Title: Neuropsych. vor. 6
1Neuropsych. vor. 6
- PTE ÁOK Pszichiátriai Klinika
2Psychoneuroendokrinologie Die Organisation
und Bedeutung von Umweltreizen einschließlich der
Wahrnehmungsschwellen und die Bildung
spezifischer assoziativer Verbindungen
(Binding) hängt von der Gegenwart von Hormonen
ab. Biologische Rhythmen und Hormone Schlaf und
Homöostase Der regelmäßige Wechsel von
Tiefschlaf (SWS, slow wave sleep) und
REM-Schlaf (Rapid-eye-movement-Schlaf,
Traumschlaf) ist sowohl für die endokrinen
Systeme wie für das Immunsystem ein
unverzichtbarer Reiz. Schlafdeprivation und
Schlafstörungen, beeinflussen die physiologischen
und psychologischen Regulationsprozesse wichtiger
Hormone und des Immunsystems. In der
Chronobiologie sprechen wir daher auch von
prädiktiver Homöostase des Schlafes, also
seiner Eigenheit, im Voraus zu erwartende
Regulationsvorgänge während des Tages in der
Nacht zu antizipieren.
3Wachstumshormon und Kortisol
Wachstumshormon (GH, growth hormone) und
Kortisol zeigen eine genau entgegengesetzte
ultradiane Periodik. Das Maximum der
GH-Produktion ist im ersten Teil der Nacht.
(Erklärt viele der negativen Effekte der
Schlafdeprivation gerade dieser auch als
Kernschlaf bezeichneten Abschnitte der
zirkadianen Periodik Hemmung des Körperwachstums
und der kognitiven Entwicklung und Lernfähigkeit,
da GH im ZNS am Wachstum der Verbindungen
zwischen den Nervenzellen wesentlich beteiligt
ist.) Extreme körperliche Aktivität, Stress
und Depression gehen häufig mit Störungen des
Schlafes,(v.a.des Kernschlafes), GH-Unterdrückung
und Kortisolanstieg einher. Die pulsatile
ACTH- und Kortisolausschüttung beginnt mit dem
Nadir (Tiefpunkt) des GH-Spiegels mit dem 3.
Schlafzyklus, allerdings nicht mit einer
REM-Phase. Während der REM-Phasen in der zweiten
Nachthälfte wird der Kortisolanstieg gebremst, er
erfolgt nur in den Zwischenstadien 2 und 1
zunehmend intensiv bis zum Aufwachen.
Wachstumshormon wird in den ersten beiden
Nachtstunden im Tiefschlaf, Kortisol mit
zunehmender Präsenz der Schlafstadien 1 und 2
(oberflächlicher Schlaf) gegen Morgen
ausgeschüttet.
4(No Transcript)
5Kortisol und Immunsuppression Während
Glukokortikoide in physiologischer Konzentration
die Freisetzung vieler Zytokine hemmen und somit
etwas verallgemeinert immunsuppressiv wirken, hat
GH einen immunstimulierenden Effekt. (Dieser
gegenläufige Zusammenhang könnte die erhöhte
Krankheitsanfälligkeit im Alter (Kernschlaf und
GH reduziert) und nach lang anhaltender
Hilflosigkeit und Depression erklären. Mit
Verlust des Kern- oder Tiefschlafes geht eine
Schwächung des Immunsystems einher.) Der
Kortisolanstieg in der 2. Nachthälfte begünstigt
auch die Labilisierung des kardialen Systems,
Herz-Kreislauf-Störungen kommen daher in der 2.
Nachthälfte häufiger vor. Melatonin Das
Peptidhormon der Zirbeldrüse wird beim Menschen
nur in Dunkelheit ausgeschüttet und steht unter
Kontrolle des N. suprachiasmaticus, des stärksten
zirkadianen Oszillators, der primär die
zirkadianen Schlaf- Wach-Zyklen, weniger die
infradianen Zyklen der Körpertemperatur und des
Kortisols regelt. Melatonin synchronisiert
unter dem Einfluss des zirkadianen Oszillators
endogene Rhythmen und trägt zur Erholung der
Immunkompetenz in der ersten Nachthälfte bei.
6(No Transcript)
7Emotionen und Hormone Soziale Bindung,
Bindungsverhalten,Bindung und Lernen Obwohl
Entstehung und Aufrechterhaltung sozialer
Bindungen primär gelernt werden, wird die
Wahrscheinlichkeit (aktivierend) und Art
(organisierend) von Bindungsreaktionen von
unterschiedlichen Hormonen determiniert. (Der
Aufbau von Bindungsverhalten hat durchaus den
Charakter eines angeborenen nicht-homöostatischen
Triebes , wird aber sofort nach der Geburt durch
Lernvorgänge weitgehend bestimmt. Die
Bindungsmotivation ist Voraussetzung für das
Zusammenleben in Gruppen und das soziale
Zusammenleben auch unabhängig von Reproduktions-
und Sexualtrieb sichert.) Die Auflösung von
Bindung durch Trennung erzeugt Hilf- und
Hoffnungslosigkeit, (wie sie beim Menschen in
schweren Depressionen zum Ausdruck kommt.) (In
der Entwicklung wird der gesamte Kontext
(örtliche und zeitliche Zusammenhänge) früherer
Bindungserfahrung im Gedächtnis niedergelegt und
kontinuierlich mit den aktuellen sozialen
Situationen verglichen. Verlust oder Trennung
verletzen die im Gedächtnis gespeicherten
Bindungserwartungen und führen zu Hilflosigkeit
und Depression.)
8Oxytozin und Bindungsverhalten Oxytozin (OT)
ist ein Neuropeptid, erfüllt die Funktion der
Auslösung der Milchejektion in der weiblichen
Brust und der Uteruskontraktionen bei Geburt und
im Sexualverkehr. (Es wird primär im N.
paraventricularis (PVN) und dem N. supraopticus
(SON) des Hypothalamus synthetisiert. Deren
Neurone projizieren in den Hypophysenhinterlappen.
Neben diesem Hauptproduktionsweg findet sich
aber OT auch im limbischen System und den
autonomen Kernen des Hirnstamms.) Zumindest
im Tierversuch ist es aber der auf den
hypophysären Anstieg der Ausschüttung folgende
Anstieg des zentralen OT, der das Interesse des
Muttertiers auf das Junge lenkt. Für die
Entwicklung des Bindungsgefühls, das beim
Erwachsenen häufig mit sexueller Aktivität
einhergeht, ist ebenfalls das zentrale OT
verantwortlich. (Während sexueller Aktivität
erhöht sich die Verfügbarkeit von OT an den
Synapsen in beiden Geschlechtern, ausgelöst durch
Reizung der Sexualorgane.) Die
Entwicklung und Aufrechterhaltung sozialer
Bindungen hängt vom Vorhandensein von Oxytozin
(OT) im ZNS ab.
9(No Transcript)
10Soziale Bindung und Partnerschaft Oxytozin
und Vasopressin (das antidiuretische Hormon, ADH)
fördern beide Sexualverhalten und soziale
Bindung. (Oxytozin- und Vasopressin-Knock-Out-Mäus
e, zeigen soziale Amnesie Sie können oder
wollen ihre Partner nicht mehr erkennen.
Monogame Tiere, zeigen in limbischen und
hypothalamischen Hirnregionen eine deutliche
vermehrte Anzahl von OT-Rezeptor-Bindungsorten,
wobei zwischen beiden Geschlechtern in der Regel
kein Unterschied besteht. Auch die innerartliche
Aggression ist bei diesen Tierarten geringer.)
Die Gegenwart des Neuropeptids OT im ZNS macht
sozialen Kontakt jeder Art, nicht nur sexuellen,
belohnend und dies in Kooperation mit Opioiden
Peptiden und Opioidstrukturen. (Die positiv
verstärkende Wirkung der intrakraniellen Reizung
von Opioiden Hirnstrukturen wird im sozialen
Kontext bei der Ausbildung von Bindungen
wahrscheinlich durch die gemeinsame Wirkung von
OT und ß-Endorphinen erzeugt. Auch Kurzzeitstress
mit Anstieg von Kortisol, Vasopressin und
Oxytozin fördert mütterliches und väterliches
Sorgeverhalten und Bindung, sowohl vor wie auch
nach der Geburt eines Kindes.) Ohne das
Oxytozin-Gen kommt es zu sozialer Amnesie,
während Oxytozin zusammen mit endogenen Opioiden
sozialen Kontakt belohnend erleben lässt.
11Aggressives Verhalten Medialer Hypothalamus und
Aggression Die verschiedenen Formen
aggressiven Verhaltens, sind zum Großteil
gelernt, benötigen aber neben spezifischen
Schlüsselreizen aus der Umwelt (z. B. männlicher
Konkurrent um ein weibliches Tier) eine Senkung
innerorganismischer Schwellen für diese Reize.
Diese Schwellensenkung wird bei innerartlicher
physischer Aggression v. a. von Kernen des
medialen Hypothalamus bewirkt, der als oberste
Koordinationsstruktur für aggressives Verhalten
dient. Die verschiedenen Aggressionsformen sind
auch mit verschiedenen neurophysiologischen
Prozessen korreliert. Angesichts der Tatsache,
dass in industrialisierten Gesellschaften
physische Aggression weitgehend ihre Funktion
verloren hat, ist die beutebezogene Aggression,
wie sie beim Menschen (primär beim jungen Mann)
in kriegerischen und kriminellen Akten zum
Ausdruck kommt, besonders wichtig. Die
Schwellensenkung für beutebezogene Aggression
findet im medialen Hypothalamus statt.
12Testosteron und Aggression Der Großteil
von Gewalttätigkeiten geht von jungen Männern
aus, die eine hohe Produktion von Testosteron
aufweisen. (Andererseits korreliert beim
erwachsenen Mann das Testosteronniveau schwach
positiv mit beobachtbarem physischgewalttätigem
Verhalten.) Kastration oder reversible
Blockade von Testosteronausschüttung oder
Testosteronrezeptoren mit bei Gewaltverbrechern
mit hohem Testosteronniveau eine Reduktion von
physisch aggressivem Verhalten bewirkt.
(Unbestritten bleibt, dass ein minimaler
Testosteronspiegel vor und nach der Geburt
vorhanden sein muss, damit aggressives Verhalten
überhaupt auftreten kann.) Der Zusammenhang
zwischen Testosteron Produktion und Aggression
ist beim Erwachsenen nur schwach positiv.
13Weibliche Aggression (Tierarten, bei denen
die weiblichen Tiere ein hohes Testosteronniveau
aufweisen, wie Hyänen, zeigen auch deutlich
erhöhtes Aggressionsverhalten. Sie dominieren die
männlichen Mitglieder der Horde, die gegenüber
den weiblichen submissives Verhalten zeigen.)
Beim Menschen die Attribution (kognitive
Zuschreibung) sozialer Dominanz erhöht die
Androgenproduktion. Sieg und Niederlage
(Die subjektive Bewertung und Bewältigung von
Sieg oder Niederlage hat den entscheidenden
Einfluss auf das Androgenniveau erwachsener
Tiere.) (Die Gabe weiblicher Sexualhormone,
v. a. von Östradiol hemmt bei den meisten
untersuchten Tierarten die Aggressivität, beim
Menschen ist dies aber bisher nicht ausreichend
untersucht.) Androgene und fetale Entwicklung
(Die Zirkulation von Androgenen während der
Schwangerschaft hat zweifellos einen
organisierenden Einfluss auf die
anatomisch-physiologische Zusammensetzung
limbischer und hypothalamischer Kerne und
Verbindungen und wirkt damit spezifisch auf
Verhalten. Diese Aussage gilt für sexuelle
Orientierung, ist aber für aggressive Reaktionen
nicht gesichert.) Je nach Zeitpunkt der Wirkung
von Androgenen während der Schwangerschaft, sind
die organisierenden Einflüsse auf Gehirn und
Verhalten verschieden.
14Stressbewältigung Die Wirkung von Stressreizen
(in der Regel aversive Reize) hängt von
-objektive, physikalische Intensität der
aversiven Reize, -subjektiv-psychologische
Intensität der aversiven Reize (Bewertung)
-Vermeidungs-und Bewältigungsmöglichkeit(coping)
-Dauer und Häufigkeit von Stressreizen,
-konstitutionelle psychologische und
physiologische Faktoren -tonischer
Ausgangs-(Aktivierungs-)zustand des Lebewesens
-soziale Stützung und Bindung (social
support), -motorische Abfuhrmöglichkeiten
(z.B. regelmäßiger Sport). Die Wirkung von
Stressreizen auf das Nervensystem und Hormone
hängt besonders von der Verfügbarkeit von
Bewältigungsverhalten.
15Gelernte Hilflosigkeit Ein Modellbeispiel für
die Konsequenzen anhaltender erfolgloser
Bewältigung von Stress (Die experimentelle
Anordnung zur UntersuchungDie Tiere der
Experimentalgruppe (EG) erhalten vor dem
eigentlichen Test für Hilflosigkeit (meist 24 h
vorher) mehrere unkontrollierbare, intensive
schmerzhafte Reize, denen sie weder entfliehen,
noch die sie vermeiden können. Die Kontrollgruppe
(KG1) erhält keine aversiven Reize und die KG2
exakt dieselben aversiven Reize (Joch kontrolle,
yoked control) mit Fluchtmöglichkeit, das Tier
kann eine Taste bewegen. (Die Fluchtmöglichkeit
stellt in diesem Fall nur eine Illusion dar, da
dieselben unangenehmen Reize wie in der EG
gegeben werden). In der Testbedingung 1-24
Stunden später, werden die Tiere aller Gruppen in
dieselben Käfige gebracht und erhalten
Vermeidungsmöglichkeiten (z. B. zwei-Weg-aktives
Vermeiden auf ein Lichtsignal über die Barriere
in das sichere Abteil springen). Dabei treten
im Wesentlichen 2 Effekte in der (EG) auf
motorische Defizite (Bewegungslosigkeit oder
Bewegungsstereotypien) und assoziative
Defizite (kein Vermeidungslernen für bestimmte
Zeitspanne Leistungsabfall in Lern- und
Konzentrationsaufgaben beim Menschen). Gelernte
Hilflosigkeit führt zu motorischen und
kognitiv-assoziativen Störungen.
16Das generelle Adaptationssyndrom Cannon und
Selye, der den Stressbegriff entwickelte, sahen
Stress als unspezifische Antwort des Organismus
auf die Störung des homöostatischen
Gleichgewichts und als den Versuch, dieses
Gleichgewicht wiederherzustellen. Das
generelle Adaptationssyndrom(Selye) -die
Stressreaktionen fallen auf unterschiedliche
Reize scheinbar ähnlich aus. Weniger physikalisch
definierbarer Stress (z. B. Lärm) als die
subjektiv erlebte Belastung darüber entscheidet,
ob eine dauerhafte Störung der Körperhomöostasen
und Krankheit oder ob Adaptation eintritt.
Selye postulierte 3 Phasen der Stressreaktion
Alarm, Widerstand und Erschöpfung, heute
Kurzzeit-und Langzeitfolgen von Belastung.
(Pathophysiologische Konsequenzen treten nur auf,
wenn die Stressreaktion zu lange (chronische
Stressoren), zu häufig oder ohne physiologische
Notwendigkeit (z. B. ohne Fluchtmöglichkeit) wie
bei psychologisch-sozialen Stressoren
auftritt.) Das ursprünglich als generell
angesehene Stressadaptationssyndrom ist aber sehr
spezifisch vom Kontext und den Stressreizen und
Bewältigungsverhaltensweisen abhängig
17(No Transcript)
18Kurzzeit- und Langzeitstress Zur
Kurzzeit-Bewältigung sind rasch Energie
mobilisierende Stressreaktionen und die Hemmung
von Langzeit-Energiespeicherung notwendig.
(Die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Neben
nierenrindenachse erfolgt innerhalb von Minuten,
die des sympathischen Nervensystems und der
Katecholamine in Sekunden. Die Insulinsekretion
(Speicherung von Glukose) wird gehemmt und
Glukose im Blutstrom der Muskulatur vermehrt zur
Verfügung gestellt (erhöhter Zucker unter
Stress). Zusammen mit den kardialen sympathischen
Erregungen wird so die Effizienz von Muskelarbeit
(Kampf - Flucht) erhöht.) Sexuelle
Reproduktionseffizienz, ein optimistischer
Langzeitmechanismus, wird durch Unterdrückung der
Sexualhormone reduziert. Schmerzwahrnehmung
(Stress-analgesie, und Langzeit-Entzündungsprozess
e werden ebenfalls gehemmt, sie würden die
Kurzzeitadaptation nur behindern).
Kurzzeitstress mobilisiert Energiereserven,
Langzeitstress unterdrückt sie.
19Verlauf der Stressbewältigung Erste
Konfrontation Anstieg der Hypophysen-Nebennierenr
inden- und Nebennierenmarkaktivität,sowie
entsprechender peripher-autonomer physiologischer
Prozesse. . Bei Bestehenbleiben der Belastung
und neuen Vermeidungsversuchen bleiben einige der
hormonellen und autonomen Reaktionen erhöht, auch
in Zwischen- und Ruhezeiten, Immunsuppression
(reduzierte T-Lymphozyten-Zellaktivität) und eine
Reihe anderer Organschäden treten auf
(psychosomatische Krankheiten) Ist der
Bewältigungsversuch mehr somatisch-muskulär
orientiert (Kampf-Flucht-Reaktion) so nennen wir
dies aktive Bewältigung (active coping), und es
treten nach erfolglosen Bewältigungsversuchen
bevorzugt Schäden des kardiovaskulären Systems,
Erkrankungen im Muskel und Halteapparat auf.
Erfolgt die Bewältigung mehr durch Rückzug und
Passivität, so nennen wir dies passive
Bewältigung (passive coping) und die
Organschäden sind mehr im Einflussbereich der
Kortikosteroide auf die intestinalen Systeme,
einschließlich des Immunsystems konzentriert
(z.B.Ulcus, Asthma). Vor allem aktive
Bewältigung und Konfrontation mit der Belastung
reduziert die Stressantwort. Wiederholt
erfolglose oder bestrafte Bewältigung führt zu
Krankheit.
20(No Transcript)
21Stress und Gehirn Allostase Die Aktivität
des HHNS wird durch die Stärke, Dauer und
Häufigkeit der Stressreize, ihrer subjektiven
Bewertung (Attribution) und Bewältigung, die
genetische Vulnerabilität des Individuums,
Vorerfahrung (Gedächtnis) mit Stress und die
zirkadiane Periodik bestimmt. Im Gehirn
wirkt v. a. das hypothalamische CRF-System
angstauslösend, erregend und immunosupressiv. Die
Glukokortikoide als negativer Feedbackreiz
bewirken die Begrenzung und Gegenregulation der
Hyperaktivität dieses Systems. Bei
wiederholtem oder anhaltendem Stress versagt
allerdings die Gegenregulation, wobei dieses
Versagen von plastischen Veränderungen der daran
beteiligten Hirnregionen als Folge von
Lernprozessen verursacht wird. Dabei wird
die Störung der Homöostase auch häufig als
Allostase (von griech. Ungleichgewicht) und die
Langzeitfolgen von Stress und der Übergang zu
Krankheit als allostatische Belastung bezeichnet.
Schlaf, Gedächtnis und Stressbewertung und
-bewältigung sind im Gehirn miteinander
verbunden, was ihre hormonellen Gemeinsamkeiten
deutlich machen. Die hinter diesen
Verhaltenskategorien wirkenden Prozesse
bestimmen, ob Krankheit entsteht. Bei
Langzeitstress ohne Bewältigung brechen die
homöostatischen Gegenregulationen der
Hormonsysteme zusammen und es kommt zu Allostase
und Krankheit.
22Stress, Noradrenalin und Zellverlust
Unkontrollierbarer Stress verlängert die
periphere und zentrale Katecholaminproduktion.
Neben der Erhöhung der selektiven Aufmerksamkeit
für die Stressreize wird dadurch auch die
Erregbarkeit im Hippokampus gesteigert und damit
die implizite Einprägung der emotionalen Reize
verstärkt. Dasselbe passiert in der
Amygdala, wo durch die erhöhte Vermeidungstendenz
(mit verbesserter Einprägung der traumatischen
Situationen) Symptome von Depression, Angst und
posttraumatischer Stressstörung (PTSD) erzeugt
werden. Dieser Endzustand, bei dem auch
reversible oder permanente Atrophie mit
Zellverlust im Hippokampus und bei
melancholischer Depression auch in der Amygdala
und im präfrontalen Kortex gefunden wurde.
Desensibilisierung (oder auch Immunisierung
genannt) des Organismus durch langsame und
vermehrt intensive und wiederholte Konfrontation
mit den Stressreizen und der Möglichkeit der
Bewältigung begrenzt die allostatische Auslenkung
der Nebennieren-Hypophysen-Achse. Bei
extremen Stressreizen kann es bei genetischer
Verletzlichkeit des Individuums zu
Noradrenalin-bedingter verstärkter emotionaler
Einprägung und zu Zellverlust im Hippokampus
kommen (Posttraumatische Belastungsstörung)
23Stress und Serotonin Während bei starken
und anhaltenden Stressoren Serotonin des dorsalen
Raphe-Kerns die 5-HT2-Rezeptoren in Amygdala,
Hippokampus und Neokortex aktiviert und
angstauslösend wirkt, stimuliert das Serotonin
des medialen Raphe-Kerns 5-HT1A-Rezeptoren im
Hippokampus, welche früher gelernte emotionale
assoziative Verbindungen auflösen und damit eher
therapeutisch auf Stressstörungen wirken, indem
sie Vergessen ermöglichen. Glukokortikoide
bei chronischem Stress erhöhen die
5-HT-Syntheserate für das 5-HT2-System und hemmen
die 5-HTr Rezeptoren und verstärken den Circulus
vitiosus aus Angst/Stress und verbesserter
Einprägung der Stresssituationen.
Unteraktivität des Serotoninsystems im ZNS
dagegen hängt mit Anstieg an Suizidalität und
erhöhtem Herzinfarktrisiko sowie Gewalttätigkeit
zusammen Neurochemisches Ungleichgewicht
Die relative Balance von katecholaminerger und
serotonerger Stimulation, welche die
CRH-Produktion bestimmt, darüber entscheidet, ob
die Hypophysen-Nebennierenachsen-Aktivität bei
wiederholtem Stress habituiert oder
sensibilisiert. Abfall der CRH-Stimulation führt
zu Apathie und/oder - wenn das Serotoninsystem
ebenfalls entleert wird - zu Gewalt oder Suizid.
Die Balance von serotonergem und
katecholaminergem Einfluss auf die CRH-Produktion
bestimmt die Adaptation und begrenzt das
Aufschaukeln der Nebennierenrindenachse bei
wiederholtem Stress. .
24Stress und Opioide Das ACTH-Stresshormon
wird aus dem Vorläufermolekül Proopiomelanokortin
(POMC) abgespalten, das auch als Vorläufer der
endogenen Opiate ß-Endorphin, y-Endorphin,
a-Endorphin und Met-Enkephalin fungiert Auch
ACTH und ß-Endor-phinausschüttung bei Stress ist
für die Stressanalgesie nach Hilflosigkeit und
die Immunsuppression verantwortlich. Mit
ACTH werden auch Opiate bei Stress ausgeschüttet,
welche zu Stressanalgesie (Schmerzunempfindlichkei
t) führen können. Stress, Altern und
Hippokampus Im Alter findet man generell
einen Anstieg der Serumglukokortikoide, was auch
mit der Reduktion der ersten Tiefschlafphasen
einhergeht. Im Alter wird die Feedback-Regelung
der Hypophysen-Nebennierenrindenachse schwächer
die hormonelle Reaktion bleibt nach Stressreizen
länger bestehen. Erhöhte Glukokortikoidspiege
l durch Stress beschleunigen auch das Altern des
Gedächtnisses durch raschere Zerstörung der
Hippokampusneuronen (v. a. in der Region CA3
Der Hippokampus hat einen hemmenden Einfluss auf
die Ausschüttung von CRH , das ja die
ACTH-Ausschüttung bewirkt. Klinische
Beispiele alte Menschen, die ihre geistige
Produktivität bis ins hohe Alter erhalten können
und jene, die nach schweren bedeutenden
Lebensereignissen (Krieg, Folter) dauerhafte
Gedächtnisstörungen und akzeleriertes Altern
aufweisen.
25Stress und Krankheit Psyche - Soma, ein
Scheingegensatz Psychische Störungen,
wie z. B. die Depression,weisen massive
hormonell-physiologische Änderungen auf, die bei
häufiger Wiederholung zu dauerhaften
pathophysiologischen Konsequenzen führen.
Psychosomatische Störungen wie die essenzielle
Hypertonie, chronische Schmerzzustände, Magen-und
Zwölffingerdarmgeschwüre und andere entwickeln
sich aus einem komplizierten Gefüge aus
Belastungsereignissen, endogenen
Rhythmusstörungen und molekulargenetischen
Veränderungen, in dem die Grenzen zwischen
Umgebungseinfluss und Körperphysiologie oft nicht
mehr erkennbar sind. Dagegen weisen rein
organische Störungen (wie z. B. manche
Herzkrankheiten, Epilepsieformen,
Immunschwächeerkrankungen, Diabetes II u. a.)
psychologische Auslöser auf, die auch keine
strenge Trennung zwischen psychisch versus
organisch erlauben. Für die meisten
Erkrankungen lässt sich heute der psychologische
Verursachungsfaktor genauso präzise angeben wie
der organmedizinische und die spezifische
Krankheit wird nur aus der psychophysiologischen
Interaktion beider verständlich.
Psychologische und physiologische Ursachefaktoren
von Stressbedingten Erkrankungen sind so eng
miteinander verwoben, dass sie meist weder
konzeptuell noch experimentell trennbar sind.
26Tabelle 8.2. Pathophysiologische Wirkungen von
anhaltender Belastung --Unterdrückung von
Immunreaktivität und Entzündung --Erhöhung der
Muskelanspannung in spezifischen
Muskelgruppen --Erhöhter kardialer
Output --Mobilisierung von Energie bei
Unterdrückung der Energiespeicherung --Unterdrücku
ng der Verdauung --Hemmung des Wachstums --Hemmung
der Reproduktionsfunktionen --Neuronale
Reaktionen und Änderungen der Wahrnehmungsschwell
en --Periphere Vasokonstriktion oder
Dilatation Pathophysiologische
Konsequenzen --Reduzierte Resistenz gegenüber
einer Vielzahl von Krankheiten --Rücken-,
Gesichts-, Kopfschmerzen, Weichteilrheumatismus,
--Essenzielle Hypertonie Diabetes, Myopathien,
Asthma --Geschwüre --Psychogener Zwergwuchs,
Knochenentkalkung --Infertilität, Anovulation,
Impotenz, Libidoverlust --Beschleunigtes Altern
kognitiver Funktionen und des Gedächtnisses,
einige Epilepsieformen --Essenzielle Hypertonie,
Raynaud-Erkrankung, Migräne
27Zusammenfassung Psychoneuroendokrinologie,
Umwelt, Körperrhythmen und Hormone Hormone
aktivieren und organisieren Verhalten. Sie
verändern Wahrnehmungs- und Erregungsschwellen
von der Nervenzelle bis zu komplexen
Verhaltensweisen. Glukokortikoide und Kortisol
heben die Schwellen aller Sinnessysteme. Die
Ausschüttung von Hormonen erfolgt in zirka- oder
Ultradianen Rhythmen Wachstumshormon wird v. a.
in den ersten 3 Schlafstunden produziert. Die
Erholung des Immunsystems geht mit
Melatoninausschüttung in den Tiefschlafstadien
einher. Kortisol wird gegen Morgen im
Schlafstadium 1 und 2 produziert. Emotionen und
Hormone Soziale Bindung hängt von der Gegenwart
von Oxytozin ab. Aggressives Verhalten und
männliche Sexualhormone (Androgene) sind schwach
positiv korreliert. Stress und
Hilflosigkeit Gelernte Hilflosigkeit führt zu
Depression, Immunschwäche und somatischen
Störungen. Extremer Stress und psychologische
Traumen führen zu Verlust explizit bewusster
Erinnerung und Hippokampusdegeneration.
28 Psychoneuroimmunologie Nervensystem,
endokrines System und Immunsystem
Voraussetzung für einen Zusammenhang zwischen
psychischen Prozessen, Verhalten und
immunologischen Vorgängen sind anatomische und
physiologische Verbindungen zwischen Nervensystem
und Immunsystem. Viele der Wechselwirkungen
zwischen Nervensystem (Psyche) und Immunsystem
laufen über die endokrinen Systeme, deren
Einflüsse müssen daher in der Psychoneuroimmunolog
ie besonders berücksichtigt werden.
Immunologische Vorgänge nicht autonom, d. h.
unabhängig vom Zentralnervensystem (ZNS)
ablaufen, sondern dass das Nervensystem in die
Tätigkeit des Immunsystems eingreift und
umgekehrt Vorgänge im ZNS durch Einflüsse aus dem
Immunsystem verändert werden. Dasselbe gilt
für die endokrinen Systeme, die wie das
Immunsystem über eine vom ZNS unabhängige
Autoregulation verfügen, im intakten Organismus
aber stets vom ZNS und peripheren Nervensystem
mitgesteuert werden. Während die Immunologie
primär diese autoregulativen Prozesse zwischen
und innerhalb der Zellen des Immunsystems
untersucht, befasst sich die Psychoneuroimmunologi
e mit den Wechselwirkungen zwischen den
Systemen. Unter Psychoneuroimmunologie
verstehen wir die Wissenschaft von den
Wechselwirkungen zwischen Verhalten (Psycho),
Nervensystem (Neuro) und Immunsystem
(Immunologie).
29a
30Geschichte der Psychoneuroimmunologie Der
Begriff Psychoimmunologie wurde 1964 von G.F.
Solomon und Mitarbeitern in einem Artikel
geprägt, der sich mit dem Zusammenhang zwischen
Emotionen, Immunsystem und Krankheit befasste.
Bereits in den 20er-Jahren des 20.
Jahrhunderts hatten russische Wissenschaftler aus
der Schule Iwan Pawlows entdeckt, dass
Immunreaktionen klassisch konditionierbar waren,
eine Entdeckung, die in Vergessenheit geriet, da
zu dieser Zeit noch kein Wissen über mögliche
Mechanismen eines solchen Lernprozesses bestand.
Erst in den 70er-Jahren haben R. Ader
und N. Cohen durch besser kontrollierte
Untersuchungen an Mäusen diese Entdeckung
wiederbelebt und die Bezeichnung
Psychoneuroimmunologie eingeführt. Die
Psychoneuroimmunologie begann mit Forschungen zur
Entstehung von Krankheiten nach Belastungen und
der Konditionierung von Immunfaktoren.
31Krankheit und Immunsystem Die
Aufrechterhaltung und Beeinflussung mancher
Krankheiten durch psychische (sprich neuronale)
Faktoren erhält durch die Psychoneuroimmunologie
eine naturwissenschaftliche Grundlage.
Grundsätzlich können Immunreaktionen auf 4 Wegen
zu Krankheit führen. Diese sind in Tabelle 9.2
dargestellt. Das Zentralnervensystem und das
Hormonsystem können auf alle vier Möglichkeiten
der pathologischen Entwicklung Einfluss nehmen.
Da jedem psychologischen Vorgang ein Hirnprozess
zugrunde liegt, werden solche Hirnvorgänge, die
mit dem Immunsystem in Verbindung stehen,
psychologisch ausgelöste Immunreaktionen
bewirken. Die Beziehungen zwischen den
psychologischen (neurophysiologischen) Vorgängen
und den immunologischen Prozessen sind in der
Regel nicht linear in den meisten Fällen
bestehen Grenz- und Schwellenwerte, deren
Überschreiten sprungartig zu pathologischen
Entwicklungen führt (z. B. bestimmte bösartige
Tumoren). Solche Entwicklungen werden als
deterministisch-chaotisch bezeichnet und können
mit modernen mathematischen Verfahren beschrieben
werden.
32a
33Direkte und indirekte psychologische
Einflussfaktoren Die dargestellten
Einflussfaktoren beziehen sich auf direkte
Effekte, die das ZNS, das autonome NS und die
Hormone auf das Immunsystem haben z. B. kann ein
Belastungsreiz direkt ein Areal im Hypothalamus
aktivieren, dieser stimuliert einen bestimmten
Rezeptortyp an Immunzellen, die ihre Arbeitsweise
daraufhin verändern. Sehr viel häufiger
und für das Gesundheitssystem wichtiger sind
allerdings die indirekten psychologischen
Faktoren z. B. Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen
und Substanzmissbrauch, Mangel an Bewegung. Jeder
dieser Faktoren hat unterschiedliche, aber
gravierende Einflüsse auf den Immunstatus und
kann eine Vielzahl ganz unterschiedlicher
Krankheitssymptome nach sich ziehen. Alle
genannten indirekten Faktoren sind aber in
letzter Konsequenz auf Lernprozesse (vor dem
Hintergrund konstitutioneller Risiken)
rückführbar. Die meisten psychoimmunologisch
bedingten Erkrankungen sind indirekt und nicht
direkt von psychologischen Einflüssen ausgelöst.
34Hormone, Neurotransmitter und Immunsystem Wirkung
der Tachykinine auf das Immunsystem Einige
Neuropeptide und die Katecholamine greifen direkt
in die Arbeitsweise von immunkompetenten Organen,
wie Milz, Lymphknoten, Schilddrüse und
Immunzellen ein. Substanz P, vasoaktives
intestinales Peptid, Kortikotropin-Releasing-Hormo
n und einige Hypophysenpeptide, wie ACTH und
ß-Endorphine reduzieren die Immunkompetenz. Alle
genannten Substanzen treten als Reaktion des
Organismus auf psychisch oder physisch belastende
Reize (Stress) auf. Substanz P und
vasoaktives intestinales Peptid (VIP) spielen
eine große Rolle in der Entstehung sog.
psychosomatischer Krankheiten, bei denen
Entzündungen der Gelenke oder innerer Organe
vorliegen. Sie werden deshalb auch als
Tachykinine (griech tachos schnell, kinin
bewegen) bezeichnet Arthritis, Colitis ulcerosa,
Ekzeme, Asthma und bösartige Tumoren werden von
ihnen begünstigt. Die Tachykinine kommen im
Gehirn, Rückenmark, peripherem Gewebe und Gefäßen
sowie den Schleimdrüsen vor sie werden sowohl an
den peripheren Nervenendigungen als auch
teilweise von Immunzellen selbst sezerniert.
35a
36Dosisabhängigkeit der Immunreaktion
Dabei spielt allerdings die Konzentration der
ausgeschütteten Neuropeptide eine oft
gegensätzliche Rolle. Beispielsweise besitzen
Lymphozyten beim Menschen Rezeptoren für
körpereigene Opiate. Kleine Mengen dieser
endogenen Opiate verstärken, während hohe Dosen
die zelluläre und humorale Immunreaktion
schwächen. Dies könnte erklären, warum bestimmte
Belastungs- und Stressbedingungen oft zu
gegensätzlichen immunologischen Effekten
führen. Abb. 9.6 gibt eine Zusammenfassung
einiger peripherer Faktoren, die die
Überempfindlichkeit der Gewebe für nozizeptive
Reize und Allergene und Immunität beeinflussen.
Dabei zeigt der rechte Teil der Abbildung, dass
der Effekt der Schmerz- und Stressreize von der
Balance zwischen hemmenden (rot strichliert) und
erregenden (schwarz) Einflüssen der verschiedenen
Neuropeptide und Immunzellen abhängen wird diese
Balance hängt auch von der Dauer des Stressreizes
und der Zeit nach Beendigung des Stressreizes
ab. Ein- und dieselben durch Stress
ausgeschütteten, immunologisch wirksamen Hormone
können in niedriger Dosierung zu gegensätzlichen
Effekten als in hoher Menge führen.
37Wirkung der Katecholamine auf das Immunsystem
Katecholaminen werden bei Angst und
Defensiwverhalten aktiviert und spielen eine
zentrale Rolle in der Regulation der cAMP-Spiegel
von Lymphozyten und modifizieren damit
dosisabhängig eine Vielzahl von Immunfunktionen,
wie Lymphozytenproliferation (Zellteilung),
Antikörperausschüttung und Zellauflösung
(Apoptose). Hohe cAMP-Spiegel bei
gleichzeitiger Stimulation von ß-adrenergen und
T- Zellen -Rezeptoren durch Katecholamine an
T-Zellen reduzieren die Proliferation der
Immunzellen. Besonders wichtig ist dabei
die Tatsache, dass die Balance zwischen
T-Helferzell- und T-Suppressorzell-Aktivität von
Noradrenalin und Adrenalin verschoben werden
kann. Die Stärke der immunologischen Antwort
sollte proportional der Menge der eingedrungenen
Antigene sein und nach deren Neutralisierung
rechtzeitig aufhören. Ist das übliche
Gleichgewicht zwischen Helfer- und
Suppressorzellen verschoben, so kommt es zu
verspäteten, überschießenden oder überlangen
Immunreaktionen, je nachdem, welcher Zelltyp
überwiegt.
38Rolle der Zytokine Zytokine oder
Zellinteraktionsmoleküle fungieren im Immunsystem
als die Transmitter, sie steuern die Migration
der Immunzellen ins Gewebe, sie ermöglichen die
Bindung (Adhäsion) von kooperierenden Zellen und
sie können Zielzellen aktivieren oder hemmen.
Sie bestehen aus Interleukinen (IL),
Interferonen (IFN), Tumornekrosefaktoren (TNF)
und transformierenden Wachstumsfaktoren (TGF) und
wirken pro- oder antiinflammatorisch. Sie werden
von den Immunzellen gebildet und können lokal
sehr spezifisch über Zytokinrezeptoren oder
systemisch auf viele Zielzellen wirken.
Zytokine existieren sowohl im ZNS wie auch in der
Körperperipherie und können somit komplexe
Regelkreise innerhalb und zwischen ZNS,
endokrinem System und Immunsystem bilden (Abb.
9.7). Zum Beispiel aktiviert IL-1 die
Hypothalamus-Nebennierenrinden-Achse und ihre
Hormone auf allen Ebenen und ist daher an der
Entstehung stressbedingter Krankheiten beteiligt.
IL-1 und IL-6 bewirken Krankheitsverhalten mit
Rückzug, Appetitmangel, Gliederschmerzen,
Müdigkeit und Desinteresse durch ihre Wirkung auf
das ZNS. Sie erleichtern damit das Freiwerden von
Energie zur Bekämpfung des Pathogens, z. B. des
Virus.
39a
40Zentralnervensystem und Immunsystem Die
Verbindungen zwischen ZNS und Immunsystem laufen
v. a. über das autonome Nervensystem, das
physiologisch für körperinterne Homöostasen und
psychologisch für emotionale und motivationale
Prozesse (Gefühl und Antrieb) verantwortlich ist.
Strukturen, die an der Regulation des
autonomen Nervensystems beteiligt sind, der
Hypothalamus, das limbische System und autonome
Kerne des Stammhirns. Der Neokortex scheint eine
Rolle zu spielen, als er in die subkortikale
Regelung von autonomen und emotionalen
Mechanismen eingreift. Der vordere
Hypothalamus kann sowohl in die zelluläre wie
humorale Immunreaktivität eingreifen. Die meisten
Änderungen sind kurzfristig und über die
endokrinen Verbindungen zur Hypophyse vermittelt.
Die Zahl der T-Lymphozyten und natürlichen
Killerzellen (NK) sinkt nach Zerstörung des
vorderen Hypothalamus ebenso wie die
Antikörperproduktion ab. Läsionen im
limbischen System führen dagegen meist zu einer
Anregung immunologischer Aktivität. Sowohl
im limbischen System wie im Hirnstamm sind v. a.
jene Regionen an der Immunmodulation beteiligt,
die mit dem zentralen noradrenergen System in
Verbindung stehen. Zerstörung noradrenerger
Zellsysteme erhöht z. B. die T-Suppressor-Zell-Akt
ivität und hemmt damit die Antikörperreaktion auf
verschiedene von extern eingeführte Antigene.
41Beteiligung der Großhirnrinde Hirnläsionen,
v. a. im Großhirn in der akuten Phase z. B. nach
Schlaganfall, führen zu einer Immunsuppression.
Zytokine steigen (proinflammatorische Zytokine
wie IL-1, IL-6. TNF-a und IL-8) und die
T-Zell-Aktivität sinkt. Nach Chronifizierung
allerdings, ist die Immunantwort sogar häufig
verbessert. Die beiden Hemisphären des
Neokortex haben unterschiedliche Wirkungen auf
das Immunsystem, ein Anstieg der Aktivität der
rechten Hirnhemisphäre führt zu Immunsuppression.
Die rechte Hemisphäre erleichter die Aufnahme und
Verarbeitung emotional negativer Reize und
Reaktionen. Linkshänder weisen z. B. mehr
Immundefizite wie Allergien und reduzierte
Resistenz gegenüber Infektionen als Rechtshänder
auf. Läsionen der beiden Hemisphären haben keinen
Einfluss auf die humorale B-Lymphozyten-, sondern
nur auf die T-Lymphozytenaktivität. Läsionen der
rechten Hemisphäre führen zu Anstieg der
T-Lymphozyten-und NK-Aktivität, während Läsionen
der linken diese eher unterdrücken.
Je nach Ort der Hirnläsion oder -dysfunktion kann
es zu Abfall oder Anstieg der Immunkompetenz
kommen. Das Großhirn übt einen starken Einfluss
auf das Immunsystem aus. Akute Läsionen stören
die Immunkompetenz und die rechte Hemisphäre
wirkt immunsuppressiv.
42Immuneffekte auf das ZNS Die Beeinflussung
des ZNS durch Substanzen des Immunsystems ist
unbestritten. Wenn die im ZNS zirkulierenden
T-Lymphozyten auf ein Antigen im ZNS stoßen,
entwickelt sich innerhalb von Tagen eine volle
Entzündungsreaktion. Die
immunaktivierten Zellen bewirken einen Abfall der
Übertragungswirkung von Noradrenalin (NA) im
Hypothalamus, was selbst wieder zu vielfältigen
endokrinen Konsequenzen in der Tätigkeit der
Hypophyse führt Am 4. und 5. Tag nach der
Aktivierung einer Antigenwirkung ist auch das
Maximum der Sekretion von Glukokortikoiden, die
direkt die Sensibilität der Lymphozyten steuern,
erreicht. Somit gehört ein Anstieg von
ACTH/Kortisol zu jeder Immunreaktion. Die
Funktion des Kortisol besteht dabei darin, die
Immunreaktion zu terminieren und ein Überschießen
zu verhindern. Die Gabe von Kortikosteroiden ist
daher die wirksamste Therapie autoimmuner oder
extern verursachter Überaktivität des
Immunsystems. Interleukin-1 (IL-1), eines
der bestuntersuchten Zytokine, stimuliert im
Hypothalamus die CRH-(Kortikotropin-Releasing-Horm
on)-Freisetzung. Darüber hinaus führt IL-1 zu
vermehrtem Delta-Schlaf. Die Aufnahme von
immunreaktiven Zellen im Kortex und Hypothalamus
beeinflussen die Tätigkeit der Hypothalamus-Nebenn
ierenrinden-AchseTage nach Einwirkung eines
Antikörpers werden ACTH und Glukokortikoide
vermehrt ausgeschüttet, um ein Überschießen der
Immunantwort in der Peripherie zu verhindern
43Schlaf-Wach-Rhythmus und Immunkompetenz Der
Schlaf-Wach-Rhythmus wird von immunaktiven
Substanzen ebenso beeinflusst wie umgekehrt
Schlaf zum restaurativen Aufbau von
immunkompetenten Zellen notwendig ist. Chronische
Schlafdeprivation führt daher zu raschem Absinken
der Immunkompetenz mit Anstieg von Neoplasien
(krebsartiger Entartung), Infektionen und Tod.
Zirkadiane Rhythmusstörungen wie Nachtarbeit und
das Überfliegen von Zeitzonen (Jetlag) erhöhen
ebenfalls die Infektionsanfälligkeit.
Interleukine, z. B. IL-1, die von T-Helferzellen
abgegeben werden und das Lymphozytenwachstum
beschleunigen, haben schlafanstoßende Wirkung im
Gehirn. Die immunologischen Effekte des
Schlafens scheinen u. a. von der zirkadianen
Rhythmik des Zirbeldrüsenhormons Melatonin
bedingt zu sein. Melatonin ist während des
Tiefschlafes erhöht, seine Konzentration im
Kindesalter ist hoch und sinkt mit der Dauer des
Tiefschlafs im Alter ab. Vor dem Einschlafen
verabreicht, reduziert es Belastungseffekte
(Stress) und kann bei Jetlag den Rhythmus
resynchronisieren. Melatonin bewirkt in
antigenaktivierten T-Helferzellen die
Ausschüttung kleiner Mengen endogener Opioide. Im
Tierversuch wurde damit das Wachstum von Tumoren
gebremst und die vielfältigen hormonellen Effekte
von Belastung (Stress) neutralisiert.
44Autonomes Nervensystem und Immunreaktion Immunrea
ktion und Emotionen Die Entstehung und
Aufrechterhaltung von Gefühlen und
Antriebszuständen ist an die Existenz des
autonomen Nervensystems gebunden. Emotionen sind
an der Aufrechterhaltung der körperinternen
Homöostasen durch das autonome Nervensystem
genauso beteiligt wie andere nichtphysiologische
Faktoren, wie z. B. Außentemperatur oder
Energiezufuhr. Kommunikation zwischen
Immunsystem und autonomem Nervensystem Die
Verbindungen zwischen autonomem und Immunsystem
kurze, mittellange und lange Kommunikationswege.
Kurze betreffen die unmittelbare anatomische
Nachbarschaft von Zellen, mittellange jene
zwischen entfernter liegenden Teilen des
autonomen Systems, z. B. den Grenzstrangganglien
und den Lymphknoten, Lange, z. B. jene zwischen
autonomen Teilen des Zentralnervensystems oder
endokrinen Drüsen und den verschiedenen
lymphatischen Geweben ( Abb. 9.8).
Die Kommunikation zwischen der autonomen
Innervation und den hoch mobilen Zellen des
Immunsystems findet oft im Gefäßsystem statt. Die
dabei beteiligten Neurotransmitter sind die
Katecholamine, Azetylcholin, Substanz P,
vasoaktives intestinales Peptid (VIP),
Neuropeptid Y und verschiedene andere
Neuromodulatoren. Alle haben auch vasoaktive
Funktionen und können damit Blutfluss,
Perfusionsdruck und Lymphozytenbewegung
beeinflussen.
45(No Transcript)
46Synaptisches Wechselspiel Sowohl auf
Lymphozyten wie auf Makrophagen befinden sich
Rezeptoren für die Neurotransmitter des autonomen
Nervensystems, allen voran Rezeptoren für die
verschiedenen Katecholamine. Die Lymphzelle
antwortet auf die Bindung mit dem Rezeptor wie
jede andere Zelle mit Aktivierung der second
messengers und ihrer intrazellulären
Folgeprozesse. Und umgekehrt, Lymphokine und
Interleukine können rückwirkend die
Nervenendigungen kontrollieren. Das
Immunsystem, speziell Lymphozyten stellen sogar
selbst Neurotransmitter wie adrenokortikotropes
Hormon (ACTH) und ß-Endorphin her, die dann in
Zusammenarbeit mit Zytokinen wie Interleukin-1
und -2 synergistisch die Tätigkeit des ZNS
modifizieren können. Umgekehrt können Nerven- und
Gliazellen Immunprodukte wie die Zytokine
herstellen. Immunreaktivität und Alter
Mit dem Alter und Verlust des Tiefschlafs und
abnehmender noradrenerger Innervation sinkt die
Kompetenz des Immunsystems und steigt die
Krankheitsanfälligkeit.
47Lernen und Immunsystem Klassische
Konditionierung Geschichte In vielen
klinischen Anekdoten vor Entdeckung der
klassischen Konditionierung durch Iwan Pawlow am
Beginn des 20. Jahrhunderts waren gelernte
allergische Reaktionen auf neutrale Reize
beschrieben worden. Zum Beispiel bekam ein
Patient, der auf Rosenpollen und -geruch
allergisch mit einer Asthmaattacke reagierte,
auch Attacken auf den Anblick einer künstlichen
Rose. Ja selbst das Aussprechen des Wortes Rose
konnte einen Anfall provozieren (semantische
Konditionierung höherer Ordnung).
Konditionierte Unterdrückung der Immunreaktion
Ader und Cohen paarten einen neutralen CS,
saccharinhaltiges Wasser, mit Zyklophosphamid
(CY), einer immunsuppressiven Substanz, als US,
das den Ratten nach 10-15 min Trinken injiziert
wurde. Die Darbietung des CS allein führte nur in
der Experimentalgruppe, in welcher der CS vor dem
US zeitlich gepaart dargeboten worden war, zu
einer deutlichen Reduktion der Antikörperzähl bei
der Autoimmunkrankheit Lupus erythematosus im
Blut der Tiere. Entscheidend war also die
Lerngeschichte (CS wird kurz vor US dargeboten)
und nicht die objektiv physiologisch zu
erwartende Immunreaktion! Dasselbe wurde für
zelluläre Immunantworten gezeigt, die sich der
T-Lymphozyten bedienen. Konditionierte
Unterdrückung der Immunantwort verlängert das
Leben bei einer Autoimmunerkrankung.
48a
49Konditionierung der Abstoßungsreaktion
Natürliche Killerzellen-Aktivität,
Lymphozytenproliferation, verschiedene
Immunglobuline, T-Helfer- und Suppressorzellen,
arthritische Entzündung u. a. immunologische
Reaktionen konnten klassisch konditioniert
werden. Die erzielten Effekte sind nicht auf
Stressfaktoren und die Hypophysen-Nebennierenrinde
-Achse zurückzuführen, die für sich allein
genommen Immunsuppression oder -Verbesserung
bewirken können. Sowohl Anstieg wie
Abfall der Immunkompetenz verschiedener
immunologischer Zellgruppen als auch die
Lernbarkeit der Abstoßungsreaktion auf
körperfremdes Gewebe wurde an verschiedenen
Tierarten und am Menschen demonstriert. Zum
Beispiel wurden Tieren, die in der oben
beschriebenen Art und Weise auf saccharinhaltiges
Wasser konditioniert wurden, körperfremde
Leukozyten am Testtag bei gleichzeitiger
Darbietung des CS alleine injiziert. Dies führte
schon nach wenigen Konditionierungsdurchgängen zu
fast völliger Unterdrückung der
Abstoßungsreaktion, auch ohne Gabe des
immunsuppressiven US. Sowohl
konditionierter Anstieg wie Abfall von vielen
Immunantworten konnte in all jenen Geweben
erzielt werden, die eine autonome oder somatische
Nervenverbindung zum Immunorgan aufwiesen.
50Lupus erythematodes und Lernen Beim Lupus
erythematodes werden u. a. Autoantikörper gegen
im Blut zirkulierende Antigene gebildet. Daraus
entstehen Antigen-Antikörper-Verbindungen, die
sich v. a. im Gefäßsystem, der Haut, der Niere
und den Gelenken ablagern und diese
zerstören. Normaltiere lernen sehr rasch eine
Vermeidungsreaktion (z. B. in eine bestimmte
Käfigecke laufen), wenn sie damit der Einnahme
oder Injektion von Zyklophosphamid entgehen
können. Tiere mit Lupus aber lernen sehr viel
langsamer, wenn sie eine instrumentelle
Vermeidungsreaktion auf Zyklophosphamid
entwickeln sollen sie nehmen also mehr
Zyklophosphamid in Kauf Dies zeigt, dass
Lernen an der Aufrechterhaltung der
körperinternen Homöostasen beteiligt ist.
Die Tiere bevorzugen auch in der klassischen
Konditionierung Gerüche als CS (unabhängig, ob
gut oder schlecht riechend), die das
Auftreten von Zyklophosphamid signalisieren und
vermeiden Gerüche, die das Fortschreiten der
Krankheit, z. B. Entzug von Zyklophosphamid,
anzeigen. Das Verhalten des Organismus
spiegelt den Zustand seines Immunsystems wider,
womit z. B. in diesem Fall durch das Verhalten
das Auftreten der Krankheitssymptome (z. B.
Lymphadenopathie) deutlich verzögert oder
überhaupt beseitigt wird. Tiere lernen
ihr Verhalten so zu ändern, dass ein dem
Organismus vorteilhafter Zustand des Immunsystems
erreicht wird.
51Kompensatorische Konditionierung und
Immunantwort Viele physiologische Systeme
reagieren nach mehrmaliger Paarung von CS, (z. B.
Saccharin) und UCS (z. B. Zyklophosphamid) nicht
mit der unkonditionierten Reaktion (UCR, z. B.
Unterdrückung von Immunfaktoren), sondern mit der
gegenteiligen Reaktion (z. B. Stimulierung von
Immunfaktoren). Diese kompensatorische
konditionierte Reaktion erfolgt nach
Konditionierung, also Paarung von CS und US auf
Darbietung des CS allein (ohne US) und sie
kompensiert antizipatorisch den
antihomöostatischen Effekt des US (Unterdrückung
der Immunantwort). Die antizipatorische
kompensatorische Immunantwort hilft, die
Homöostase wiederherzustellen. Der
evolutionäre Zweck von klassischer
Konditionierung besteht ja gerade darin,
plastisch und voraussehend auf Anpassungsstörungen
zu reagieren. Deshalb kann ein- und derselbe
Reiz, je nach seiner Lerngeschichte und je nach
der physiologischen Funktion der konditionierten
Reaktion 2 gegensätzliche physiologische
Antworten erzeugen. Kompensatorische
Konditionierung ist besonders für die Entwicklung
von Sucht wichtig aber auch die Immunantworten
muss man stets darauf prüfen, ob sie
gleichsinnige oder gegensinnige Reaktionen auf
Umgebungsreize ausbilden. Neben der
gleichsinnigen konditionierten Immunantwort (US
erhöht Immunantwort, CS ebenfalls) findet man
auch kompensatorische konditionierte
Immunreaktionen (US erhöht, CS erniedrigt
Immunantwort), wenn damit ein homöostatischer
Gleichgewichtszustand hergestellt werden kann.
52Negative Emotionen und Immunsystem Stress und
Immunsystem Kurzfristiger Stress führt
vorerst zu einem Anstieg der Immunkompetenz, die
vom autonomen NS verursacht wird nach 30-60
Minuten kommt es zur Ausschüttung der
Glukokortikoide. Die Glukokortikoide bewirken,
dass die Immunreaktionen wieder auf ihre
Ausgangswerte zurückkehren. (Bremswirkung der
Glukokortikoide). Bei der Vorhersage der
Wirkungen von Stress auf das Immunsystem muss man
stets auch an kompensatorische Lerneffekte
denken, die das Verhalten des Immunsystems ins
Gegenteil verkehren können z. B. fand man bei
Prüfungsstress manchmal Absinken und manchmal
Anstieg protektiver Immunantworten wie z. B. von
CD4-Lymphozyten, je nachdem, ob man die
Probanden in derselben Situation (CS) des
Prüfungsortes, oder einem völlig neuen Ort
untersuchte. Subjektiv erlebter
Prüfungsstress führt zu Modifikation des
molekular gesteuerten Zellsuizids (Apoptose).
Apoptose ist ein Prozess innerhalb von Zellen,
bei dem Brüche oder Beschädigungen der DNA (nach
Strahlung oder anderen Einflüssen) zu einer
Selbstzerstörung der Zelle führen. Damit werden
defekte DNA-Reparaturen eliminiert. Es wird
angenommen, dass chronischer Stress Apoptose
reduziert und damit zur Anhäufung von Gendefekten
mit nachfolgenden Krebsgeschwüren oder anderen
Zelldefekten führt. Kurzer Stress führt zu
Anstieg, anhaltender zu Abfall der Immunkompetenz
und zu Beeinträchtigung der Apoptose mit
Anhäufung von Gendefekten.
53Depression und Angst Depressionen und
Angst erhöhen die Produktion proinflammatorischer
Zytokine, v. a. IL-6. Die NK-Aktivität und
Lymphozytenzahl ist reduziert. Lange anhaltendes
hohes Niveau von proinflammatorischen Zytokinen
begünstigt Altern, kardiovaskuläre Erkrankungen,
Osteoporose, Arthritis, Typ-2-Diabetes, einige
lymphoproliferative Krebsarten wie Myelome,
Lymphome, chronische lymphozytäreLeukämie,
Alzheimersche Erkr. Bei Angst wird IL-6
durch die Stimulation von ß-adrenergen Rezeptoren
im autonomen Nervensystem produziert. IL-6 ist
ein potenter Stimulator der CRF und verstärkt
noch die schon bestehende Überproduktion von
Kortisol bei chronischen Depressionen. Das
Steigen des Kortisolniveaus kann selbst wieder
depressive Symptome erzeugen und somit einen
Circulus vitiosus aus Zytokininproduktion/Hyperkor
tisolismus und Depressionen verursachen.
Die immunologischen Risikofaktoren haben
denselben Vorhersagewert für Überleben wie die
bekannten Standardrisikofaktoren hohes
Cholesterinniveau, Rauchen, etc. und existieren
unabhängig von diesen. Depression,
Zytokinniveau und Störungen der zirkadianen
Periodik könnte auf dieselben genetischen
Polymorphismen zurückzuführen sein.
54Sozialpsychologische Faktoren der Vulnerabilität
des Immunsystems Die Verletzlichkeit
(Vulnerabilität) des Immunsystems durch
psychologische Einflüsse ist früh und spät im
Leben erhöht. Früher Missbrauch, Armut und
Entwurzelung führt zu höherem Risiko späterer
Depression, Krankheit und Lebensverkürzung durch
Immunsuppression oder Entzündung. Im Alter wird
die Vulnerabilität durch Verlust sozialer
Stützung und das geschwächte Immunsystem und den
Verlust von Tiefschlaf mit GH-Anstieg und
Kortisolunterdrückung verstärkt.
Sozioökonomisch niedrige soziale Schichten weisen
ein erhöhtes Risiko für immunbedingte Störungen
auf, aber auch Personen, die ihren sozialen
Rangplatz (z. B. durch Arbeitslosigkeit,
Vertreibung, Emigration, Katastrophen)
verlieren. Persönlichkeitsfaktoren und
Bewältigungsstile haben bedeutsame Einflüsse auf
das Immunsystem und Krankheit. Als wichtiger
Faktor wurde Typ D identifiziert Neigung zu
Depression, negative Gedanken, soziale Hemmung
und Feindseligkeit (früher auch als
kardiovaskulärer Risikofaktor Typ A genannt.
Soziale Isolation, Trennung und Partnerverlust
(letzterer besonders bei Männern) beschleunigen
den Ausbruch und Verlauf von AIDS, beeinflussen
negativ Knochenmarktransplantation und
Immunreaktionen auf Impfung.
55Krankheit und Immunsystem Psychologische
Krankheitsentstehung Der direkte Weg ist
beim Menschen schwer zu beweisen, ein emotionaler
Reiz (z. B. Katastrophe) kann direkt über das
autonome Nervensystem eine Immunfunktion
dauerhaft schädigen. Die indirekten Wege
sind leichter zu objektivieren. Der kumulative
Weg wird gerade in den Entwicklungs- und
Wachstumsperioden im Kindesalter und im hohen
Alter häufig sein. Ein Beispiel sind
respiratorische Infekte bei Kindern nach Eintritt
in den Kindergarten, die erst nach einem
zusätzlichen Stressor (z. B. Erdbeben, Tsunami)
bei einer Subgruppe auftraten. In kritischen
Lebensperioden können die Effekte von Stress
plötzlich wirksam werden. Fast alle
Autoimmunerkrankungen und manche Krebsformen
werden nach dem Kofaktormodell erfolgen Kinder
mit einem genetisch erhöhten Asthma-Risiko
erleiden Asthma-Anfälle erst dann, wenn ein
familiäres Belastungsereignis als katalytischer
Kofaktor aufgetreten ist. Beispiel AIDS
Negative und negativistische Einstellungen führen
zu Zytokinüberproduktion, CD4-Abfall und
CD8-Anstieg, reduzierter Lymphozytenproliferation
, Abfall der NK-Zellen und schlechtem Ansprechen
auf antivirale Therapie. Zusätzlich wird der
direkte Einfluss der psychologischen Bewältigung
durch mangelnde Compliance verstärkt oder
abgeschwächt. Verhaltenstherapeutische Behandlung
der negativ-depressiven Verhaltensstile von
HlV-Infizierten.
56(No Transcript)
57Krebsausbreitung im Alter Auf O Abb. 9.12
ist der exponentielle Anstieg von Krebs ab dem
50. Lebensjahr dargestellt. Maligne Entartung des
Epithelgewebes (Krebs im Alter betrifft fast nur
Epithelgewebe wie Brust, Prostata, Kolon und
Lunge, während Kinder Lymphome, Leukämie,
ZNS-Tumoren, Knochenkrebs u. a. entwickeln) ist
der Endpunkt sukzessiver genetischer Läsionen.
Epithelgewebe muss sich das ganze Leben
erneuern und Brüche an den Telomeren der
Chromosomen führen explosiv zu chromosomaler
Instabilität und rapidem Anwachsen von
Mutationen. Ein wichtiger Auslöser für diese
Entwicklung ist das Nachlassen der
Immunüberwachung. Diese wiederum kann häufig
durch psychologische Faktoren verstärkt oder
abgeschwächt werden. Eine Rolle
psychologischer Faktoren bei der Entstehung,
Ausbreitungund Unterdrückung von malignen Tumoren
sind heute erdrückend positiv, lassen sich aber
epidemiologisch in Reihenuntersuchungen großer
Stichproben bisher nicht nachweisen.
Aktivität natürlicher Killerzellen (NKCA)
scheint entscheidend für die Ausbreitung und
Metastasierung einiger Krebsformen. Katecholamine
und Glukokortikoide, die wesentlichen endokrinen
Antworten auf psychologischen Stress,
beeinflussen die Verbreitung von NK-Zellen
(zytotoxische T-Lymphozyten, natural killer
cells) in den Körpergeweben. Dabei ist NKCA
wichtiger als die absolute Anzahl der NK-Zellen
selbst, deren Zytotoxizität nicht unbedingt mit
ihrer Zahl korreliert.
58Stress und Tumorwachstum Ein wichtiger
Faktor für die Verteilung der NK-Zellen nach
Stress ist die Ausschüttung von Noradrenalin, die
die NKCA in einzelnen Körpergeweben unterdrücken
kann. Dabei zeigte sich, dass der
Operationsstress bei metastasierenden Tumoren
auch beim Menschen zu erneuter und verstärkter
Metastasierung führen kann. Bei Frauen spielt
auch noch der Zeitpunkt der Zyklusphase eine
Rolle Am Anfang des Zyklus mit hohem
Östrogenspiegel ist die negative Wirkung von
intensivem Operationsstress besonders deutlich.
Die psychologische Betreuung ist dann
entscheidend für den Erfolg. Präemptive Analgesie
(schmerzhemmende Maßnahmen vor dem eigentlichen
Eingriff), könnte vermutlich eine wirksame
Strategie sein. Tumorwachstum und endogene
Opiate Chronische gelernte Hilflosigkeit
führt zu Analgesie und Anstieg des
Tumorwachstums, beides kann durch Naloxongabe
verhindert werden. Opiodstress im
Gegensatz zu nichtOpioiden Stressformen, wie z.
B. kürzer anhaltende schmerzhafte Reizung, die
Tumorwachstum verzögert. Chronische Opiatgabe
oder Reizung jener zentralen Systeme, die den
Spiegel einzelner Endorphine erhöhen,
beschleunigen Metastasenbildung und unterdrücken
die Aktivität natürlicher Killerzellen (NKCA) und
zytotoxischer T-Lymphozyten. Ob nun
Tumorwachstum durch Hilflosigkeit beschleunigt
oder gehemmt wird, hängt auch von
individualtypischen Persönlichkeitsfaktoren ab
So erhöhen Opioide die NK-Aktivität in Tieren,
die eine niedrige Immunkompetenz haben
59Autoimmunerkrankungen Unbewältigbare
Lebensereignisse Als psychosomatisch
bezeichnete Erkrankungen sind oft
Autoimmunerkrankungen, die aber von
unbewältigbaren Lebensereignissen begünstigt
werden. Autoimmunerkrankungen treten auf,
wenn das Immunsystem gegenüber körpereigenen
Antigenen, die ja stets vorhanden sind,
intolerant wird und Antigen-Antikörper-Komplexe
in bestimmten Geweben ablagert diese, zusammen
mit sog. Komplementbildung führen zu Entzündungen
der Blutgefäße, Gelenke, Niere, Lunge, Haut, des
endokrinen und gastrointestinalen Systems und des
ZNS. In der rheumatoiden Arthritis wie beim
Lupus erythematodes und Überfunktion der
Schilddrüse (Morbus Basedow) verschlechtern
depressive Verstimmungen das Krankheitsbild.
Unbewältigten Belastungen und Depression wurden
bei der Colitis ulcerosa und beim Morbus Crohn
gefunden, Asthma bronchiale Asthma besteht
aus exzessiven Bronchialkonstriktionen, die
direkt vom autonomen Nervensystem ausgelöst
werden können oder aber indirekt durch
Infektionen, die das Immunsystem stimulieren.
Beim kindlichen Asthma spielen in 30 der Fälle
lernpsychologische Faktoren die entscheidende
Rolle. Kurzfristige Trennung von den Eltern führt
bei dieser Subgruppe zu wesentlichen Besserungen,
da instrumentelle Lernprozesse (Zuwendung,
Vermeidung ungewollter Tätigkeiten) von Seiten
der Eltern die Bronchokonstriktion aufrecht
erhalten.
60a
61Alzheimer-Erkrankung, Altern und Autoimmunität
Die Alzheimer-Erkrankung und andere chronische
neurologische Krankheitsbilder könnten entweder
mit der Schwächung der Immunkompetenz im Alter
oder einem spezifischen entzündlichen
Autoimmunprozess, ähnlich dem Lupus
erythematodes, der multiplen Sklerose oder der
Myasthenia gravis zusammenhängen. Als
wahrscheinlicher Mechanismus werden
Hirnantikörper im Serum, in der
Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) oder im
Gehirngewebe selbst angenommen, die mit
Hirnantigenen reagieren, Antigen-Antikörper-Komple
xe bilden und Hirngewebe zerstören. Mit
zunehmendem Alter steigt die Zahl der
Hirnantikörper, die an Hirngewebe binden,
Besonders Immunglobuline, die die cholinerge
synaptische Übertragung angreifen und wesentlich
für den Gedächtnisverlust verantwortlich sind,
wurden gefunden. Auch die Tatsache, dass
entzündungshemmende Medikamente wie Aspirin in
einigen Untersuchungen den Verlauf der Erkrankung
verlangsamten, könnte ein Indiz für einen
immunologischen Prozess sein. An der
Alzheimer-Erkrankung sind entzündliche Vorgänge
beteiligt die durch den Verlust von
Immunkompetenz und dem Anstieg von
Hirnantikörpern im Alter begünstigt werden.
62- Bewegungs- und Krankheitsverhalten
- Moderate Bewegung fördert die Immunkompetenz,
extrem