentelle Studie - V. Meinungen von respektierten Autoritäten (aus
klinischer Erfahrung), Expertenkommissionen,
beschreibende Studien
19Die Situation im deutschsprachigen Raum
- Deutsches Cochrane Zentrum in Freiburg(gefördert
durch das BMBF) - großes Interesse an Reviews wissenschaftlicher
Input für Bewertungen und Leitlinien(Qualitätssic
herung, Guidelines, Kostendruck) - Diskussion bei Spitzenverbänden, z.B. AQS, ÄZQ,
Bundesausschuß Ärzte und Krankenkassen, Kassen - Information und Diskussion
- Publikationen, regelmäßiger Rundbrief, feste
Rubrik in der ZaeFQ - wenig Review-Aktivitäten
- erste Editorial Bases Hämatologie (Köln)
Diabetes (Düsseldorf) - einzelne Reviews unkonventionelle Medizin,
Chirurgie - Dissemination über Bibliotheken und das DGN
- EBM-Netzwerk
- Schweiz, Österreich
20Wasser in den Wein Forschungsfälschung?
21Forschungsfälschungen
- prominente Beispiele der Fälschung bezichtigter
Forscher der 90er Jahre - Lohmann (Giessen 1990)
- Baltimore (Medizin-Nobelpreis 1975) /
- Thereza Imanishi-Kari (Tufts University 1991)
- Zadel (Bonn 1994)
- Fisher (Pittsburgh 1995)
- McLachlan (Tulane 1996)
- Herrmann / Bracht (Ulm/Lübeck 1997)
- Schell und Reiß (MPI-Köln 1998)
- die meisten bekanntgewordenen Vorwürfe sind in
den USA erhoben worden
22Forschungsfälschungen
- Der Fall Herrmann/Bracht
- vermutet 47 Artikel mit gefälschten Daten
- Recherche im DIMDI-Datenbankcluster XMED
- (21 Datenbanken im Bereich Humanmedizin)
-
- Man findet 20 inkriminierte Dokumentationseinträg
e zu insgesamt 8 zurückgezogenen Publikationen - Medline 8
- Cancerlit 3
- Embase 2
- Elsevier Biobase 1
- Scisearch 6
23Forschungsfälschungen - persistierende
Fehlinformationen
- Arbeit von Pfeiffer und Snodgrass , 1990
- 82 gefälschte und zurückgezogene Artikel wurden
nach der Rücknahme 733 mal zitiert - dabei sind keine signifikanten Unterschiede
feststellbar hinsichtlich - Bekanntheitsgrad der Zeitschrift
- Herkunftsland/Sprache des Autors
24Das Problem der Fehler
- Honest Errors versus Scientific Fraud
- Gesamtzahl der DE in MEDLINE, EMBASE und
SCISEARCH 1990-1998 (21.07.98) - 13.255.468 davon
- Corrections 49.822 0,4
- Retractions 1.400 0,01
- Fraud 10.573 0,08
- echte Fälsch. 51 0,0004
25Das Problem des non-honest bias
- finanzielle Kontakte (Forschung ? Industrie)
- Arbeit von H. T. Stelfox et. al
- Meinung zum Einsatz Wahrscheinlichkeit einer
von Ca-Antagonisten finanziellen Beziehung zu
einem Pharmaunternehmen - Befürworter 96
- Neutrale 60
- Kritiker 37
26Über-/Fehlbewertungwissenschaftlicher Erkenntnis
- Bsp. Pille der dritten Generation
- November 1995
- Erstmalige Anordnung von Anwendungsbeschränkungen
- Bescheid des BfArM vom 31.01.97
- Die 1995 angeordneten Anwendungsbeschränkungen
werden erneut bestätigt - Pressemeldung aus der PZ Nr. 37, 1997
- Hinweis aus London ? Fehlinterpretation
epidemiologischer Daten - Pressemeldungen zur Entscheidung des Berliner
Verwaltungsgerichts
27Umgang mit Forschungsfälschungen- Praxis der
Datenbankhersteller
Wer hat das Recht, eine Publikation
zurückzuziehen?
28Praxis der National Library of Medicine (NLM)
- Zum Eingreifen berechtigt sind...
- Autoren
- wissenschaftliche Einrichtungen (Dienstherr) und
institutionelle Sponsoren des Autors
(Finanzträger) - Herausgeber und Verleger der Journale
Artikel bleiben in der Datenbank, werden aber
eindeutig gekennzeichnet
29NLM Kennzeichnung von Forschungsfälschungen
Gekennzeichnet werden Errata, Retraction,
Duplicate Publication, Comments
- Zurückziehung von Publikationen
- Beanstandete Dokumente
- im Titel Retracted
- im Feld Document Type (DT) Retracted
Publication - Neue, korrigierende Dokumentationseinheiten
- im Titel Retraction of...
- im Feld DT Retraction of Publication
30Anspruch und Umsetzung ...
- Recherche in der Superbase-Gruppe XMED (21
Datenbanken - Bereich Humanmedizin) -
- Ausgewählt wurden 19 der von der NLM im Zeitraum
22.05.97 - 14.05.98 zurückgezogenen 33
Publikationen
31Suchergebnis aus XMED
inkrim. DE (ges.) 19 14 15 15 11 16 1 2 1
Datenbank Medline (NLM) Cancerlit (NLM) Biosis
Previews Embase Elsevier Biobase Scisearch SOMED D
erwent Drug File CAB-Health
gekennz. DE 5 3 4 - - - - -
-
korrig. Neu- DE 19 - 8 8
7 17 - - -
) 4 DE mit DTRetracted Publication 1 DE mit
DTWithdrawn at ) keine korrigierenden DE
mit DtRetraction of vorhanden ) doppelte
Alt-DE (gekennzeichnete und nicht
gekennzeichnete DE) ) zusätzliches
Retraction-Notice-Document zu einem nicht
vorhandenen Dokument
32Problem Falschanschuldigung
- Der Fall Bernhard Fisher
- 1994 durch Journalisten der Chicago Tribune der
Forschungsfälschung bezichtigt - als NSBABP-Direktor (National Surgical Brest and
Bowel Project) abberufen - unter dem Druck des National Cancer Institute
kennzeichnet die NLM die Artikel des NSBABP in
ihren Datenbanken mit dem Vermerk scientific
misconduct - Fisher klagt dagegen und gewinnt den Prozeß1997
wird seine Unschuld auch vom ORI bestätigt
Wiederherstellung seiner Reputation gestaltet
sich äußerst problematisch (Sekundärprodukte von
NLM-DB...)
33 Was tun ?
34Staatliche Kontrollmechanismen - Beispiel USA
- Office of Research Integrity (ORI)
staatliche Kontrollmechanismen für alle Forscher,
die vom Department of Health and Human Services
(DHHS) gefördert werden
35Forschungsfälschung - Initiativen der Wissenschaft
- Bsp. Denkschrift der DFG
- Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis
Selbstreinigungsmechanismen