Title: Finanzm
1Finanzmärkte und Psychologie
- Professor Dr. Peter Bofinger
- Universität Würzburg
2Eine beunruhigende Thematik
- Seit März 2000 ist evident, wie sehr die
Finanzmärkte von der Psychologie bestimmt werden - Im November 2002 Nobelpreis für Ökonomie an den
Psychologen Daniel Kahneman - Problem Finanzmärkte folgen den Gesetzen einer
weichen Wissenschaft
3Aktienmarkt keine Almwiese, sondern ein
ausgesetzter Gletscherhang
4Wir können uns den Finanzmärkten nicht entziehen
- Immer geringere Leistungen durch die Gesetzliche
Rentenversicherung - Private Altersvorsorge ist unabdingbar
- Wie können wir uns auf dieser Gletschertour
ausreichend absichern?
5Fragestellungen des Vortrags
- Wieso spielt die Psychologie eine so große Rolle
auf den Finanzmärkten? - Konkret Die Blase der neunziger Jahre
- Wie geht es weiter?
- Wie sinnvoll ist die Aktie als Anlageinstrument?
6Die traditionelle ökonomische Sichtweise
- Anleger sind überwiegend
- vollständig informiert
- haben keine Probleme bei der Informationsverarbeit
ung - entscheiden rational
- Stabilisierende Spekulation sorgt für Angleichung
der Kurse an den fundamentalen Wert
7Idealtypischer Kursverlauf
8Effiziente Märke
- Im aktuellen Kurs spiegelt sich optimale
Verarbeitung aller vorhandenen Daten (news) - Logik Es ist ohne Bedeutung, ob aktuelles Niveau
im historischen Vergleich hoch oder niedrig ist - März 2000 genauso gut wie April 2003
9Anomalie Kurse sind volatiler als die news
10Das Paradigma der Behavioral Economics
- Think of the human brain as a personal computer
with a very slow processor and a memory system
that is both small and unpredictable. I dont
know about you, but the PC I carry between my
ears has more disk failures than I care to think
about. - Richard Thaler (1992)
11Implikationen
- Anleger sind mit der Komplexität der Realität
überfordert - Niemand kennt den Erwartungswert und die Varianz
des eigenen Portfolios sowie die eigene
Risiko-Nutzenfunktion - Anleger richten ihr Verhalten häufig an
Heuristiken (Daumenregeln) aus
12Beispiel Suche nach einem Restaurant in fremder
Stadt
- Homo oeconomicus Verfügt über alle
Informationen (oder kann sich diese beschaffen)
und findet stets das für ihn optimale Lokal - Homo psychologicus Verwendet Daumenregel, die
ihn in der Regel in ein einigermaßen gutes Lokal
führt
13Beispiele für Daumenregeln
- örtliche Verfügbarkeit
- Restaurants in unmittelbarer Nähe
- mentale Verfügbarkeit/Repräsentativität
- McDonalds oder Italienisches Lokal
- Anker-Heuristik
- Artikel über Japan ? japanisches Lokal
- Herdenverhalten
- Lokal ist gut besucht
14Anwendung auf Aktienmarkt
- örtliche Verfügbarkeit
- Ich kaufe Aktien von Unternehmen aus meiner
Region (home country bias) - mentale Verfügbarkeit/Repräsentativität
- Microsoft ist sehr erfolgreich. Ich kaufe Aktien
von Software-Unternehmen - Anker-Heuristik
- Ich habe MLP zu 100 ? gekauft, da kann ich sie
nicht zu 8 ? verkaufen. - Herdenverhalten
- Mein Nachbar hat große Gewinne mit Aktien
gemacht. Da muss ich auch Aktien kaufen.
15Kennzeichen von Heuristiken
- Ideal Gute Entscheidungen mit wenigen und leicht
verfügbaren Daten - Von Heuristiken bestimmtes Verhalten ist
tendenziell konservativ, d.h am Bestehenden
ausgerichtet - Heuristiken können auch zu systematischen Fehlern
(biases) - Beispiel Anker-Heuristik
16Zusätzlicher Schwierigkeitsgrad
- Aktienmarkt ist ein spekulativer Markt
- Kaufmotiv ist in der Regel der Weiterverkauf
- Einschätzung einer Aktie durch die anderen
Marktteilnehmer ist wichtiger als die eigene
Einschätzung - Informationen dritten Grades (Keynes)
17Lösung des Problems
- Benötigt wird ein fokaler Punkt
- Beispiel In-Kneipe
- Heuristik, die nur dann funktioniert, wenn auch
andere sie verwenden - Heuristiken, die wie Konventionen wirken
- schwer zu etablieren,
- aber mit großer Beharrungstendenz
18Wie funktioniert eine Heuristik an den
Finanzmärkten?
- Konventionen über
- allgemeinen Trend des Marktes
- besonders erfolgreiche Papiere (High Tec)
- kursrelevante Faktoren (Dow Jones für DAX,
kurzer Krieg ist gut) - Wegen Stabilität von Konventionen lange Trends
am Aktienmarkt und am den Devisenmarkt
19Das Phänomen langer Abwertungsphasen
20Wie ist es zur Blase der neunziger Jahre gekommen?
21Fundamentale Auslöser
Einführung der ZASt
14
9000
8000
Umlaufsrendite
12
DAX-Index
7000
10
6000
8
5000
4000
6
3000
4
2000
2
1000
0
0
31.01.70
31.03.71
31.05.72
31.07.73
30.09.74
30.11.75
31.01.77
31.03.78
31.05.79
31.07.80
30.09.81
30.11.82
31.01.84
31.03.85
31.05.86
31.07.87
30.09.88
30.11.89
31.01.91
31.03.92
31.05.93
31.07.94
30.09.95
30.11.96
31.01.98
31.03.99
31.05.00
31.07.01
30.09.02
22Psychologische Verstärker
- Overconfidence Kursgewinne sind Ausdruck
meiner Fähigkeiten - House-money Mit Gewinnen kann man
risikoreicher umgehen - Herding Andere machen große Gewinne
- Framing insbesondere durch Medien und Banken
Schlechte news bleiben unberücksichtigt
23Fundamentale Verstärker
- Hohe Gewinne von Banken und Versicherungen
- Unternehmensfinanzierung wird erleichtert ?
Investitionen steigen - Haushalte fühlen sich reicher, Sparquote sinkt
und Konsum steigt
24Sparquote in den Vereinigten Staaten
25Wie es zum Platzen der Blase kommt
26DAX und KGV in Deutschland
27Fundamentaler Auslöser
28Psychologische und fundamentale Verstärker
- Niedrige Rendite und Kursverluste
- Neues Risikobewußtsein
- Herdentrieb
- Vermögensverluste von Banken und Versicherungen
29Wie geht es weiter?
30What comes down, must not go up
31Bis zum nächsten Peak kann es lange dauern
32Kollektive Erfahrung verhindert baldige neue Blase
- Risikobewußtsein ist deutlich gestiegen
- Experten haben Glaubwürdigkeit verloren
33Ausblick
- Fundamentale Risiken US-Bewertungen noch immer
hoch - Aktien in Deutschland haben fundamentale
Untergrenze erreicht - KGV hat sich normalisiert
- Relation zum BIP stimmt wieder
- Dividendenrendite ist hoch
34Dividendenrendite ist hoch
35Lehren aus der Behavioural Finance
- Märkte tendieren zu Überreaktionen
- Kurzfristig Es kann noch weiter nach unten gehen
- Mittel- und Langfristig Abwärtsrisiken sind
begrenzt
36Lehren aus der Behavioural Finance
- Was man vermeiden sollte
- Anker-Effekte
- Es lohnt, sich von Aktien zu trennen, auch wenn
dabei Verluste realisiert werden - Home country bias
- Es ist besser zu diversifizieren, als auf
vermeintliche Insider-Kenntnisse zu setzen - Herdenverhalten
- Aktuelle Kursniveaus sind relevant
37Lehren aus der Behavioral Economics
- Over-confidence ist immer gefährlich
- Hyperaktivität bei Aktien ist teuer und wenig
erfolgversprechend - Auch Fonds sind in der Regel kaum besser als der
Durchschnitt, dafür aber mit Management-Kosten
verbunden
38Hyperaktive sind nicht erfolgreicher
39Fonds sind nicht besser als der Durchschnitt,
aber dafür teurer
40Eine gute Lösung Indexzertifikate und Indexfonds
- Relativ geringe Kosten, kein Ausgabeaufschlag
- Transparenz
- Zertifikate (Inhaberschuldverschreibungen)
riskanter als Fonds (Sondervermögen) - EuroStoxx besser als
- DAX (Diversifikation)
- US-Indizes (Wechselkursrisiko)
41Mit guter Absicherung bleiben Aktien eine
sinnvolle Vermögensanlage
- Wichtig für der Altersvorsorge
- Das Mischungsverhältnis muss stimmen
- Beteiligung am Humankapital der Zukunft
- Beteiligung an den Steuereinnahmen der Zukunft
- Beteiligung an Grund und Boden
- Beteiligung am Unternehmenskapital in Europa